Liebes rund-ums-baby-team, liebe LeserInnen, am 9.12.2006 habe ich den Eintrag https://www.rund-ums-baby.de/erziehung/massive-Ticks-unserer-Tochter_69078.htm geschrieben und bin nun einige Jahre später darüber gestoplert und hatte die Idee, einen Nachtrag zu verfassen. Aus unserer Tochter ist nun eine junge, intelligente, hübsche, (auch) selbstbewusste junge Frau geworden. Sie hat das Abitur ohne Probleme gemeistert, ist seit vielen Jahren Vegetarierin (auch wenn hier eigentlich nicht von Belang) und ist nun zur Ausbildung und zum Praktikum im Ausland. Geblieben ist allerdings die schon damals beschriebene Introvertiertheit und Verschlossenheit. Viele wird -- vielleicht in ähnlicher Lage -- interessieren, was sich in der Zeit getan hat: * zu einem (wirklichen) Psychologen sind wir in der anstrengenden Zeit nie gegangen, vielmehr haben wir zu alternativen Methoden gegriffen, was uns unsere Tochter heute noch vorhält. Der Gang zu Psychologen hätte u.E. nichts gebracht. * Die Tics (ja, jetzt ist die Rechtschreibung auch korrekt) sind ärger und vielfältiger geworden. Wahrscheinlich wäre in dieser Zeit das Tourette-Syndrom diagnostiziert worden, da sowohl motorische als auch vokale Tics aufgetreten sind. Diese sind zumeist bei speziellen Ereignissen (Schulbeginn, Schulwechsel, Streß) für die Dauer von ca 3 - 4 Monaten verstärkt aufgetreten. Es wäre gelogen wenn ich heute schreiben würde, dass wir in all der Zeit ruhig und gelassen geblieben sind. * Immer wenn wir uns durchgerungen hatten, ärztliche Rat und Diagonse zu suchen ist eine Besserung aufgetreten, so dass dieser Gang zu einem Arzt nie zustande kam. Dies aber auch aus dem Grund da wir uns zwischenzeitlich stark in Tics / Tourette eingelesen hatten und eine massive medikamentöse Behandlung nicht wollten. * Nach Lehrbuch sind auch bei ihr die Tics ab dem 11. Geburtstag massiv zurückgegangen und waren vor dem 13. Geburtstag mehr oder weniger gänzlich verschwunden (zumindest konnten wir keine mehr beobachten). * Auch nach Lehrbuch folgen auf die Tics (zumeist) einige Zwänge. Auch die sind aufgetreten und vorhanden, allerdings sind diese (die die wir Eltern kennen) vielmehr als Marotten zu bezeichnen. Wie bereits beschrieben ist Introvertiertheit, Reizbarkeit, fehlende Kommunikation bzw. kein Ansprechen der Probleme / Sorgen / Nöte sowie fehlendes Selbstvertrauen und damit ein geringes Selbstwertgefühl (Komplexe) geblieben, so dass die Jugendzeit natürlich ihre eigenen Probleme mit sich gebracht hat, die aber prinzipiell bei allen Jugendlichen auftreten können. Mädchen dieser grundsätzlichen Ausprägung sind so zwischen 15 und 17 Jahren eine "leichte Beute" (ins Detail muss ich ja wohl nicht gehen). So haben auch bei unserer Tochter die ersten großen Enttäuschungen mit Freunden nicht nur zu Liebeskummer sondern auch zu Selbstaggression (Ritzen), Depression und einer Tendenz zu Essstörungen geführt. Das Erstaunliche daran ist, dass uns, obwohl wir als Eltern bedingt durch die Vorgeschichte sehr sensibel und aufmerksam waren, dies lange Zeit verborgen blieb. So mit ca. 18 Jahren ist ein neuerlicher Wandel, nun zu mehr Selbstvertrauen und dem Trang den eigenen selbständigen Weg gehen zu wollen, bemerkbar. Wie beschrieben ist sie heute eine junge zwar schüchterne aber großteils selbstbewusste Frau, die ohne Zweifel ihren Weg kennt und gehen wird. An der Offenheit uns und anderen gegenüber arbeiten wir Eltern noch ;-) Zusammengefasst ist es nicht so schlimm gekommen wie zwischenzeitlich (v.a. zw. 7 und 11 Lebensjahr) befürchtet und es ist halt auch nicht so gut gelaufen wie man es sich als Elternteil erhoffen würde. Ob die Probleme in der Jugendzeit damit im Zusammenhang stehen: Durch die Präposition wahrcheinlich ja. Allerdings gibt es für Eltern kaum eine Alternative als die Kids in der Jugendzeit ihre eigenen Erfahrungen und auch eigene Fehler machen zu lassen, auch wenn es schmerzt. Ob es richtig oder falsch war nie medizinischen oder psychologischen Rat zu nehmen, kann ich nicht wirklich abschliessend beurteilen: Wir waren uns immer bewusst dass die Diagnose niederschmetternd wäre (s.o.) und ein Weg mit Medikamenten, Ärzten, Psychologen usw vor uns und v.a. vor unserer Tochter liegen würde, ohne wirkliche Gewissheit auf Besserung oder Heilung. Auch abschliessend glaube ich noch daran, dass dies sogar die größere psychische Belastung für unsere Tochter gewesen wäre (va auch da dies im Umfeld der Schule und der Freundinnen / Freunde kaum zu verheimlichen ist). -------------------- Vielleicht ist es interessant für das Team oder auch die LeserInnen den Beitrag eben auch aus dem Blickwinklen "was ist aus ihr geworden" zu lesen. Liebe Grüße und allen viel Erfolg und Mut!
von Hitchi am 19.10.2019, 16:07