Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Wieder vermehrt stillen

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Wieder vermehrt stillen

Mitglied inaktiv

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Liebe Biggi, mein Sohn ist jetzt fast elf Monate alt. Mit sechs Monaten haben wir begonnen Beikost einzuführen, was anfangs eher schwierig war, weil er keinen Brei mochte (und noch immer nicht mag). Erst als wir mit fester Kost begannen, hat er angefangen für seine Verhältnisse gut zu essen. Mit achteinhalb Monaten hat er zum Abendessen mit Begeisterung eine ganze Scheibe Brot verspeist. Allerdings hat er nie Zeit zum Essen - er hat schon immer nur so nebenbei gegessen weil es ja sooo viele Dinge gibt, die ihn interessieren. In den letzten Wochen will er nun wieder vermehrt gestillt werden. Generell habe ich kein Problem damit, wenn er nicht ständig nachts käme. Ist er zuvor nur noch einmal nachts wach geworden, kommt er jetzt oft drei- bis viermal um zu trinken. Irgendwo ist das ja auch ein Teufelskreis - je mehr er nachts futtert, desto weniger Hunger hat er tagsüber. Aber ich möchte ihm das nächtliche Stillen auch nicht verweigern. Nur was soll ich tun, um ihn wieder dazu zu bringen, tagsüber zu essen? Liebe Grüße Ines


