Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Stillmarathon

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Stillmarathon

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Hallo! Mein Kleiner ist jetzt 4 Wochen alt. Anfangs hat er etwa alle 2 Stunden (in der Nacht alle 3-4 Stunden) getrunken, meist im "Set", d.h. an beiden Seiten je 20 Minuten lang - zwar mit Unterbrechungen und Dahindoesen und so aber es klappte recht gut und er gedeiht auch gut... Seit Samstag aber will er schier ununterbrochen trinken. Er ist alle 1-2 Stunden wach und will an die Brust und trinkt ewig. Oft muss ich ihn dann 1,5 - 2 Stunden lang an beiden Seiten stillen (z.B. 1/2 Stunde links, dann 1/2 rechts, dann wieder 1/2 Stunde links), dann wird er nach kurzer Zeit (oft schon nach etwa 1 Stunde) schon wieder wach und es geht wieder von vorn los, auch nachts geht das so - ein echter Stillmarathon. Ich glaube, dass meine Milchproduktion mit der Nachfrage Schritt haelt, ich denke, ich habe genug Milch. Bin aber natuerlich entsprechend erschoepft und muede. Habe meine Mutter und abends auch meinen Mann, die mich unterstuetzen, manchmal schaffen die es aber auch nicht, den Kleinen zu beruhigen - er weint, saugt an den Fingern und sucht die Brust so lange, bis ich ihn wieder zu mir nehme und stille. Ausserdem hat er auch manchmal mit Blaehungen und Winden zu kaempfen. Manchmal tut ihm der Bauch weh - dann weint er sehr, strampelt und rudert mit Haenden und Fuessen. Das vergeht aber meistens bald wieder (etwa nach 1/2 Stunde) und er beruhigt sich (da will er dann auch an die Brust). In seinen Wachphasen scheint der Kleine ansonsten ganz zufrieden zu sein. Habe von Wachstumsschueben gelesen und vermute, das koennte ein solcher sein. Kann das stimmen? Wie lang kann denn diese Phase dauern? Wann wird er wieder in einen Rhythmus mit laengeren Schlaf- und kuerzeren Stillphasen kommen? Ich versuche wirklich, mit viel Liebe und Geduld mit der Situation umzugehen, waere aber dennoch um jeden Rat sehr dankbar. Liebe Gruesse, Silvia


