Frage:
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Jorch,
zu allererst möchte ich mich noch einmal herzlich dafür bedanken, dass Sie mir die Möglichkeit geben, Fragen die im Kopf umher geistern, stellen zu können.
Ich habe Sie ja schon häufig wegen meiner Tochter (geboren bei SSW 26+6, morgen korrigiert ein Jahr alt) angeschrieben und Sie haben es bisher immer geschafft, mir den ganz trüben Gedanken etwas Farbe zu verleihen.
Wie Sie sich eventuell aufgrund der vorigen Fragen denken können, lief die Entwicklung meiner Tochter nicht ganz nach Lehrbuch, dennoch macht sie, besonders seit Dezember, riesen Fortschritte.
Aktuell robbt sie fleißig durch die Wohnung, spricht neben Mama und Papa noch unsere Katze und unseren Hund mit Namen an und versucht uns viel nachzuplappern.
Im Dezember waren wir auf anraten der Physiotherapeutin bei einem Chiropraktiker, nach dessen Aussage unsere Tochter im Lebenwirbelbereich komplett dicht war. Eine Woche nach der Behandlung fing sie an sich endlich zu drehen.
Eben dieser Chiropraktiker war es nun aber auch, der mich jetzt beim zweiten (und eigentlich auch letztem Termin) völlig verrückt gemacht hat.
Er sagte ganz lapidar : "Diparese werden Sie jetzt sicherlich immer häufiger zu hören bekommen". Auf meine Reaktion, dass das Spz bisher immer nur von einer leichten Entwicklungsverzögerung und Hypotonie sprach, sagte er :"Tja, die überlegen wohl noch, wie sie die Katze aus dem Sack lassen."
Zack, dass hat gesessen, ging wie ein Stich mitten in's Herz, denn damit hätte ich niemals gerechnet.
Nun bin ich ebenfalls seit Dezember in Therapie, da ich eine Art "Angststörung" entwickelt habe, meine Tochter also ständig beobachte, jedes Zucken, jede Haltung sofort hinterfrage. Bis zu diesem Termin letzte Woche, hätte ich gesagt, dass ich eeeendlich positiver gestimmt bin, hoffnungsvoll in die Zukunft blicken kann und ehrlich daran glaube, dass meine Tochter ihren Weg gehen wird, laufen lernen wird und das ganze motorische schon noch Irgedwie aufholen wird, dass ist nun wieder komplett weg, aber ich schweife ab...
Nun ist es so, dass meine Tochter keinerlei Komplikationen wie Hirnblutungen oder ähnliches hatte. Nach dem Kaiserschnitt hat sie erst selbstständig geatmet, begann dann aber zu stöhnen, so dass sich in der 3. Lebensminute doch für die Intubation entschieden wurde. Geglückt ist sie erst in der 60. Lebensminute. In der Zwischenzeit wurde sie aber "bebeutelt" und im Geburtsbericht steht, dass ihre sauerstoffsättigung nie unter 85% lag.
Meine Frage lautet also:
Kann eine Sauerstoffsättigung von mindestens 85%, eine Stunde lang, tatsächlich zu so Hirnschäden geführt haben?
Und eine zweite und dritte Frage habe ich auch noch.
2. Wenn ich sie hinstelle, dann steht sie im ersten Moment immer auf den Zehenspitzen, korrigiert sich aber in mindestens 50% der Fällen selbst so aus, dass sie auf dem kompletten Fuß steht.
Spricht man da tatsächlich noch vom Fussgreifreflex bzw. wäre dieses selbstständige korrigieren bei einer Spastik / Diparese möglich?
Die Physiotherapeutin meint, dass sie für sie ein großes Rätsel ist. Ja, sie würde ein paar Tendenzen zeigen, aber ebenso welche die dagegen sprechen. Deshalb frage ich mich :
3. Wird so eine Diparese "immer schlimmer"? Also kann es sein, dass sie momentan noch gleichmäßig mit beiden Beinen strampelt, sie beim ausstrecken parallel hält und ab morgen plötzlich anfängt sie zu kreuzen und immer "steifer" zu werden?
