Frage: Fremdbetreuung

Guten Tag, Herr Dr. Posth, ich habe gelesen, dass Sie sich zu Gunsten des Kindes gegen eine mütterliche Berufstätigkeit aussprechen. Das hat mich sehr verunsichert. Mein Sohn ist vier Monate alt und wird ab dem 13. Monat vier Tage die Woche vormittags (je 5 Stunden) von einer Tagesmutter betreut. Muss ich jetzt um die psychische Gesundheit meines Sohnes fürchten? Bin ich egoistisch? Kann nicht auch ein fremdbetreutes Kind glücklich, ausgeglichen und stark sein? Mein Mann und ich (das sage ich jetzt einfach mal selbstlobend) sind liebevolle Eltern und gehen mit unserem Sohn sehr vorbildlich um. Er spiegelt uns das schon jetzt wieder, indem er ein sehr fröhliches und ausgeglichenes Baby ist, das selten weint und noch seltener schreit. Setze ich das durch die Aufnahme meiner Berufstätigkeit (aus finanziellen Gründen) auf´s Spiel? Nachdenkliche Grüße, Maja

Mitglied inaktiv - 07.01.2004, 13:27



Antwort auf: Fremdbetreuung

Liebe Maja und auch liebe Martina, bevor Sie sich echauffieren, sollten Sie mal über den Suchlauf alle bisherigen Fragen und Antworten hierzu von den Müttern und mir lesen. Es hat dazu nämlich schon desöfteren Diskussionen gegeben. Zunächst einmal, liebe Maja, verstehe ich Sie so, daß Sie die Wiederaufnahme Ihres Berufes erst dann planen, wenn Ihre Tochter 13 Monate ist?! Oder habe ich Sie falsch verstanden? Wenn man Fremdbetreuung beanspruchen will oder muß, dann müssen verschiedene Regeln beachtet werden: 1. die Fremdbetreuung muß über einen längeren Zeitraum vorbereitet werden, damit das Kind Gelegenheit bekommt, sich an seine Ersatzbezugsperson einigermaßen zu binden. 2. die Ersatzbezugsperson muß erfahren genug sein und auch dem Kind spontan sympathisch. 3. die Ersatzbezugsperson muß sich soweit zurückhalten, daß sie nicht das Kind von der Mutter ablöst, was diese nämlich mit Beschämung, dem Gefühl der Kränkung und mit Aggression registrieren und quittieren wird. Das ist vielleicht die größte Gefahr in der ganzen Sache. 4. die Fremdbetreuung fände besser zu Hause statt, als woanders. Das gilt besonders für Säuglinge. 5. Schreit ein Säugling oder Kleinkind bei der Fremdbetreuung, muß die Möglichkeit bestehen, daß die leibliche Mutter recht bald zur Stelle ist und das Kind aus seiner Panik erlöst, sonst fühlt es sich zurückgestoßen. 6. es muß allen Beteiligten klar sein, daß die primäre Bindung an die Mutter/Vater immer besser ist als die Ersatzbindung. 7. die Toleranz einer Ersatzbindung durch das Kind darf nicht aus Gründen des Opportunismus als ein unkomplizierter Vorgang betrachtet werden. Das Kind akzeptiert diese Lösung, weil es keine andere Chance hat. Es ist auch nicht gefragt worden. Der Überlebenstrieb aber sorgt dafür, daß das Kind sich anpassen kann. Das klingt nach Skepsis und so ist es auch gemeint. Aber es kann durchaus funktionieren, wenn man die Bedingungen akzeptiert. Das Vorbild anderer Länder zieht überhaupt nicht. Es gibt Untersuchungen zu früher Fremdbetreuung von Säuglingen und Kleinkindern, z.B. im früheren israelischen Kibbuz, die zu sehr ungünstigen Aussagen gelangt sind (nachzulesen bei M. Dornes, Die emotionale Welt des Kindes). Es gibt Studien über afrikanische Völker, die ihre Kinder gemeinschaftlich erziehen mit fragwürdigen Ergebnissen (I. Eibl-Eibesfeld, Die Biologie menschlichen Verhaltens). Und es gibt Einzelbeobachtungen in den Katamnesen kinder- und jugendpsychiatrischer Fälle, die Zweifel an der regelmäßigen Qualität eines solchen Vorgehens aufkommen lassen. Ein Staat hat übrigens noch nie gefragt, ob das, was er quasi von oben verordnet, auch gut für die Psyche der Kinder sei. Wenn dann in einem solchen Staat Untersuchungen über das Ergebnis der Maßnahme veranlaßt werden, dann muß man sich Fragen, welche Ergebnisse dieser Staat wohl erwarten wird und wer mit der Studie überhaupt beauftragt wird. Aus entwicklungspsychologischer Sicht wäre folgendes vertretbar: Die ersten 18 Monate betreut die Mutter das Kind (v.a wenn sie auch stillt) und der Vater übernimmt die nächsten 18 Monate. Der Vater ist ja ohnehin in dieser Zeit die Projektionsfigur zur Loslösung. Danach setzt der Kindergarten ein. Die Familie muß in dieser Zeit finanziell abgesichert werden und beiden Eltern muß die Möglichkeit garantiert werden, wieder in den Beruf zurückzukehren. Wie man ein solches Modell auch immer im einzelnen gestaltet, es tut Not in unseren reichen, hochindustrialisierten Ländern solche Konzepte zu erarbeiten, denn sonst überlassen wir die Welt eines Tages den anderen, denen, die sich aller wider aller Vernunft unkontrolliert weiter vermehren. In einer solchen Welt wird die Entwicklungspsychologie des Kindes ohnehin keine besondere rolle spielen. Viele Grüße

