Wie "logisch" kann man mit einem 3Jährigen Kind schon argumentieren?

 Christiane Schuster Frage an Christiane Schuster Sozialpädagogin

Frage: Wie "logisch" kann man mit einem 3Jährigen Kind schon argumentieren?

Liebe Frau Schuster, ich habe eine Frage, bzw. eine Bitte um Rat bezüglich meiner Tochter (31/4). Zum Verständnis muss ich kurz den Hintergund erklären: Wir leben seit einem guten halben Jahr im Ausland, ich bin quasi Alleinerziehend und arbeite Vollzeit. In der ersten Zeit war die Oma dabei, mittlerweile geht meine Tochter hier in einen deutschen Kindergarten (9-13.30h) und hat Nachmittags (bis ca. 16.00h) noch eine sehr liebe Nanny. Im Kindergarten fühlt sie sich offensichtlich sehr wohl. Auch mit der Nanny scheint eigentlich alles gut zu laufen. Bis vor wenigen Tagen hätte war ich der Überzeugung, dass im Grossen und Ganzen alles super läuft. Seit letzter Woche macht sie aber regelmäßig ein riesen Theater, das sich meist an Kleinigkeiten entzündet, z.B. am Zähneputzen. Manchmal habe ich am Ende nachgegeben, und sie ist ihne ins Bett, manchmal habe ich ihr dann gegen ihren Willen und mit grosser Kraftanstrengung trotzdem die Zähne geputzt. Durch das Brüllen war ja wenigstens der Mund offen. Danach hat sie sich im Verhältnis zum Gebrüll immer erstaunlich schnell beruhigt. Dann kam aber gleich das nächste, einmal wollte sie partout nicht, dass das Rollo zugemacht wird, ein anderes Mal wollte sie unbedingt in Jeans schalfen, heute hat sie sogar noch ihre Strassenschuhe an! Es gelingt ihr leider immer wieder, mich durch ihre total-Blockade so wütend zu machen, dass ich am wirklich keine Idee mehr habe, was ich noch machen sollte. Ich hab es zwischendurch selbst auch mit Brüllen versucht, was natürlich gar nichts geholfen hat. Zum ersten Mal hatte ich in diesen Tagen den Gedanken, dass ich abends lieber noch nicht nach hause gehen würde, weil da gleich das Gebrüll wartet. Besonders schlimm sind bei diesen Brüll-Anfällen ihre Terror-Kommandos "steh auf!", "in die Küche gehen!" etc... an denen sie sich so lange fest beißt, bis ich es mache oder bis ihr das nächste einfällt was so oder genau anders sein muss. Manchmal brülle ich dann auch nur noch einfach zurück, weil mir nichts anderes mehr einfällt, gehe in ein anderes Zimmer, halte mir die Ohren zu, starre an die Wand. Ich bin dann wirklich argumantativ und nervlich am Ende. Wahrscheinlich werden Sie mir raten solche Eskalationen schon im Vorfeld zu erkennen und abzuwenden. Das geht aber beim Thema Zähneputzen und ins-Bett gehen nicht, es muss ja irgenwann doch sein! Und in anderen Fällen geht es machmal so schnell, dass dazu keine Gelegenheit bliebt. In einem Moment ist alles in Ordnung, sie möchte dass ich ihr ein Müsli mache, sobald es fertig ist, schreit sie plötzlich rum, dass ich den Joghurt nicht hätte einrühren dürfen, sondern nur oben drauf giessen! Und schon ist die nächste Krise in vollem Gang. Hilfe! Viele Grüße, Ihre Londonia

von Londonia am 23.05.2012, 20:08



Antwort auf: Wie "logisch" kann man mit einem 3Jährigen Kind schon argumentieren?

Hallo Londonia Bitte berücksichtigen Sie, dass der Kindergarten-Besuch und die anschließende Betreuung bei der Nanny für ein Kleinkind genauso anstrengend sind wie für Sie die Ganztags-Berufstätigkeit. Darum empfehle ich Ihnen es zur Gewohnheit werden zu lassen nach dem Nachhause-Kommen zunächst zu einem gemeinsamen Kuschel- oder Trinkpäuschen o.Ä. anzuregen. Wecken Sie den Ehrgeiz Ihrer Tochter möglichst viel selbst machen zu wollen und zu können indem Sie z.B. fragen: "Bist du schon groß genug um dir selber die Zähne zu putzen (den Schlafanzug anzuziehen,...) oder soll ich dir helfen? Handeln Sie anschließend konsequent unabhängig davon, wie die Antwort Ihrer Tochter ausfällt. Loben Sie verstärkt jedes eigenständige Tun, da ein Lob zur Selbstständigkeit anregt und zufrieden werden lässt. Erleichtern Sie das Zähneputzen mit einer elektr. und evtl. auch klingenden Zahnbürste und/oder mit einer Zahnputz-CD wie in Deutschland z.B.: "Karius und Baktus". Versuchen Sie Kompromisse zu schließen, indem Sie z.B. selbst hinterfragen, warum das Rollo nicht aufbleiben kann. Weisen Sie Ihre Tochter dann aber zuvor auf die Folgen hin, dass sie vielleicht nicht so gut schlafen kann.- Schläft sie in ihren Jeans, wird sie am nächsten Tag bestimmt nicht gut und nach Schlaf riechen, sodass Niemand mit ihr spielen möchte.- Legen Sie abends gemeinsam mit ihr z.B. 2-T-Shirts raus und lassen Sie Ihre Tochter am nächsten Morgen selbst wählen. Beim Zubereiten des Müsli DARF sie Ihnen helfen indem sie Ihnen eine Anleitung gibt. Ihnen fallen selbst sicherlich noch bessere Argumente ein.:-) Viel Erfolg, liebe Grüße und: bis bald?

von Christiane Schuster am 24.05.2012



Antwort auf: Wie "logisch" kann man mit einem 3Jährigen Kind schon argumentieren?