Biggi Welter

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Liebe Ines, der beste Weg, ein Kind zu einem "schwierigen Esser" zu machen besteht darin, es zum Essen zu zwingen! Ein Kind darf essen, aber es muss nicht essen und eine sehr bewährte Methode lautet "Die Mutter bietet an, was es gibt, das Kind entscheidet wie viel oder wenige es davon isst". So wie Du es beschreibst kann sich das Essen schnell zu einem absoluten Kampfthema entwickelt und das Kind ist so weit, dass es sich nur noch mit "Totalverweigerung" wehren kann. Genau diese Situation sollte aber unbedingt vermieden werden, denn mit soviel Kampf und Druck erreichst Du genau das Gegenteil. Das Thema Essen wird immer konfliktbeladener, das Kind erlebt essen nicht als etwas Sinnliche und Angenehmes, sondern nur als Tortur. So kann der Grundstein für eine langfristige Essstörung gelegt werden. Versuche es wirklich einmal auf einem anderen Weg. Vermeide es, dein Kind mit Gewaltkuren zum Essen zwingen zu wollen, ja lass das Thema ganz sein. Stille dein Kind wieder eine Weile, bis sich die Wogen geglättet haben und wieder Ruhe eingekehrt ist und lass es selbst fingergerechte Nahrung essen, wie es dies ja offensichtlich gerne tut. Kein Kind muss Brei essen und Milchbrei ist bei einem Kind, das häufig genug gestillt wird absolut überflüssig. Sicher ist auch für dich das Buch "Mein Kind will nicht essen" von dem spanischen Kinderarzt Dr. Carlos Gonzales eine interessante (und beruhigende) Lektüre. Das Buch ist im Buchhandel (ISBN 3 932022 12 2) bei der La Leche Liga oder auch im Stillshop hier auf der Seite erhältlich. Dr. Gonzales hat eine Aufstellung gemacht, wie viel Muttermilch (MM) ein Baby im Alter zwischen neun und zwölf Monaten benötigt, um den empfohlenen Bedarf an verschiedenen Nährstoffen zu decken: Energie: 830 kcal = 1185 ml MM Eiweiss: 9,6 g = 910 ml MM Vitamin A: 350 µg = 700 ml MM Vitamin B: 0,4 µg = 412 ml MM Vitamin C: 25 mg = 625 ml MM Diese Angaben zeigen, dass Muttermilch den Bedarf des Kindes an vielen Nährstoffen lange zu decken vermag und nicht unbedingt Eile geboten ist, das Kind zum Essen zu zwingen. Als Eltern glauben und hoffen wir immer auf eine lineare Weiterentwicklung der Fähigkeiten unserer Kinder. Beim Schlafverhalten können wir jedoch nicht davon ausgehen, dass die Entwicklung kontinuierlich verläuft, im Gegenteil, relativ viele Babys schlafen mit drei Monaten deutlich länger und anhaltender als mit sechs oder zehn Monaten. Das Schlafverhalten hängt nicht unbedingt oder nur in extrem geringem Maße von der Ernährung ab. Gerade in der Zeit ab etwa sechs Monaten wachen viele Babys (wieder) vermehrt auf. Dies liegt nicht an der Ernährung des Kindes, sondern ist entwicklungsbedingt. Deshalb ist die Einführung von fester Nahrung oder künstlicher Säuglingsnahrung auch keine Garantie für angenehmere Nächte, dein Kind würde wahrscheinlich genau so oft kommen, auch wenn es mehr essen würde. Die Kinder beginnen um diesen Zeitraum die Welt sehr konkret zu erleben, sie müssen das am Tag Erlebte in der Nacht verarbeiten, sie lernen neue Fähigkeiten (umdrehen, robben, krabbeln, gezieltes Greifen ...), sie beginnen den Unterschied zwischen fremd und bekannt zu erkennen. All dies ist ungeheuer aufregend und auch anstrengend. Dazu kommt, dass sich die Zähne verstärkt bemerkbar machen, dass vielleicht die erste Erkältung kommt und, und, und ... Der scheinbare Rückschritt im Schlafverhalten ist eigentlich ein Fortschritt, denn er zeigt, dass die Entwicklung des Kindes voranschreitet. Abgesehen von den umstrittenen Schlaftrainingsprogrammen, die von Stillexperten nahezu einhellig abgelehnt werden, bleibt dir in dieser Zeit nicht viel, als geduldig zu bleiben und sich die Tage und Nächte so einfach wie möglich zu gestalten. Als stillende Mutter hast Du den ungeheuren Vorteil, dass Du dein Kind durch diese für alle anstrengende Zeit begleiten kannst, ohne dass Du richtig wach werden und aufstehen musst. Genieße dieses Privileg, dich einfach nur umdrehen zu müssen, so dass dein Kind an deine Brust kann und dann, wenn schon nicht sofort weiterschlafen zu können, so doch zumindest ruhen kannst. Wenn Du gerne liest und ein Buch lesen möchtest, das sich mit dem Thema Schlaf auseinandersetzt und dessen Autor beim Thema Schlaf auch Achtung vor dem Baby zeigt und dessen Bedürfnisse ernst nimmt, kann ich dir wärmstens "Schlafen und Wachen ein Elternbuch für Kindernächte" von Dr. William Sears empfehlen, das Du im Buchhandel, bei der La Leche Liga und jeder LLL Stillberaterin bekommen kannst. LLLiebe Grüße Biggi


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Liebe Biggi, ein kampftheme ist das Essen bei uns ganz sicher nicht. Ich biete Chris immer wieder was an und er darf allein entscheiden was er möchte. Momentan isst er morgens garnichts (kein Wunder, da er eine halbe Stunde vor dem Aufstehen bei mir trinkt), mittags einige Löffelchen, nachmittags eine Friuchtschnitte und abends vielleicht eine halbe Scheibe Käse (Brot verweigert er). Die beiden von Dir empfohlenen Bücher habe ich bereits gelesen, daher ist mir klar, dass Chris schon weiß, was für ihn richtig ist. Nur hätte ich schon gern, dass er sich langsam an richtiges Essen gewöhnt (wir waren ja schon weiter, als wir es jetzt sind). Ich möchte zwar nicht unbedingt schnell abstillen, aber wir hätten auch gern noch ein zweites Kind. Und wenn man selbst schon schlecht schläft - so ging es mir in der ersten SS - und dann noch oft von einem hungrigen Kind geweckt wird, stelle ich mir das sehr schwierig vor. Liebe Grüße Ines


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