Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Stillpsychose

Frage: Stillpsychose

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Suche für eine Freundin ALLE INFOS im Zusammenhang mit Stillpsychose. Wer weiß mehr, hat eventuell die Erfahrung gemacht oder usw.????? Liebe Grüße Christine


Biggi Welter

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? Liebe Christine, der Begriff „Stillpsychose" ist absolut irreführend, denn eine Psychose, die durch das Stillen hervorgerufen wird oder einen Zusammenhang mit dem Stillen hat, gibt es nicht. Früher wurde dieser Begriff für die Wochenbettpsychose oder postnatale Depressionen verwendet. Es handelt sich also um eine obsolete Bezeichnung, die noch dazu zu Verwirrung und Verunsicherung bei den Frauen führt. Die früher übliche Praxis beim Auftreten einer postnatalen Depression oder Wochenbettpsychose sofort abzustillen ist inzwischen auch als ungünstig erkannt worden, da die plötzlichen Hormonveränderungen, die das Abstillen hervorruft zu einer Verstärkung der Depression führen kann. Statistisch gesehen leiden mehr nicht stillende als stillende Mütter unter postnatalen Depressionen. LLLiebe Grüße Biggi Welter


Mitglied inaktiv

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Liebe Biggi, danke für die schnelle Antwort. Deine Antwort (darf ich du sagen?) ist für mich sehr aufschlußreich. Wie ich dir bereits mailte, habe ich einer Freundin angeboten, mich mal im Internet diesbezüglich schlau zu machen. Beim ersten Kind hatte sie ca. 2 Monate gestillt, beim zweiten war sie für 6 Wochen auf der Psychiatrie; und sie spricht von einer Stillpsychose. Nun ist sie zum dritten Mal schwanger und klarerweise steht diese Angst vor dem nach-der-Geburt im Vordergrund. Was glaubst du, sollte man ihr raten, gar nicht anfangen zu stillen? Sie hat mir bei unserem letzten Gespräch auch erzählt, dass sie erfahren hat, dass auch das Medikament, das sie einnahm um abzustillen, Depressionen hervorrufen kann. Übrigens: tolle Seite - habe gestern noch ziemlich lange gelesen; meine zwei Jungs sind inzwischen bereits 5 und 7 1/2 Jahre alt und ich habe sie beide 14 Monate lang gestillt. Liebe Grüße Chr.


Mitglied inaktiv

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... ich habe gestern noch meine Bücher gewälzt und nichts über den Begriff Stillpsychose finden können (ich bin Psychologin). Biggi hat sicher recht, das ist früher der Begriff für die postnatale Depression gewesen. Eine der Katastrophen im Zusammenhang mit der Postnatalen Depression ist, dass die Mütter meist nicht mit den Kindern zusammenbleiben können, wenn sie in stationäre psychiatrische Behandlung müssen, weil es dafür nicht die Kapazitäten gibt (Betten- und Organisationsmässig), obwohl man inzwischen weiss, dass das für die Gesundung der Mutter viel besser ist (fürs Kind ja sowieso). Ich würde Deiner Freundin (deren Sorge bei der Erfahrung nur zu verständlich ist) raten, sich VORHER in gute psychotherapeutische Hände zu begeben, denn abgesehen von den Hormonen, die viel mit der Auslösung einer solchen Depression zu tun haben, spielen Faktoren eine Rolle, die mit Sicherheit schon lange da sind und durch den Stress der Geburt und der Lebensumstellung verstärkt werden. Und mit der entsprechenden Begleitung (ambulant), muss es nicht so schrecklich werden, im Gegenteil. Eine gute Stillberaterin vor Ort dürfte das Übrige tun. Liebe Grüsse und alles Gute für Deine Freundin, Christiane


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Seit Sommer 1996 besteht der Verein Schatten & Licht - Krise nach der Geburt e.V. Das ist ein bundesweiter Verein, der sich zu Ziel gesetzt hat, von postnatalen Depressionen betroffenen Frauen (und natürlich deren Angehörigen) zu helfen. http://www.www.schatten-und-licht.de Gruss Beatrix


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Hallo Beatrix, danke - werde mir die Seite anschauen und alles an meine Freundin weiterleiten. Liebe Grüße Chr.


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Hallo Christiane, danke für dein "Einmischen". Liebe Grüße aus Südtirol Chr.


