Hallo Frau Schuster, unser Kleiner ist seit sechs Wochen der Große, er hat einen kleinen Bruder bekommen. Die ersten Tage war alles ok, aber seit er wohl kapiert hat, daß das Baby bei uns bleibt und auch einen Teil meiner Aufmerksamkeit und Zeit beansprucht, kenne ich ihn nicht mehr wieder. Sven (29 Monate) war immer ein sehr liebes, freundliches Kind, das nie geschlagen oder geschubst hat. Ich war deswegen sogar besorgt, weil er sich nie wehrte. Nun aber schlägt er nur noch um sich. Mich, meinen Mann, seine kleinen Spielkameraden und vorallem seinen kleinen Bruder. Manchmal ist er ganz lieb und dann ganz plötzlich, ohne erkennbaren Anlaß läuft er los und schlägt auf andere Kinder oder gar das schlafende Baby ein. Wir können die beiden keinen Augenblick unbeaufsichtigt lassen, denn Sven ist richtig aggresiv und hat den kleinen sogar schon mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Wir meinen aber, daß er (rein objektiv aus der Sicht eines Erwachsenen gesehen) gar nicht sehr unter der Anwesenheit des Babys zu leiden hat. Er bekommt maximal zweimal am Tag mit, wie ich es stille und ansonsten mache ich eher mehr Dinge mit ihm als vorher ("quality time"). Auch sein Vater versucht, verstärkt auf ihn einzugehen und nimmt sich relativ viel Zeit für ihn.
Meine Frage an Sie: Wie lange hält so eine Phase erfahrungsgemäß an und wie sollen wir damit umgehen? Bei sonstigen größeren "Verfehlungen" gibt es normalerweise ein Time Out, in der Form, daß er für ein paar Minuten auf sein Zimmer geschickt wird. Aber ich bin mir nicht sicher, ob es richtig ist, ihn "wegen des Babys" (seine Sicht) aus dem Zimmer zu verweisen, denn ich befürchte, daß das seine Wut auf das Baby noch verstärkt. Ablenkungsversuche und freundliches ins Gewissen reden haben bisher nicht gefruchtet. Ich hoffe, sie können uns ein bißchen helfen. Denn obwohl wir mit Eifersucht gerechnet haben, sind wir doch ziemlich betroffen darüber, daß unser freundliches kleines Kerlchen auf einmal zu so einem Rambo geworden ist.
Vielen Dank.
Elvira
Mitglied inaktiv - 15.11.2001, 15:23
Antwort auf:
Eifersucht
Hallo Elvira
Nachdem nun das "Neue" dem Alltag gewichen ist, muß Sven lernen, den Mittelpunkt der Familie mit seinem Bruder zu teilen. Noch hat er das Gefühl, aus diesem Mittelpunkt durch seinen Bruder verdrängt worden zu sein.-
Wecken Sie in ihm den Stolz, was er schon Alles im Gegensatz zu seinem hilflosen Bruder kann und besonders auch darf.
So darf er als "Großer" vielleicht abends im Bett noch eine Kassette hören, kann vielleicht an einem Schwimm-Kurs oder in einer Sportgruppe teilnehmen und: er kann sich irgendwo in Ihrem Heim eine ganz persönliche "Bude" einrichten, in die Keiner ohne zu fragen gehen darf und vor allen Dingen: wo er auch mal ein Werk stehen lassen kann ohne gleich Alles wieder aufräumen zu müssen.
Fragen Sie ihn quasi als Partner um Rat, wenn es um die Wahl eines Nachtisches geht oder um den Kauf bestimmter Gegenstände. Auch kann er vielleicht entscheiden, welche (selbstgemalten?) Bilder im Kinderzimmer aufgehängt werden sollten. Er muß das Gefühl haben unentbehrlich zu sein (was er ja auch ist).
Ein "time out" sollten Sie vorerst vermeiden. Erklären Sie ihm immer wieder möglichst ruhig und gelassen, dass es am Tag Zeiten gibt, zu denen sein Bruder versorgt werden muß, genauso, wie Sie mit ihm eine feste Zeit absprechen sollten (wenn der Kleine schläft?), in der Sie ausschließlich Zeit für Sven haben und in der er bestimmen kann, was Sie gemeinsam spielen, basteln o.Ä. sollen.
Er muß bewußt Dinge machen dürfen, die sein kleiner Bruder noch nicht machen kann und darf. So wird er bald merken, dass er noch genauso geliebt und akzeptiert wird wie vor der Geburt des Geschwisters.
Wecken Sie in ihm den Stolz, der große Bruder sein zu dürfen ohne ihm die Rolle eines Babysitters zu überlassen.
Diese Gewöhnungsphase kann in 4Wochen, aber genau so erst in einem halben Jahr abgeschlossen sein. Lassen Sie bis Dahin die Beiden nicht ohne Aufsicht. Ermöglichen Sie Sven einen verstärkten Kontakt zu Kindern seines Alters, da so sein Selbstwert-Gefühl gesteigert werden kann.
Liebe Grüße und: erholsames Wochenende!
von
Christiane Schuster
am 16.11.2001