von Dr. med. Rüdiger Posth am 09.01.2004



Antwort auf: Fremdbetreuung

Ich bin entsetzt, dass jemand einer Mutter, die eine Fremdbetreuung ins Auge faßt, dass Gefühl gibt, sie würde mit dieser Entscheidung dafür sorgen, dass Ihr Kind Schaden nimmt. Dann wären Frankreich und Italien Länder volle Psychopaten. Dort ist die frühzeitige Fremdbetreuung/Berufstätigkeit der Mutter der Regelfall - nicht die Ausnahme! Es gibt für ein Kind noch andere mögliche Bezugspersonen als die Mutter. Meine Erfahrung als berufstätige Mutter, deren 16 Mte. alter Sohn seit über einem halben Jahr drei volle Tage die Woche "fremdbetreut" wird, ist sehr positiv. Es geht dem Kind ausgezeichnet. Seine körperliche und geistige Entwicklung sind voll "im Plan". Es handelt sich um ein fröhliches, aufgewecktes Kind, dass Mama und Papa über alles liebt, sich aber auch bei der Tagesmutter und Oma und Opa offensichtlich pudelwohl fühlt. Studien aus Frankreich haben übrigens ergeben, dass Kinder die frühzeitig weitere Bezugspersonen außer den Eltern (es gibt im übrigen auch Väter, Hr. Doktor!!!)haben, ein höheres Maß an sozialer Kompetenz erwerben und bestimmte Entwicklungssprünge früher machen. Soviel dazu!!!

Mitglied inaktiv - 09.01.2004, 14:36



Antwort auf: Fremdbetreuung

Ich bin entsetzt, dass jemand einer Mutter, die eine Fremdbetreuung ins Auge faßt, dass Gefühl gibt, sie würde mit dieser Entscheidung dafür sorgen, dass Ihr Kind Schaden nimmt. Dann wären Frankreich und Italien Länder volle Psychopaten. Dort ist die frühzeitige Fremdbetreuung/Berufstätigkeit der Mutter der Regelfall - nicht die Ausnahme! Es gibt für ein Kind noch andere mögliche Bezugspersonen als die Mutter. Meine Erfahrung als berufstätige Mutter, deren 16 Mte. alter Sohn seit über einem halben Jahr drei volle Tage die Woche "fremdbetreut" wird, ist sehr positiv. Es geht dem Kind ausgezeichnet. Seine körperliche und geistige Entwicklung sind voll "im Plan". Es handelt sich um ein fröhliches, aufgewecktes Kind, dass Mama und Papa über alles liebt, sich aber auch bei der Tagesmutter und Oma und Opa offensichtlich pudelwohl fühlt. Studien aus Frankreich haben übrigens ergeben, dass Kinder die frühzeitig weitere Bezugspersonen außer den Eltern (es gibt im übrigen auch Väter, Hr. Doktor!!!)haben, ein höheres Maß an sozialer Kompetenz erwerben und bestimmte Entwicklungssprünge früher machen. Soviel dazu!!!

Mitglied inaktiv - 09.01.2004, 14:55



Ähnliche Fragen ähnliche Fragen

Wann ist Fremdbetreuung in der Krippe positiv?

Sohn (2 J 4 Mon.) besucht seit Sept.Krippe von 8.30-1230.12 Kinder zw. 2-3. Eingewöhnung sanft, Tempo frei v. KIND wählbar. Es wird sehr a. d.Kinder geachtet&eingegangen. Sohn ist sehr impulsiv, wirkt draufgängerisch, ist aber eig. S. sensibel. geht s.gerne dort hin&will auch immer, habe aber schon d.Gefühl, dass es ihm noch lieber wäre, wenn ich d...