Biggi Welter

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? Liebe Christine, es ist davon auszugehen, dass deine Freundin den Prolaktinhemmer Bromocriptin zum Abstillen erhalten hat. Dieses Mittel hat sehr viele und sehr gravierende Nebenwirkungen (ist deshalb zum Beispiel in den USA nicht mehr zum Abstillen zugelassen). Eine der Nebenwirkungen ist das Auslösen von Depressionen bzw. Verstärken einer bereits bestehenden Depression. Es ist daher sehr fraglich, ob es sinnvoll ist, dieses Präparat zu verwenden oder nicht doch der auch in Deutschland bereits 1989 (!) von der Arzneimittelkommission ausgesprochen Empfehlung zu folgen „angesichts möglicher Risiken für die Mutter Bromocriptin zum Abstillen nicht mehr routinemäßig einzusetzen". Ich zitiere dir auch noch aus einem Fachbuch zum Thema Postnatale Depression und Stillen: „Wenn irgend möglich, sollte ein abruptes Abstillen vermieden werden. Stillen ist kein physiologischer Entstehungsfaktor für postnatale Depressionen. Die hormonellen Veränderungen nach der Geburt verlaufen bei stillenden Müttern allmählicher. Der Abstillprozess bei Müttern mit postnataler Depression sollte als ein wichtiger Teil der Behandlung von stillenden Müttern mit postnatalen Depressionen betrachtet werden. Es gibt physische, hormonelle und seelische Veränderungen während des Abstillens, die die Depression der Mutter beeinflussen können. Ein plötzliches Abstillen erhöht das Risiko, dass die Mutter eine Brustentzündung und einen Brustabszess entwickelt. Diese Komplikationen können ihre Behandlung komplizieren. Plötzliches Abstillen kann auch das Hormongleichgewicht der Mutter verändern. Sollte ein Zusammenhang zwischen der Depression und dem Hormonhaushalt der Mutter bestehen, könnte die Depression dadurch verstärkt werden. Derartige Hormonveränderungen können besonders für eine zu Depressionen neigende Mutter überwältigend sein (Susman und Katz, 1988). Für eine Frau mit einem ernsthaften psychiatrischen Problem könnte das Risiko noch höher sein. Abstillen kann auch als ein emotionaler Verlust empfunden werden, da Stillen für die meisten Frauen mehr bedeutet, als ein Baby zu ernähren. Stillen ist auch eine Möglichkeit, Liebe und Trost zu geben und zu empfangen. Für viele Frauen ist Stillen das einzig Positive, was nur sie allein für ihre Babys tun können, selbst wenn sie gerade eine schwierige Zeit durchzustehen haben. Wird ihnen das plötzlich weggenommen, können sie sich als unnütz und unfähig, als durch jede andere Pflegeperson ersetzbar empfinden." Aus „The Breastfeeding Answer Book" revised edition 1997 Deine Freundin kann sich an eine Stillberaterin in ihrer Nähe wenden und mit ihr ein (oder mehrere) direkte Gespräche führen, um sich darüber klar zu werden, ob sie stillen möchte oder nicht. Doch diese Entscheidung sollte sie wirklich in dem Wissen treffen, dass das Gerede von der „Stillpsychose" ein Ammenmärchen ist. Wenn Sie sich zum Nicht-Stillen entschließt, dann kann ihr die Stillberaterin vor Ort erklären, wie sie ohne Medikamente abstillen kann, denn dies ist möglich. Wenn Du mir den Wohnort mit Postleitzahl angibst, suche ich gerne die nächstgelegene LLL-Stillberaterin heraus. Falls es wieder zu psychischen Problemen kommen sollte, ist es sicher auch ein sehr guter Gedanke, sich an die von Beatrix genannte Selbsthilfegruppe „Licht und Schatten" zu wenden und zwar bereits VOR der Geburt, um gerüstet zu sein, wenn es notwendig werden sollte. Ganz wichtig ist es, eine Trennung von Mutter und Kind zu vermeiden. Es gibt auch in Deutschland Möglichkeiten, dass Mutter und Baby bei einer stationären Aufnahme zusammenbleiben, nur muss man leider oft sehr lange suchen (und nicht immer ist die Zeit dazu). Hier kommt dann ihrem Partner die wichtige Aufgabe zu, sich für seine Frau und das Kind einzusetzen, denn die Mutter, die bereits in das Loch gefallen ist, wird kaum mehr die Kraft dazu haben. Ich hoffe und wünsche für deine Freundin, dass all diese Tipps und Informationen nur Theorie bleiben werden und sie diesmal ein unbeschwertes Wochenbett und eine wunderschöne Zeit mit all ihren Kindern erleben darf. LLLiebe Grüße Biggi


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Liebe Biggi und einen schönen Abend, danke für deine ausführliche Antwort. Habe sie gedruckt und werde sie morgen meiner Freundin bringen, damit sie alles durchlesen kann. Bezüglich Stillberaterin wird dies wohl etwas schwierig werden; wir wohnen in Südtirol .... und obwohl sich alle von der Schwangerschaftsvorsorge, Dienst für Mutter und Kind, vom Frauenarzt, Hebammen und Säuglingsschwestern anbieten bei Fragen rund ums Stillen behilflich zu sein, habe ich die Erfahrung gemacht, dass man wirklich auf sich allein gestellt ist. Alle rücken mit Waage usw. an, ob das Kind wohl genug bekommt, und wenn man sich nicht selbst unbedingt in den Kopf gesetzt hat, stillen zu wollen, wird man sehr verunsichert. Kenne da wirklich einige Frauen, denen dies passiert ist. Bin mir ziemlich sicher, dass wir uns noch einmal lesen werden. Liebe Grüße Chr.


Biggi Welter

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? Liebe Christine, auch in Südtirol gibt es Stillberaterinnen! Ich muss jetzt erst nachfragen, da ich keine aktuelle Adressenliste zur Hand habe, aber wenn Du mir sagst, wo deine Freundin lebt, werde ich die nächstgelegene LLL-Stillberaterin oder aber Still- und Laktationsberaterin IBCLC (da hat gerade ein ganzes Ausbildungseminar aus Südtirol vor einer Woche das Examen abgelegt und muss nun noch lange Wochen auf das Ergebnis warten) für euch herausfinden. Noch eine Bitte: stelle deine nächste Anfrage als neue Anfrage. Wenn ich seitenweise zurückblättern muss, kann es vorkommen, dass ich etwas übersehe. LLLiebe Grüße Biggi


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