Tanja_1989
Sehr geehrte Frau Schulze, ich weiß eigentlich gar nicht welchen Rat ich mir erhoffe, aber es brennt mir auf der Seele... Ich habe zwei gesunde Jungen, beide auch noch recht klein (der "Große" ist 2,5J, der Kleine 4 Monate). Entgegen meiner Ängste bin ich beide Male schnell schwanger geworden und hatte weitestgehend komplikationsfreie Schwangerschaften. Meine zweite große Angst ist allerdings eingetroffen: es sind beides Jungen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich liebe meine Söhne! Wenn jemand sie von mir wegnehmen würde oder ihnen etwas zustoßen sollte würde meine Welt zusammenbrechen. Aber ich habe mir schon "seit immer" aus tiefstem Herzen eine Tochter gewünscht. Ich weiß selbst nicht warum (einzige Vermutungen sind, dass ich unter meinem Bruder sehr gelitten habe während ich zu meiner Schwester ein sehr gutes Verhältnis hatte und außerdem ist meine Mutter auch so, dass sie Mädchen "besser" findet). Nun ist es so, dass ein drittes Kind aus unterschiedlichen Gründen nicht in Frage kommt und selbst wenn garantiert mir natürlich niemand ein Mädchen. Mein Mann würde einem weiteren Kind sowieso unter keinen Umständen zustimmen und ich bin da im Grunde auch sehr froh drum, denn ich weiß nicht ob ich selbst unvernünftigerweise doch irgendwann meinem Herzen folgen würde. Ich fühle mich auch unfassbar schlecht und schuldig wegen meiner Gedanken. In meiner Familie, Freundes- und Bekanntenkreis gibt es viele Paare die ungewollt kinderlos sind oder Fehlgeburten erlitten haben. Das Kind von guten Freunden kam mit einer erheblichen geistigen und körperlichen Behinderungen zur Welt. Und ich flenne rum weil meine gesunden, wunderbaren Kinder beide nun mal Jungen sind... Aber manchmal fühlt es sich fast an als hätte ich einen Verlust erlitten, was ja Blödsinn ist, denn ich hatte ja nie eine Tochter. Haben Sie vielleicht einen Rat wie ich mit diesem Wunsch nach einer Tochter abschließen kann? Es zermürbt mich so sehr und nimmt mir momentan so viel Lebensfreude...
Liebe Tanja_1989, Ich verstehe, dass Du Dir eigentlich eine Tochter gewünscht hättest und, dass es Dich belastet, dass Du keine Tochter bekommen hast. Es ist ganz normal, dass man traurig ist, wenn ein großer Wunsch nicht in Erfüllung geht. Dein Wunsch nach einer Tochter hat sich leider nicht erfüllt. Wenn ich es richtig rausgelesen habe, werden Du und Dein Mann keine weiteren Kinder bekommen und Eure Familie bleibt so, wie sie ist. Vermutlich beschäftigst Du Dich derzeit damit, dass dein Wunsch also unerfüllt bleiben wird und das scheint Dir weh zu tun. Es ist völlig ok, dass es Dir deshalb schlecht geht. Du darfst betrauern, dass keine Tochter hast, wie du es dir immer gewünscht hast. Du beschreibst, dass es sich anfühlt, als hättest Du einen Verlust erlitten. Genau das hast Du auch. Du hast Deine Wunschvorstellung von einer Tochter verloren. Bei Deinem Schmerz ist es egal, ob du bereits zwei Söhne hast oder nicht, denn du hast eben keine Tochter. Du schreibst, dass du dich schuldig fühlst im Vergleich zu Menschen in deinem Familien- Freundes- und Bekanntenkreis, die ungewollt kinderlos sind, oder deren Kinder nicht gesund sind. Schuldgefühle können sehr belastend sein. Ich könnte mir vorstellen, dass es Dir Deine Schuldgefühle schwer machen mit deinem unerfüllten Tochter-Kinderwunsch umzugehen. Manchmal kann es helfen sich einmal intensiv mit den eigenen Schuldgefühlen auseinanderzusetzen. Du kannst Dich zum Beispiel fragen, wofür genau Du Dich schuldig fühlst. Ich habe in Deiner Nachricht den Eindruck bekommen, dass Du Dich schuldig fühlst, weil Du trotz Deiner zwei gesunden Söhne um eine Wunschtochter trauerst. Nehmen wir einmal an ich läge richtig mit meiner Vermutung. Dann kannst Du Dir die Frage stellen, ob Du denn etwas hättest anders machen können? Hättest Du bewusst beeinflussen können eine Tochter statt einem Sohn zu bekommen? Nein. Das ist nicht möglich. Hättest Du bewusst beeinflussen können, ob die Menschen in deinem Umfeld ein Kind kriegen und/oder, ob deren Kinder gesund auf die Welt kommen? Ich denke nicht. Ein möglicher Ansatzpunkt für den Umgang mit Deinen Schuldgefühlen könnte zum Beispiel sein deine Trauer um den Tocherkinderwunsch zu würdigen und dir selbst zu erlauben trauern zu dürfen. Trauern ist ein sehr individueller Prozess und es liegt an Dir herauszufinden, was für Dich der richtige Weg zu trauern ist. Wichtig dabei ist aber, dass du nicht versuchst Dir Deine Trauer zu verbieten oder sie wegzudrücken. Lasse sie zu und sei gut zu Dir. Überlege Dir, was Dir in Deiner jetzigen Situation gut tun würde und versuche, Dir trotz Baby auch Zeit für dich zu nehmen. Vielleicht kann Dich Dein Mann dabei unterstützen? Ich wünsche Dir alles Gute und hoffe, ich konnte Dir mit meinen Anregungen weiterhelfen. Melde Dich gerne, wenn Du noch Fragen hast.
Tanja_1989
Vielen Dank für deine tolle Antwort. Ich habe mir deine Zeilen mehrmals durchgelesen und es hat direkt etwas in mir bewegt. Mir kam jetzt auch der Gedanke, dass meine Schuldgefühle eventuell auch ein Stück weit eine Verhinderungstaktik sein könnten um meine Trauer nicht zuzulassen... Ich merke jedenfalls, dass es wahnsinnig weh tut den Gedanken zu akzeptieren, dass ich wohl nie eine Tochter haben werde... Um diesen Tochterwunsch zu trauern bedeutet ja auch damit abzuschließen und ich weiß nicht ob ich schon bereit dazu bin. Aber ich werde mir deine Worte zu Herzen nehmen und denke, dass es mir wirklich weiter helfen kann. Vielen Dank ❤️
Vielen Dank für Dein Feedback, liebe Tanja 1989! Falls Du das gefühl hast festzustcken, schreib mir wieder. Aber eigentlich bin ich optimistisch, dass Du mit dieser offenen Haltung gegenüber Deiner Trauer und dem Verlust mit der Zeit Frieden finden wirst. Viele Grüße, Sally
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