Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Zukunftsgedanken...

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

zur Vita

Frage: Zukunftsgedanken...

Mitglied inaktiv

Beitrag melden

Hallo Biggi, Hast du eine Ahnung, weshalb manche Babies allein in den Schlaf finden, andere Brustkinder sind? Meine Maus (3Monate) ist ein Brustkind, wie es im Buche steht. Wir haben uns arangiert, ich finde es nicht schlimm, aber mich erstaunt es immer wieder, wenn Babies alleine einschlafen. Wenn meine Süße müde ist, würde sie eher zu schreien anfangen als einschlafen, es reicht ihr gar nicht Mami nur zu sehen oder zu hören. Kann man so ein Bedürfnis an Faktoren festmachen (Schwangerschaft, Geburt) oder liegt das völlig nur in der Persönlichkeit oder an der Mama (z.B. wie sie nach der Geburt das Kind an sich heranlässt, ob sie zusammen im Bett schlafen oder das Kleine allein), ist das Gewöhnung? Wenn ich so weiter mache mit dauernd an der Brust und einschlafen nur mit Mama im Bett und Brust 1-2h dabei in der Schnute, muss ich davon ausgehen, dass sie so was auch mit 2 oder 3 Jahren braucht? Entwöhnen Kinder sich selbst? Wie regelt sich so was, wenn man vollkommen auf die Bedürfnisse eingeht? Tanzen die Kinder einem dann auf der Nase rum oder grad eher weniger? Nicht dass ich jetzt was verändern will, manchmal geht einem so was durch den Kopf. Man kann ja leider überhaupt nicht mehr auf die Erfahrung der älteren Generation aufbauen, ich jedenfalls. Da finde ich es haarsträubend, was die z.T. mit ihren Kindern gemacht haben. Und den KiA erzählt man am besten auch nichts vom Brustkind... Leider. Liebe und erwartungsvolle Grüße Gesa


