Lieber Dr. Posth,
habe in Ihrem Langtext über den ersten Willen gelesen und erfahren, dass es völlig normal ist, dass unser Wildelwechsel derzeit einem Ringkampf ähnelt (mein Sohn ist jetzt 11 Monate alt). Ich habe Sie so verstanden, dass man den Willen des Kindes nicht brechen soll, wie aber soll ich ihn denn dann wickeln?
Ich versuche es mit Ablenkung, das funktioniert aber nur manchmal, oftmals ist es ihm aber wichtiger, sich zu drehen, wenden ... Meistens muss ich ihn dann doch festhalten, auch wenn ihm dann nur die Windelslips anziehe.
Also, wie wickle ich mein Kind, wenn Ablenkung nicht fruchtet und ich aber seinen Willen nicht brechen soll? Wie lange geht denn diese Phase noch, wann wird das Wickeln wieder entspannter?
Liebe Grüße
Dominique
Mitglied inaktiv - 11.06.2007, 12:02
Antwort auf:
Erster Wille
Stichwort: erster Wille
Liebe Dominique, die Frage des Willens ist doch ein wenig anders zu verstehen. Das Kind inszeniert seinen Willen, um zu zeigen, daß es zunehmend eine eigenständige Person wird, die ein Selbstbestimmungsrecht besitzt. Wie stark sich dieser Wille äußert, hängt in der Hauptsache von zwei Dingen ab: erstens von einer gewissen Veranlagung und zweitens von den Vorerfahrungen in der Säuglingszeit. Viele positive Gefühle lassen den Willen "geschmeidig" erscheinen und machen ihn stark. Viele negative Gefühle lassen ihn starr erscheinen und machen das Dranghafte des Willens deutlich. dieser Wille wirkt nur stark, ist aber schwach. Was der Säugling bis zum Ende seines erstens Lebensjahres aufgebaut hat, all das probiert er in den "frühen Widerständen" aus und zeigt damit, daß er sich weiter entwickelt.
Da der Wille zur Erfahrung des Ichempfindens führt, ist es schlecht, wenn man ihn unterdrückt. Das heißt aber nicht, daß man jede Willensregung zulassen muß. Man kann es auch gar nicht, denn dieser frühe Wille ist ja keineswegs vernuftgesteuert, sondern rein emotional-affektiv. Wenn Sie als Eltern also abschätzen können, daß die Gewährung des Willens zum Schaden des Kindes führen wird, dann sind Sie kraft Ihrer erziherischen Pflicht und Verantwortung aufgerufen, sich selbst durchzusetzen. Damit brechen Sie nicht den Willen des Kindes, sondern korrigieren ihn.
Aber an dieser Stelle fängt natürlich auch die Verantwortung der Eltern und Erzieher an. Es darf nämlich nicht um ein willkürliches Grenzen setzen gehen, das letztendlich nur den Eltern und Erziehern dient, sondern nur um ein vorausschauendes, korrektives Mitdenken und Bewahren vor Schlimmerem. Das aber wird häufig nicht so gesehen.
Nebenbei: In meinem Buch ist alles noch viel genauer und besser erklärt. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 13.06.2007