Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Verzweiflung

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Verzweiflung

Mitglied inaktiv

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Hallo! Unsere zweite Tochter ist jetzt 5 Monate alt und wir haben ziemliche Probleme mit dem Essen mit ihr, die uns inzwischen an den Rand der Verzwiflung gebracht haben. Nachdem sie die ersten drei Monate starke Probleme mit den Drei-Monats-Koliken hatte und es danach etwas besser wurde, fing sie vor einigen Wochen damit an, beim Stillen ein riesiges Gezeter zu machen und die Brust wie einen Kaugummi zu ziehen. Eine Seite wollte sie oft gar nicht mehr. Deshalb haben wir vor ca. drei Wochen mit Zufüttern von Karottenbrei, später Karotte+Kartoffel begonnen (Mittags). Einige Tage schien sie das zu befriedigen, aber seit fast zwei Wochen isst sie ihre Mahlzeiten kaum, macht wieder ein riesen Gezeter, egal ob vor oder nach dem Schlafen, an der Brust zappelt uns schreit sie wieder rum. Nachts geht das Stillen problemlos, nur kommt sie im Moment spätestens alle drei Stunden, klar, denn tagsüber isst sie wohl zuwenig. Wir sind nach fast fünf Monaten mit zuwenig Schlaf am Ende, zumal wir heute weniger denn je erkennen, wann unsere Tochter Hunger hat oder nicht. Vor allem meine Frau will mit dem kleinen Tyrann nichts mehr zu tun haben, Stillen mag sie nicht mehr, die Flasche nimmt unsere Kleine nicht, und unsere Tochter scheint meine Frau absichlich in den Wahnsinn zu treiben. Zwischendurch ist sie dann immer wieder gut drauf, quietschvergnügt, und entwickeln tut sie sich auch gut. Wir wissen nicht mehr weiter. Bei unserer ersten Tochter (fast 2) hatten wir keinerlei Probleme. Was machen wir falsch? Am liebsten würde ich den ganzen Tag zuhause bleiben, aber einer muss ja arbeiten. Wo findet man denn evtl. noch Unterstützung? Verwandte kommen leider nicht in Frage, alle zu weit weg. Verzweifelte Grüße Holger


Biggi Welter

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? Lieber Holger, jetzt atmen Sie mal tief durch. Sie glauben doch sicher selbst nicht wirklich, dass Ihr Baby Ihre Frau absichtlich in den Wahnsinn treiben will. Bei aller Achtung vor den Fähigkeiten von Babys: so zielgerichtet denken kann kein Baby oder Kleinkind! Nach Ihrer Beschreibung handelt es sich bei Ihrer Kleinen nämlich keineswegs um einen Tyrannen, sondern um ein ganz normales kleines Baby, das sich so verhält wie viele seiner Altersgenossen. Nur ist irgendwann bei Ihnen und Ihrer Frau wohl das Gefühl verloren gegangen, zu erkennen, was die Kleine braucht und was sie ausdrücken will. Es handelt sich um ein Kommunikationsproblem, das nun zu einer Art Bruch zwischen Mutter und Kind und wohl auch teilweise zwischen Vater und Kind geführt hat. Die schwierigen Anfangszeiten mit massiver Kolik haben sicher auch dazu beigetragen, dass Sie als Eltern „alles Mögliche" getan haben, damit das Baby nicht weint und da könnte es sein, dass dieses „alles Mögliche" zuviel war und das Kind dadurch überreizt wurde. Als die Kleine dann in das Alter kam, in dem die natürliche Neugier eines Babys dazu führt, dass es beim Stillen zappelt, herumhampelt, mit der Brust im Mund den Kopf dreht, weil es etwas gehört oder gesehen hat usw. da wurde dieses Verhalten so interpretiert, als sei das Kind „schwierig" oder wolle die Mutter „ärgern". In Wirklichkeit war es das ganz normale Verhalten eines etwa drei bis vier Monate alten Babys, nur hat Ihnen das leider niemand erklärt. Es war auch niemand da, der Ihnen und Ihrer Frau Tipps gegeben hat, wie diese Zeit leichter zu überstehen ist, denn die Einführung der Beikost hilft in dieser Situation nicht wirklich. Doch das haben Sie ja inzwischen auch selbst erleben müssen. Es ist geradezu typisch, dass das Stillen nachts, wenn deutlich weniger Reize auf Ihr Baby einströmen gut geht. Dann hat das Kind mehr Ruhe und wird weniger abgelenkt. Doch alle diese Erklärungen und theoretischen Abhandlungen helfen Ihnen und Ihrer Frau nicht weiter. Hier sind mindestens drei Menschen unglücklich und sind in einem Teufelskreis gefangen, aus dem sie ohne Hilfe nicht mehr herausfinden. Ich weiß ja nicht, wo Sie wohnen, doch wenn Sie mir Ihren Wohnort mit Postleitzahl angeben, suche ich Ihnen gerne die nächstgelegene LLL-Stillberaterin heraus, mit der sich Ihre Frau in Bezug auf das Stillen in Verbindung setzen kann und vielleicht kann die Kollegin Ihnen auch eine Adresse geben, wo Sie sich hinwenden können, damit Ihnen und Ihrer Frau geholfen wird, wieder eine Beziehung zu dem Baby herzustellen. Es gibt in dieser Hinsicht speziell ausgebildete Frauen und Männer, die sich mit sogenannter „Emotionaler erster Hilfe" beschäftigen, deren Ziel es ist, wieder eine Beziehung und Bindung zwischen Eltern und Kind herzustellen. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie bald wieder ruhigere und glücklichere Zeiten. LLLiebe Grüße Biggi Welter


Mitglied inaktiv

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Hallo Frau Welter, vielen Dank für ihre Antwort. Nein, ich galube nicht wirklich, dass das Absicht ist. Aber manchmal könnte man es schon meinen. Eine Stillberaterin hatten wir schon mehrmals kontaktiert, sie hat uns auch besucht, aber auch ihr fällt nichts mehr ein dazu. Viele Grüße Holger


Biggi Welter

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Lieber Holger, bitte holen Sie sich Hilfe, denn das Problem ist nicht das Kind, welches sich völlig normal verhält! Sie brauchen Unterstützung, damit Sie Ihr Kind wieder annehmen können. Bitte wenden Sie sich an ihren Arzt oder an eine Hebamme, die Ihnen Adressen geben kann. LLLiebe Grüße Biggi


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