Biggi Welter

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Liebe Silvia, Ihr Baby ist ein noch recht junges Baby und sein Verhalten entspricht schon fast "lehrbuchmäßig" dem eines wenige Tage oder Wochen alten Babys, das eben nicht zehn bis 15 Minuten an der Brust trinkt und danach zufrieden einschläft (Baby, die sich so verhalten, sind so schwierig zu finden, wie eine Nadel im Heuhaufen). Babys haben ein über das reine Ernährungssaugen hinausgehendes Saugbedürfnis und diesem "non nutritiven" Saugen kommt eine sehr große Bedeutung zu. Nun werden viele Menschen sagen: "Dafür gibt es ja einen Schnuller". Doch das ist eine sehr zweifelhafte Antwort. Der Schnuller ist eine Brustattrappe und von der Natur ist vorgesehen, dass das non nutritive Saugen an der Brust stattfindet. Wird der Schnuller eingesetzt, kann es nicht nur zu Saugproblemen kommen, er kann auch dazu führen, dass das Kind zu wenig Zeit an der Brust verbringt, so dass die Brust nicht ausreichend stimuliert wird und das Kind nicht die Milch bekommt, die es braucht. Der Gebrauch des Schnullers ist sehr kritisch zu sehen. Die anderen Nebeneffekte, wie häufiges Aufstehen der Mutter, weil das Kind den Schnuller verliert, sind natürlich auch nicht gerade angenehm. Sie können sich und Ihrem Baby das Leben sehr viel einfacher machen, wenn Sie sich auf Ihr Kind einlassen. Die oben erklärten Zusammenhänge machen es Ihnen möglicherweise einfacher, dem Bedürfnis des Kindes entgegenzukommen, zumal es erwiesen ist, dass es sich langfristig auszahlt, diese Bedürfnisse jetzt zu stillen. So kleine Babys wollen im Schnitt zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Im Schnitt heißt, es gibt Babys die seltener nach der Brust verlangen (eher wenige Babys) und es gibt Babys, die häufiger an die Brust wollen (die Mehrzahl). Nun ist es jedoch nicht so, dass ein Kind zügig zwanzig Minuten trinkt und sich dann nach drei Stunden das nächste Mal rührt, sondern es kommt immer wieder zu Stillepisoden, die so ablaufen: das Kind trinkt eine kurze Weile, hört auf, döst vielleicht sogar weg und beginnt erneut kurz zu trinken usw. Dieses Verhalten heißt Clusterfeeding und ist absolut normal für kleine Babys (und keinesfalls ein Einschlafproblem). Besonders gehäuft treten diese Stillepisoden am Nachmittag und Abend auf, wie überhaupt die Abstände zwischen den Stillzeiten im Verlauf des Tages immer kürzer werden. Dazu kommt, dass in bestimmten Alterstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen. Ein Wachstumsschub ist mit etwa vier Wochen zu erwarten und kann schon einige Tage dauern. Das Dauerstillen kann sehr anstrengend und auch nervend sein, aber es hat seinen Sinn. Rein wissenschaftlich gesehen ist es so, dass das Baby durch den Stillmarathon die Prolaktinausschüttung anregt und so dafür sorgt, das die Milchbildung angeregt wird und genügend Milch für das Kind zur Verfügung steht. Wird in dieser Situation zugefüttert, so wird in das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage eingegriffen und das kann der Beginn des unfreiwilligen, vorzeitigen Abstillens sein. Dazu kommt: Menschenbabys sind Traglinge, die den Kontakt zur Mutter brauchen. Es ist von der Natur nicht vorgesehen, dass sie alleine sind und auch nicht, dass sie alleine schlafen. Das widerspricht dem Bild vom süß in der Wiege schlummernden Baby, das fast alle Frauen (zumindest beim ersten Baby) haben. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Ihr Kind nicht pausenlos schlafen will und ständigen Körperkontakt sucht. Gerade die kleinen Babys haben oft mit Blähungen oder Koliken zu kämpfen und das Leben mit einem von Kolikien geplagten Baby ist für die Mutter bzw. die Eltern sehr anstrengend. Es kommt vor, dass sich keine ersichtliche Ursache für die Blähungen finden lässt. Am ehesten trifft wahrscheinlich in diesen Fällen wohl die Vermutung zu, dass manche Babys ein empfindlicheres Verdauungssystem haben als andere, und dieser Faktor, im Zusammenwirken mit Spannungen und Stress von außen, der wahrscheinlichste Grund für die Blähungen sind. Ein ruhiger, sanfter Umgang mit Ihrem Baby ist sehr wichtig. Viele Ärzte sind der Ansicht, dass öfter verabreichte kleine Mahlzeiten, die auf das kleine Verdauungssystem des Babys besser abgestimmt sind, ihm besser bekommen. Gerade Kolikkinder profitieren vom Getragenwerden und dem dabei zwangsläufig entstehenden Körperkontakt. Haben Sie ein Tragetuch? Ein Tragetuch erleichtert nicht nur das Tragen des Kindes, es gibt dir auch die Möglichkeit zumindest eine Hand frei zuhaben. Und keine Sorge: das Getragenwerden führt nicht dazu, dass Sie Ihr Baby verziehen. Im Gegenteil, Studien belegen, dass Kinder, die als kleines Baby viel getragen wurden, später ausgeglichener und zufriedener sind und weniger Weinen. Sie können auch versuchenIhrem Baby durch Tragen in der Kolikhaltung (auch Fliegergriff genannt, das Baby liegt mit seinem Bauch auf dem Unterarm des Erwachsenen, mit dem Kopf in der Ellenbeuge ruhend), durch massieren des Bauches und durch Wärmeanwendungen (gut geeignet dazu sind Hot Cold Packs) auf den Bauch Erleichterung zu verschaffen. Fencheltee wirkt auch, wenn er von der Mutter getrunken wird und auf diese Weise lässt sich auch die Gefahr einer Saugverwirrung umgehen. Allerdings sollten nicht mehr als zwei Tassen pro Tag getrunken werden, weil er sonst zu Blähungen führen kann. Fast immer wachsen die Babys mit etwa drei Monaten aus dem "Kolikalter" heraus. Sollten Sie Zeit zum Lesen haben, so möchte ich Ihnen das Buch "Das 24 Stunden Baby" von Dr. William Sears empfehlen. Dr. Sears gibt viele Anregungen wie Eltern mit ihrem besonders anstrengenden Baby (er nennt sie Babys mit erhöhten Bedürfnissen) umgehen können. Das Buch ist im Buchhandel und bei jeder LLL Stillberaterin (auch hier im Still-Shop) erhältlich. Ich kann Ihnen nur dringend empfehlen, einmal ein Stillgruppentreffen zu besuchen oder zumindest einmal mit einer Stillberaterin in ihrer Nähe ein direktes Gespräch (auch am Telefon) zu führen. Viele Unsicherheiten lassen sich im direkten Gespräch sehr viel besser ausräumen und der Austausch mit anderen stillenden Müttern kann sehr ermutigend sein und vor allem werden Sie sehen und erleben, dass sich andere Babys genau so verhalten wie Ihr kleines Menschlein. Wenn Sie mir Ihren Wohnort mit Postleitzahl angeben, suche ich Ihnen gerne die nächstgelegene LLL Stillberaterin heraus. LLLiebe Grüße Biggi Welter


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