Hallo, Deine Tochter ist ja jetzt mitten im sog. Selbständigkeitsalter. Da möchten die Kleinen möglichst schon alles selbst machen, auch die Körperpflege. Ich würde sie die Zähne selbst putzen lassen. Wenn dadurch nach ein paar Tagen mehr Ruhe im Geschehen ist, kannst Du dann immer etwas nachputzen, wenn sie selbst mit dem Putzen fertig ist. Ich würde sie auch selbst duschen, baden, sich waschen und ihre Kleidung (so weit wie möglich) selbst aussuchen lassen, auch wenn das Ganze dann etwas länger dauert. Sie sollte (auch der Nanny) auch beim Putzen und Kochen helfen dürfen. Kinder wollen wichtig, hilfreich, kompetent und in ihren Fähigkeiten gesehen sein - nicht immer nur spielen. Es frustriert die Kinder unheimlich, wenn wir Erwachsenen alles besser können und ihnen deshalb fast alles abnehmen - auch sämtliche Entscheidungen. Wenn sie das Rollo lieber offen lassen möchte, würde ich das erlauben. Auch das Schlafen in der Jeans ist ja nicht schädlich, warum soll sie es nicht ausprobieren? Sie muss auch schon ein bisschen mitreden und mitentscheiden dürfen - sonst fühlt sie sich nicht wichtig genommen. Dass uns die Entscheidungen der Kinder dabei nicht immer rational oder richtig erscheinen, ist dabei nicht wichtig. Ein Kind kann mit dem Selbständig-Werden nicht warten, bis es 20 ist und logische oder optimale Entscheidungen treffen kann - es muss JETZT damit experimentieren, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Auf Kinderart eben. Wenn man alleinerziehend und berufstätig ist, möchte man natürlich gern, dass alle Abläufe zügig, glatt, reibungslos und schnell vonstatten gehen. Dieser Wunsch ist normal, schließlich hat man alles perfekt durchgeplant. Trotzdem: Kinder machen das so nicht mit. Sie brauchen Raum zum Selbstmachen, Mitmachen, Mitentscheiden - dieser Drang ist wichtig und angeboren, sie können gar nicht anders. Und sie müssen den Wunsch nach Selbständigkeit und Selbsttätigkeit mit aller Energie uns gegenüber behaupten - weil wir sie sonst nämlich nicht lassen würden. Daher macht Deine Tochter das mit solchem Nachdruck, dass es "bockig" oder "trotzig" wirkt. Jesper Juul (Autor und Familientherapeut) sagt immer: "Trotzalter ist, wenn die Kinder selbständig werden, und die Eltern trotzig." LG

von Hexhex am 24.05.2012, 10:43



Antwort auf: Wie "logisch" kann man mit einem 3Jährigen Kind schon argumentieren?

Liebe Hexhex, vielen Dank fuer Deine Antwort. Ich stimme Dir eigentlich zu und wuerde es gerne auch so versuchen, sie noch mehr selbst bestimmen und entscheiden zu lassen. Nur habe ich auf der anderen Seite auch schon die Erfahrung mit ihr gemacht, dass sie machmal dann komplett durcheinander kommt, und es sogar auch ein Ausloaser fuer einen Wutanfall sein kann, wenn sie selbst entscheiden soll. Z.B. sage ich zu ihr "Such Dir ein T-shirt aus" und sie antworete "Nein du sollst!!!", dann such ich eins aus, das sie natuerlich ablehnt, dann schlage ich ein anderes vor, will sie auch nicht etc.. in diesen Vorgang steigert sie sich dann erst richtig rein, bis am Ende kein T-shirt akzeptabel ist. Haette ich sie dagegen gar nicht erst gefragt und auf die Idee gebracht, dass sie dies oder jenes nicht wollen koennte, waere u.U. alles glatt gelaufen. Ich meine damit, alles zur eigenen Auswhal zu stellen ist bei uns leider auch nicht die Loesung. Viele Gruesse, Londonia

von Londonia am 24.05.2012, 11:06



Antwort auf: Wie "logisch" kann man mit einem 3Jährigen Kind schon argumentieren?

Hallo, wir machen es ähnlich, wie von hexhex beschrieben und es funktioniert sehr gut. Natürlich kommt es trotzdem immer mal wieder zu Konflikten, das hat das menschliche Zusammenleben halt so an sich und wo ein Erwachsener eventuell einfach mal seine Meinung für sich behält, wird sie vom Kind eben lautstark geäußert. Deinen Einwand kann ich aber gut nachvollziehen. Wenn ich eine Situation befürchte wie von dir geschildert, dann lege ich, um bei deinem Beispiel zu bleiben, die Kleidung raus und wenn sie protestestiert stelle ich ihr die Kiste mit den jeweiligen Kleidungsstücken raus und dann sucht sie sich selbst aus. Sind häufig recht eigenwillige Konstellationen und häufig auch nicht gerade wettergerecht, aber ich nehme dann halt noch was mit falls es zu warm oder zu kalt wird. Ist es denn am Tag anders? Wenn du am Nachmittag heim kommst, ist sie wahrscheinlich auch schon müde, oder? Und müde Kinder sind ja eh kein Vergnügen... ;-)

von Tine1 am 24.05.2012, 12:08