Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

so wenig Zeit

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: so wenig Zeit

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Sehr geehrte Frau Welter. Mit großem Interesse habe ich in den vergangenen Wochen ihre Antworten gelesen. Es hat mir geholfen, beim Stillen Ruhe zu bewahren und nicht gleich ungeduldig zu werden. Ich habe verstanden, dass Kinder Wachstumsschübe haben und dass es dann zu einer Art Maraton-Saugen kommen kann. Leider muss ich jedoch gestehen, dass ich dieses Verständnis nicht immer aufbringen kann. Ich habe zwei weitere Kinder zu versorgen - die Hilfe, die ich mir per Kindermädchen organisiert habe ist zwar (finanziell vor allem) immens, dennoch komme ich mit meinem Zeitmanagement nicht klar. Ich vermute, es sind Anpassungsschwierigkeiten, die meinem Kind zu schaffen machen (nach Kaiserschnitt). Ständig will sie an die Brust - ohne Körperkontakt über viele Stunden lässt sich die Kleine kaum einmal hinlegen. Manchmal klappts - nach ewigem Geschaukel in der Hängematte. Gegen Abend habe ich nicht selten das Gefühl, dass meine Milch nicht ausreicht - die Kleine würde selbst nach mehrstündigen ständigen Stillepisoden immer immer weitertrinken wollen. Ich bin auch mit meinen Kräften langsam am Ende - daher suche ich Hilfe bei Ihnen. Gerne möchte ich alles geben, aber doch auch für meine übrigen Kinder und irgenwann auch wieder für mich und meine Partnerschaft. Ich weiß, dass kann in einigen Monaten schon anders aussehen, aber was ist mit jetzt? Kann das wirklich sein, dass meine Kleine ständig nuckeln will? Können das die Anpassungsschwierigkeiten sein? Würden sie die Hilfe einer Laktationsberaterin oder einer Osteophatin empfehlen? Halten sie wirklich gar nichts von Strukturierung des Stillens - also mit Mindestabständen zwischendurch - um mal durchzuatmen? Vielen Dank für Ihre Antwort.


