Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Stillhäufigkeit

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Stillhäufigkeit

Mitglied inaktiv

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Liebe Biggi, unser Sohn ist vier Monate alt und wird voll gestillt. Ich mache mir allerdings ein wenig Sorgen, wegen der kurzen Abstände zwischen den Mahlzeiten (allerdings nur tagsüber, nachts schläft er von ca. 22.00 bis 5.00). Sollte man nicht eigentlich zu einem Abstand von 4 Std. kommen? Das haben wir in den vier Monaten sehr selten geschafft, meistens hat er nach 3 Std. wieder Hunger, oft auch schon nach 2 Std. Ist das in dem Alter in Ordnung oder sollte ich ihm zusätzlich Babynahrung geben? Da ich am Anfang sehr starke Probleme mit dem Stillen hatte, und er dadurch täglich eine Flasche zusätzlich bekommen hat, habe ich jetzt wieder Bedenken, ob wohl noch genug Milch da ist. Außerdem läßt er sehr, sehr selten die Brust von alleine los, so daß ich ihn nach einiger Zeit wegnehme. Das ist dann auch für ihn in Ordnung, aber ich bin nie sicher, ob die Brust wirklich leer ist. Er schluckt meistens nur ca. 5 Minuten regelmäßig (wenn überhaupt), danach nur hin und wieder. Kann es denn sein, daß er so schnell trinkt? Und dann noch was, stimmt es, daß man ab dem fünften Monat versuchen sollte, die nächtliche Mahlzeit einzustellen? Vielen Dank für Deinen Rat. Susanne


Biggi Welter

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? Liebe Susanne, bitte vergiss alles, was Du je über einen „Rhythmus" oder den berühmten „Vier-Stunden-Abstand" gehört hast. Selbst wenn dein Kind rund um die Uhr im Zwei-Stunden-Takt käme, wäre das kein Beleg dafür, dass dein Kind an der Brust nicht satt wird und bei der extrem langen Nachtpause, die dein Kind dir zur Zeit gönnt (und um die dich vermutlich Millionen von Müttern beneiden) ist es ganz natürlich, dass dein Kind in den Wachphasen am Tag in deutlich kürzeren Abständen als alle vier Stunden gestillt werden will. Schau dir dein Kind einmal in Hinblick auf die folgenden Anzeichen an: • mindestens fünf bis sechs nasse Wegwerfwindeln hat (um zu sehen wie nass „nass" ist, kannst Du sechs Esslöffel Wasser auf eine trockene Windel geben). Diese Regel gilt aber nur für voll gestillte Kinder, das heißt das Baby bekommt nichts außer Muttermilch (kein Wasser, Tee, Saft usw.). • in den ersten sechs Wochen täglich mindestens zwei bis vier Stuhlentleerungen (später sind seltenere Darmentleerungen normal) • eine durchschnittliche wöchentliche Gewichtszunahme von mindestens 110 g pro Woche ausgehend vom niedrigsten Gewicht • eine gute Hautfarbe und eine feste Haut, • Wachstum in die Länge und Zunahme des Kopfumfangs • ein aufmerksames und lebhaftes Verhalten des Babys in den Wachphasen. Wenn diese Punkte alle erfüllt sind, dann wird dein Baby auch satt, gleich ob es lang oder kurz, an einer oder beiden Brüsten trinkt und ob es alle zwei Stunden oder alle vier Stunden oder ganz unregelmäßig an die Brust will. Der immer wieder verbreitete Gedanke, dass ein Baby ab einem bestimmten Alter nachts nicht mehr aufwachen darf und nachts keine Nahrung mehr braucht entspringt in keinster Weise dem natürlichen Verhalten und den Bedürfnissen eines Babys oder Kleinkindes, sondern er entstammt dem (verständlichen) Wunsch der Erwachsenen, die gerne ihre Nachtruhe hätten. Eine Studie von Jelliffe und Jelliffe ergab, dass Babys im Alter von 10 Monaten mindestens 25 % ihrer Muttermilchaufnahme nachts zu sich nehmen. Das spricht eindeutig dafür, dass Babys auch nach den ersten sechs Monaten nachts noch hungrig sind. Es gibt Kinder, die nachts keine Nahrung mehr brauchen, aber es gibt eben auch sehr viele Kinder, die mit einem halben Jahr noch nicht so weit sind. So wie manche Kinder bereits mit elf Monaten laufen und andere damit erst mit 16 Monaten beginnen, so entwickeln sich auch alle anderen Dinge bei jedem Kind individuell verschieden und diese Entwicklung lässt sich begleiten, aber nicht beschleunigen. In einem amerikanischen Buch über die Entwicklung von Kindern (Aldrich: „Babys are Human Beeings"‘) habe ich einmal den wichtigen Satz gefunden „Damit Kinder sich gut entwickeln können, sind liebevolle Fürsorge und ein beständiges, direktes Eingehen auf ihre Bedürfnisse so ausgesprochen wichtig". Das steht zwar manchmal im Widerspruch zu unserem „modernen, westlichen" Lebensstil, aber es zahlt sich langfristig aus. Außerdem stellt sich doch auch die Frage: Ist der seelische Hunger nicht ebensowichtig wie der körperliche Hunger? Warum sollte es weniger wichtig sein, das Bedürfnis des Babys nach Nähe und Geborgenheit zu stillen, als seinen körperlichen Hunger zu stillen? Es gibt unzählige Gründe, warum ein Kind nachts (wieder vermehrt) aufwacht und die Nähe und Geborgenheit und auch Nahrung an der Brust sucht. Die Kinder beginnen ab etwa vier bis sechs Monaten die Welt sehr konkret zu erleben, sie müssen das am Tag Erlebte in der Nacht verarbeiten, sie lernen neue Fähigkeiten (umdrehen, robben, krabbeln, gezieltes Greifen ...), sie beginnen den Unterschied zwischen fremd und bekannt zu erkennen . All dies ist ungeheuer aufregend und auch anstrengend. Dazu kommt, dass sich die Zähne verstärkt bemerkbar machen, dass vielleicht die erste Erkältung kommt ... Insgesamt sind dies eine Menge Gründe unruhiger zu sein und nachts immer wieder aufzuwachen. Doch zur Zeit stellt sich diese Frage bei euch ja sowieso nicht, denn dein Kind schläft phänomenale ACHT Stunden am Stück und das ist eine enorme Leistung für so ein kleines Menschlein und Du solltest es genießen, so lange es so ist. LLLiebe Grüße Biggi


Mitglied inaktiv

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Liebe Biggi, vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Jetzt bin ich wieder beruhigt und werde einfach so weiter machen, wie bisher. Ich war nur etwas verunsichert, da man ja doch die unterschiedlichsten Informationen lesen kann bzw. gesagt bekommt. Also nochmals Danke! Viele grüße Susanne


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