Biggi Welter

Biggi Welter

Beitrag melden

Liebe Gesa, es liegt nicht an der Persönlichkeit der Mütter, sondern an der der Kinder :-). Nein, das Kind kann nicht "verwöhnt" werden, wenn es viel Nähe und Zuwendung bekommt. Eine Kollegin von mir hat dazu einen schönen Text geschrieben, aus dem ich jetzt einen Abschnitt zitiere: "Das Kind wird verwöhnt und verzogen. "Ja, das ist jetzt schon total verwöhnt" "Ihr verzieht das Kind, nachher will es nur noch auf den Arm" "So lernt das Kind ja nie alleine einzuschlafen, alleine zu spielen, sich mit sich selbst zu beschäftigen ..." "Wie soll das Kind denn seinen Rhythmus finden, wenn Du es ständig mit der herumziehst". So und ähnlich lauten viele Aussagen wohlmeinender Freunde, Verwandte und auch wildfremder Menschen, von denen man auf der Straße angesprochen wird. Was ist dran an dieser Theorie, dass das Baby durch die Zuwendung, die es erhält verwöhnt und verzogen wird? Bernadette Stäbler beschreibt in ihrem Buch "Mama" die Angst, sein Kind nicht richtig zu erziehen: "Und schon ist sie da, diese Angst, sein Kind zu verziehen. Welche Ursachen hat sie? Denn, wer dieses unschuldige Baby anschaut, fühlt sich sehr glücklich. Niemand kann sich vorstellen, dass es eines Tages unerwünschte Handlungen vollbringen wird. Wenn wir also von "verziehen" sprechen, haben wir ein älteres Kind vor Augen. Das Kind im Trotzalter, das immer "nein" ruft, läßt seine Mutter denken: "Was für einen Dickkopf habe ich mir großgezogen. Sicher habe ich es falsch gemacht!" Ist es wirklich so wichtig, dass unsere Kinder vor der Zeit lernen, alleine zu schlafen, alleine zu sein und sich mit sich selbst zu beschäftigen? Ist es notwendig, dass wir Erwachsenen unseren Lebensrhythmus ändern und an das Baby anpassen, damit sich das Kind gut entwickelt? Auch hierzu möchte ich wieder aus dem Buch von Bernadette Stäbler zitieren: "In vielen ursprünglich lebenden Kulturen, die wir "primitiv" nennen, wurden inzwischen Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse eine Umwälzung unserer Ansichten über die herkömmliche Kindererziehung mit sich brachten. Ich möchte eine afrikanische Studie herausgreifen und vereinfacht darstellen: Die erste Gruppe gebar ihre Babys zuhause und ließ diese keinen Moment allein. Geborgen bei der Mutter, wurden sie nach Bedarf gestillt und mussten niemals schreien. Bald ging die Mutter wieder auf das Feld, um die gewohnte Arbeit zu verrichten, das Neugeborene in ein Tragtuch geschlungen. Die Kontrollgruppe bekam ihre Babys im Krankenhaus mit aller medizinischen Hilfe, einschließlich schmerzlindernden Medikamenten. Gleich nach der Geburt wurden Mutter und Kind getrennt, um zu ruhen. Die Babys bekamen Fläschchen und Schnuller, weil dies "das Moderne" war. Daheim schliefen die Kinder in ihrem Bettchen, in ihrem eigens dafür hergerichtetem Zimmer. Allein, ohne Körperkontakt. Alles ging recht zivilisiert zu, nämlich nach einem genauen Zeitplan, denn die Kinder sollten sich früh an ein geordnetes Leben gewöhnen und weder kleine Tyrannen noch nervös werden. Ein Jahr später offenbarte sich das Unerwartete: Die Kinder der ersten Gruppe waren in allem den anderen voraus: Sie waren intelligenter in ihren Verhaltensweisen und auch viel sozialer eingestellt, selbst die körperliche Entwicklung war besser, obwohl sie die ganze Zeit "festgebunden" waren. Ähnliche Ergebnisse ergaben vielseitige Studien in den verschiedensten Kulturkreisen. Wenn wir versuchen, dies mit einer natürlichen, einfühlsamen Intelligenz nachzuvollziehen, wissen wir, warum das Ergebnis so ausfallen musste. Das Baby fühlt sich bei seiner Mutter geborgen. Es muss seine Kräfte nicht für das Weinen verbrauchen. Der mütterliche Körper gibt ihm Wärme. Wenn das Baby sich an seine Mutter schmiegt, fühlt es ein wenig von dem Glück, das es neun Monate lang im Mutterleib haben durfte. Es kennt von daher ja auch schon die Herztöne seiner Mutter, es kennt sogar schon ihre Stimme und nun sieht es endlich ihr Gesicht, ihre Augen und darf an der Brust trinken, wenn es möchte. Das ist das Glück, die mütterliche Liebe, die Impulse gibt für die Intelligenz und das soziale Verhalten. Wenn das Baby sich an die Körperbewegungen der Mutter anpassen muss, während sie ihre alltägliche Arbeit verrichtet, übt es in wundervoller Weise seine Muskeln und den Gleichgewichtssinn." (Aus: Denise Both: "Tragen") es ist schade, dass inzwischen so viele Mütter total verunsichert sind und sich nicht mehr trauen, ihrem Instinkt zu folgen und die Babys Baby sein zu lassen. In einem amerikanischen Buch über die Entwicklung von Kindern (Aldrich: "Babys are Human Beeings"') habe ich einmal den wichtigen Satz gefunden "Damit Kinder sich gut entwickeln können, sind liebevolle Fürsorge und ein beständiges, direktes Eingehen auf ihre Bedürfnisse so ausgesprochen wichtig". Das steht zwar manchmal im Widerspruch zu unserem "modernen, westlichen" Lebensstil, aber es zahlt sich langfristig aus. Es ist ein seit Jahrtausenden und in vielen Kulturen bewährtes "Mittel" ein Kind an der Brust zu beruhigen und zum Einschlafen zu bringen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses "natürliche" Verhalten des Kindes nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys und Kleinkinder wissen nicht, was zur Zeit "Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben und Eltern, die nicht in das "Schema der derzeitigen Mode" passen, werden verunsichert. Ist dir schon einmal aufgefallen, dass niemand fragt "Wann muss das Kind selbstständig atmen lernen" oder "Wann muss das Kind frei laufen können"? Beim ersteren geht jeder davon aus, dass dies eine Fähigkeit ist, die ein gesundes Kind selbstverständlich beherrscht und bei zweiten wird eine große Zeitspanne von vorneherein als normal angenommen. Nur beim Schlafen, da wird dem Kind nicht die Kompetenz zugestanden, dass es auch diese Fähigkeit selbst und in dem für es passenden Tempo entwickeln wird. Da wird immer wieder behauptet, dass die Eltern das Kind entsprechend "trainieren" müssen. Ein Baby schläft alleine und ohne Brust ein, sobald es reif genug dazu ist. Das bedeutet jetzt aber nicht, dass Du die nächsten Jahre damit verbringen musst, dein Baby in den Schlaf zu stillen, wahrscheinlich wird es sogar schneller vorbei sein, als Du es dir jetzt vorstellen kannst. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass bis jetzt noch jedes Kind aus dem Bett der Eltern ausgezogen ist und zwar lange vor der eigenen Hochzeitsnacht: ). Die Zweifler und all die, die meinen, dass sie es besser wissen, kannst Du ja mal fragen, ob sie gerne alleine schlafen und ob sie der Meinung sind, dass sie ihren Partner "verwöhnen" (im Sinne von "verziehen"), wenn sie gemeinsam in einem Bett, vielleicht sogar aneinandergekuschelt, schlafen. Um Menschen bewusst zu manipulieren, muss ein gewisses logisches Denkvermögen und auch bereits eine vorausschauende Denkweise vorhanden sein. Über beides verfügt ein Baby oder Kleinkind noch nicht, denn es kennt noch keinen Zeitbegriff und es hat auch noch keine zielgerichteten Gedankenfolgen wie sie erforderlich sind, um den Eltern "auf der Nase herumzutanzen". Es ist deshalb auch nicht möglich ein Baby zu "verwöhnen" im Sinne von "verziehen". Ohnehin ist verwöhnen ja nichts Negatives. Freuen wir uns nicht alle darüber, wenn uns jemand verwöhnt will heißen etwas Gutes tut. Verwöhnen ist nichts anderes als jemandem etwas Gutes tun, dafür zu sorgen, dass er sich wohl fühlt und das ist etwas Positives. LLLiebe Grüße Biggi