Verhalten bei kurzer "Fremdbetreuung"

Lieber Herr Posth, Unser 2. Kind, 1,5 Jahre wurde bisher nicht fremdbetreut. Er wird noch teilweise gestillt, Familienbett und viel getragen. Ist ein sehr fröhliches aufgewecktes Kind. Kein Schnuller, kein Schmusetier. ¨Schläft nur durch stillen ein oder teilweise unterwegs im Tragetuch auf dem Rücken. Deshalb war ich zu den Schlafenszeiten eige...


schadet 1 Woche Fremdbetreuung durch Familiemitglieder?

Mein Sohn ist 17 Monate alt. Wurde bis jetzt eigentlich nicht fremdbetreut (ausser ein Paar mal ganz kurz für 3-4 Stunden, und das auch nur von Familienmitgliedern). Vor 3Monaten wurde er noch für 2 Tage von seiner Oma betreut (nach einer FG von mir), was super geklappt hat. Nun ist es so...Mein Mann und ich haben zu unserer Hochzeit eine Reise nac...


Kurze Fremdbetreuung-wie vorbereiten

Hallo, mein Sohn fast 11 Monate, wurde bisher noch nie fremdbetreut. Gestillt bis 7 Monate, schläft nur mit Einschlafbegleitung in unserem Bett ein und lege ihn dann in sein Bett in unserem Schlafzimmer zum Schlafen. Schläft bis auf wenige Unterbrechungen sehr gut. Sonst sehr fröhlicher und aufgeschlossener Junge, bisher kaum gefremdelt, macht scho...


Angststörung und frühe Fremdbetreuung

Lieber Dr. Posth, mein Sohn (2,4J) ist sehr ängstlich, fürchtet sich teilweise. Viel getragen, bis 1,5J gestillt, kein ferbern, seit Geburt schlafe ich im Kinderzimmer. Kita (1,6J) mit nur 1:2,5. Eingewöhnung sanft, 6 Wochen. Klappte gut, bis Gruppe größer wurde. Geht 3 h täglich hin. KV beschäftigt sich erst seit unserem Auszug vor 9 Mon. intensiv...


fremdbetreuung krippe

Hallo, mein 17 mo alter sohn, sehr temperamentvoll, nie schreien gel, sehr anhängl., schläft bei uns im eig. Bett, lange gestillt, laufen u zahnen ab 11 mo, wurde bis auf 1x von oma noch nie fremdbetreut. gehen 1x die wo gemeinsam krabbelgruppe, 1x wo zur spielsgruppe (jew. 2 std). gehe in 4 Mo wieder arbeiten, 2 Vormittage die Wo. Suche eine Kripp...


Fremdbetreuung und Anhänglichkeit/Schlafen

Sehr geehrter Dr. Posth, ich weiß, die Fremdbetreuung im zweiten Lebensjahr ist nicht ideal, aber wenn sie notwendig ist, ist es dann besser, das Kind jeden Tag zur Kita zu bringen, wie es viele Erzieherinnen befürworten (Regelmäßigkeit, Trennungsschmerz beginnt nicht immer aufs Neue) oder sollte man es nur an den tatsächlich benötigten Tagen hinb...


Bindung Fremdbetreuung

Sehr geehter Dr. Posth,vielen Dank für ihre letzteAntwort zurBindungstheorie.Mir stellt sich noch immer grundsätzlich dieFrage, ob jedes Kind, welches in die frühe Fremdbetreuung ohne wirklich sanfte Ablösung"muss",eine unsichere Bindung entwickelt?Ich gehe eigentlich davon aus, im ersten halbenJahr alles für eine sichereBindung für meineKinder get...


Fremdbetreuung ab wanm

Sehr geehrte Frau Henkes,  Unsere Tochter (erstes Kind) ist mittlerweile 6,5 Monate alt und normal entwickelt auch bei der letzten U-Untersuchung war alles normal. Sie wird gestillt +Beginn Beikost seit 3 Wochen Mittagsbrei und schläft im Familienbett neben mir (nicht in der Mitte). Sie ist insgesamt ein sehr fröhliches und aufmerksames Baby. ...


Schadet Fremdbetreuung U3 immer?

Hallo Frau Henkes, Mein Sohn soll mit 2 Jahren, an 2 Tagen in der Woche zu einem Tagesmutter Verein.  (Höchstens 9 Kinder, 2 Tagesmütter und 4,5 Std an zwei Tagen die Woche) Ich habe ihn dort angemeldet weil er privat kaum Kontakte zu gleichaltrigen hat.  Alle, wirklich alle Kleinkinder aus der Krabbelgruppe die wir in seinem 1 Lebensj...