Oder andersherum : Könnte sich ihre spastischen Tendenzen und Schwierigkeiten wieder in Luft auslösen?
Ich bedanke mich, dass Sie sich immer und immer wieder die Zeit nehmen hier zu antworten und wünsche Ihnen einen schönen Tag!
von DieLara am 20.02.2019, 10:50 Uhr

Antwort auf:
Sauerstoffsättigung nach Geburt, Verdacht auf Diparese
Diparese ist einfach das häufigste Schädigungsmuster bei Frühchen unter 32 SSW, insofern ist die Trefferquote bei einer so dahin geworfenen Bemerkung nicht so klein, wenn ein Frühchen mit motorischer Entwicklungsstörung vor sich hat.
Aber nun mal konkret: Im korrigierten Alter von 1 Jahr kann die Diagnose von einem Neuropädiater (SBZ oder andere Nachsorgeambulanz) schon ziemlich sicher gestellt bzw. ausgeschlossen werden.
Typisch wären:
1. Nachweis einer periventrikulären Leukomalazie (PVL) im Ultraschall ab der 3. Lebenswoche.
2. Störung der Beinmotorik (Muskeltonus, Spontanbewegungen, Haltung, Reflexe).
3. Schielen (da die Nervenbahnen für die Augenmuskeln und die Beinmuskulatur im Gehirn eng beieinander liegen).
Eine PVL entsteht übrigens typischerweise nicht durch niedrig normale Sauerstoffwerte, sondern durch verminderte Hirndurchblutung bei Kreislaufstörungen oder massivem Kohlendioxidabfall oder Infektionen in den ersten Lebenswochen.
Jedenfalls dürfte eine PVL/Diparese mit einer derart geringen Symptomatik wie bei Ihrer Tochter mindestens keine Katastrophe für die weitere Entwicklung darstellen.
von Prof. Dr. med. Gerhard Jorch am 21.02.2019
Antwort auf:
Sauerstoffsättigung nach Geburt, Verdacht auf Diparese
Hallo DieLara,
als Mutter eines Kindes mit Hirnschäden die durch eine Asphyxie verursacht wurden, kann ich dich erst einmal beruhigen:
deine Tochter ist noch sehr jung und wirklich sehr früh geboren. Das haben eure Therapeuten warscheinlich gar nicht realisiert. Ein so junges Kind steht sehr häufig auf den Zehen, das ist erstmal völlig normal.
Wenn deine Tochter gleichmäßig strampelt, ist das schon mal eine super Grundlage. Mein Kind hat auf der Seite mit der Spastik (die nicht mal ganz so schwer ausgeprägt ist) kaum gestrampelt.
Blockaden waren auch bei uns immer wieder Problem, sie kommen auch immer wieder. Unsere Physiotherapie sorgt dafür, dass sie sich nicht festsetzen und das Kind sich wieder bewegen kann.
Du hast doch bestimmt Kontrollen beim SPZ, sprich dort deine Befürchtungen an. Ich habe das auch gemacht, weil es bei uns immer hieß, das Kind sei extrem hypoton und nach und nach wurde deutlich sichtbar, dass die eine Körperhälfte ziemlich auffällig war.
Im SPZ gibt es auch kompetentere Physiotherapeuten und Ärzte, die dir dann wirklich sagen können, was los ist.
Das frühe Sprechen ist übrigens auch ein gutes Zeichen.
Selbst wenn sie eine kleine Störung haben sollte, kann diese nur ganz leicht ausgeprägt sein, weil sie sich relativ gut entwickelt.
Kopf hoch und lass dich nicht von unangebrachten Aussagen verunsichern.
Lg Winterkind
von Winterkind09 am 20.02.2019

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