Mitglied inaktiv

Beitrag melden

Auch wenn die Frage nicht direkt von mir stammt, doch beschäftigt das wohl jede Mutter. Danke Gesa für die Frage und danke Biggi für die tolle Antwort. Das macht Mut! Liebe Grüße von Anke


Mitglied inaktiv

Beitrag melden

Hallo, Ja, mir hat die Antwort auch gefallen. Danke Biggi. ---irgendwie ist es schon bescheuert, dass ich mir den Kopf zerbreche, was in zwei Jahren sein könnte. Ich finde es auch schlimm, ein Kind mit Süßigkeiten, Schnuller, massig Geschenken ruhig zu stellen, als ihnen so viel Nähe zukommen zu lassen, wie z.B. den ganzen Tag an Mamis Brust zu hängen und dieses als Ruhekissen zu verwenden. Das muss paradiesisch sein, wie im Mutterleib... Viele Eltern geben das Paradies ihren Kindern nicht, weil sie es selbst nie kennen gelernt haben. Und ich auch nicht. Daher macht man sich wohl in regelmäßigen Abständen so ein Kopf, weil man diesen Standart nicht macht. Ich bin der Meinung man kann so ein kleines Kind noch nicht wirklich erziehen, sondern es bedarf erst mal einer Beziehung. Meinen Freund hab ich auch nicht in den ersten Wochen komplett kennen gelernt. So als Beispiel. Schade ist nur, dass ich meine Haltung, einem Kind das zu geben was es braucht, ständig rechtfertigen zu muss. Das ist sehr traurig. Und brauchen tut ein Kind das, was man primär ohne viel Geld bewerkstelligen kann. Ich danke dir auch liebe Biggi, dass du die Frauen hier so gut und natürlich berätst. Wenn ich die Frage einem Schulmediziener hier gestellt hätte, hätte ich eine andere Antwort erhalten. Die hätte mir definitiv nicht gefallen, weil ich in dessen Augen garantiert etwas falsch mache. Daher lese ich gern deine Tipps, weil ich sie mit meinen Vorstellungen übereinbringen kann. Ich bin froh das Forum gefunden zu haben! Mit besten Wünschen Gesa


Mitglied inaktiv

Beitrag melden

Huhu, vor allem die Tatsache, dass ein Schulmediziner anders geantwortet hätte, ärgert mich maßlos. Ich werde bei diversen Standard-Antworten jedesmal so wütend und mir tun die Mütter so leid, die meinen, diese "Ratschläge" auch noch befolgen zu müssen und quasi mit gebunden Händen ihren Kindern beim Weinen zusehen. Wie enttäuschend muss das für einen kleinen Menschen sein, zu sehen, dass die Mutter und/oder Vater einfach nur dasitzen und nichts tun, um das kleine Menschlein zu beruhigen... Liebe Grüße, Elke + Carlo


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.