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Liebe Frühgeboren, ein Baby sollte nach Bedarf gestillt werden. Alle Stillexperten sind sich einige, dass Stillen nach Bedarf für Mutter und Kind am Besten ist. So wird sichergestellt, dass das Baby die Nahrung, die es braucht, genau dann bekommt, wenn es sie braucht und sich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellen kann. Während eines Wachstumsschubs kann es durchaus sein, dass ein Baby alle Stunde an die Brust möchte. Es gibt keinen Grund einen Mindestabstand zwischen zwei Stillmahlzeiten einzuhalten. Im Extremfall kann das "Hinhalten" des Babys zu Gedeihstörungen führen. All die Erzählungen von einem bestimmten Rhythmus eines Babys sind schlicht und ergreifend falsch. So kleine Babys wollen im Schnitt zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Im Schnitt heißt, es gibt Babys die seltener nach der Brust verlangen (eher wenige Babys) und es gibt Babys, die häufiger an die Brust wollen (die Mehrzahl). Nun ist es jedoch nicht so, dass ein Kind zügig zwanzig Minuten trinkt und sich dann nach drei Stunden das nächste Mal rührt, sondern es kommt immer wieder zu Stillepisoden, die so ablaufen: das Kind trinkt eine kurze Weile, hört auf, döst vielleicht sogar weg und beginnt erneut kurz zu trinken usw. Dieses Verhalten heißt Clusterfeeding und ist absolut normal für kleine Babys. Besonders gehäuft treten diese Stillepisoden am Nachmittag und Abend auf, wie überhaupt die Abstände zwischen den Stillzeiten im Verlauf des Tages immer kürzer werden. Dazu kommt, dass in bestimmten Alterstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen. Das Dauerstillen kann sehr anstrengend und auch nervend sein, aber es hat seinen Sinn. Rein wissenschaftlich gesehen ist es so, dass das Baby durch den Stillmarathon die Prolaktinausschüttung anregt und so dafür sorgt, dass die Milchbildung angeregt wird und genügend Milch für das Kind zur Verfügung steht. Wird in dieser Situation zugefüttert, so wird in das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage eingegriffen und das kann der Beginn des unfreiwilligen, vorzeitigen Abstillens sein. Dazu kommt: Menschenbabys sind Traglinge, die den Kontakt zur Mutter brauchen. Es ist von der Natur nicht vorgesehen, dass sie alleine sind und auch nicht, dass sie alleine schlafen. Das widerspricht dem Bild vom süß in der Wiege schlummernden Baby, das fast alle Frauen (zumindest beim ersten Baby) haben. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Ihr Kind nicht pausenlos schlafen will und ständigen Körperkontakt sucht. Ein Tragetuch kann in dieser Situation ebenfalls sehr hilfreich sein. Ein Tragetuch ist fast ein Zaubermittel. Ihr Baby kann Ihre Nähe spüren, es wird sich an Ihrem Körper beruhigen, es wird weniger weinen, vielleicht sogar recht gut schlafen und Sie haben mindestens eine Hand frei (und auch Ihren Kopf, weil das Baby wieder ruhiger ist), um andere Dinge zu tun. Versuchen Sie es einmal. Lassen Sie sich von einer tucherfahrenen Frau zeigen, wie vielseitig ein Tragetuch eingesetzt werden kann. Sie werden vielleicht sehr erstaunt sein, wie einfach der Alltag mit einem Kind im Tuch wieder wird und mit etwas Geschick können Sie Ihr Kind sogar im Tuch stillen. Tucherfahrene Frauen finden Sie in fast jeder Stillgruppe. Wenn Sie mir Ihren Wohnort mit Postleitzahl angeben, suche ich Ihnen gerne die nächstgelegene LLL Stillberaterin heraus, die sich dann auch gleich anschauen kann, wie Sie Ihr Baby anlegen und wie es saugt. Eine Kollegin von mir hat einen Artikel zum Thema veröffentlicht, den ich dir hier anhänge. Ich denke in diesem Artikel findest Du die Antwort auf deine Frage. LLLiebe Grüße Biggi Woher kommt der Mythos vom "Mindestabstand" ? Von Denise Both, IBCLC \plain"Sie dürfen nicht so oft anlegen, dann hat die Brust ja keine Zeit, sich wieder zu füllen." \plain"Zwischen zwei Stillzeiten MUSS ein Abstand vom mindestens zwei Stunden liegen sonst bekommt das Kind Bauchschmerzen" \plain"Frische Milch darf sich nicht mit bereits angedauter Milch vermischen, deshalb dürfen Babys frühesten nach zwei Stunden wieder angelegt werden" Wohl jede Stillberaterin ist schon mit diesen Aussagen konfrontiert worden. KinderärztInnen, Hebammen und auch wohlmeinende Mitmenschen kommen immer wieder damit. Ist ein Mindestabstand wirklich notwendig oder sinnvoll? Die Antwort auf diese Frage ist ein klares NEIN. Ein Baby sollte nach Bedarf gestillt werden. Alle Stillexperten sind sich einig, dass Stillen nach Bedarf für Mutter und Kind am Besten ist. So wird sichergestellt, dass das Baby die Nahrung, die es braucht, genau dann bekommt, wenn es sie braucht und sich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellen kann. Es ist nicht sinnvoll, den Abstand zwischen den Stillzeiten lange zu halten "damit sich mehr Milch ansammelt", denn die Brust funktioniert nicht wie eine Flasche, die wieder aufgefüllt werden muss. Der größte Teil der Milch wird während des Stillens gebildet. Ebenso ist es ein Ammenmärchen, dass ein Baby einen Mindestabstand zwischen zwei Stillzeiten einhalten müsse, um zu verhindern, dass frische Milch auf angedaute Milch kommt. Im Extremfall kann das "Hinhalten" des Babys zu Gedeihstörungen führen. Es gibt keinen Beweis, für die "Frische Milch auf halbverdaute Milch Theorie", die besagt, dass zwischen zwei Stillmahlzeiten ein Mindestabstand von zwei Stunden eingehalten werden müsste, weil das Baby sonst Bauchschmerzen bekäme. Doch woher kommt diese Meinung? Die Vorstellung, dass der Magen zwischen zwei Mahlzeiten vollständig geleert werden müsse, geht wahrscheinlich auf den Kinderarzt Prof. Adalbert Czerny (1863 - 1941) zurück, vor allem auf das, was er in seiner 1893 erschienen Veröffentlichung "Die Ernährung des Säuglings auf Grundlagen der physiologischen Funktionen des Magens" und seinem 1922 veröffentlichten Buch "Der Arzt als Erzieher des Kindes" geschrieben hat. Czerny hielt es einerseits für absolut notwendig feste Abstände zwischen den Stillmahlzeiten einzuhalten, damit sich zwischen den Mahlzeiten der Magen komplett entleert und sich die Magensäure (Salzsäure) ansammeln und antiseptisch wirken kann und andererseits maß er dem streng einzuhaltenden Stillrhythmus einen hohen erzieherischen Wert bei. Nach seinen Beobachtungen entwickelten sich mit künstlicher Säuglingsnahrung (zur damaligen Zeit überwiegend Kuhmilch) gefütterte Babys besser, wenn zwischen den Mahlzeiten ein Abstand von vier Stunden eingehalten wurde. Daraus schloss er, dass es auch für gestillte Kinder besser sei, einen Mindestabstand und festen Rhythmus einzuhalten. Nachdem er festgestellt hatte, dass Muttermilch nach eineinhalb bis zwei Stunden den Magen vollständig verlassen hatte und Kuhmilch nach drei Stunden, legte er die Abstände der Mahlzeiten für gestillte Kinder auf mindestens drei Stunden, für kuhmilchgefütterte Kinder auf mindestens vier Stunden fest. Es wurde - wie so oft - einfach eine Vorgehensweise, die für nicht gestillte Kinder sinnvoll sein konnte, auf gestillte Kinder übertragen und bis heute hält sich die Vorstellung von dem Mindestabstand in vielen Köpfen, zum Leidwesen vieler junger Mütter und ihrer Babys.


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Hallo! Entschuldige, daß ich mich "einmische". Ich kann Dich sehr gut verstehen. Ich hatte auch so einen kleinen Still-Junkie daheim :-) Meine Maus wollte die ersten Wochen/Monate fast ständig gestillt und getragen werden. Nur habe ich, im Unterschied zu Dir, "nur" ein Kind zu versorgen. Ein Fazit kann ich daraus jetzt schon ziehen: die Kleine ist mittlerweile 20 Monate alt, wird immer noch nach Bedarf gestillt...und ist alles andere als verwöhnt. Im Gegenteil. Sie ist sehr selbständig, selbstbewußt, ausgeglichen, brav. Und das, obwohl ich stets von allen Seiten hören mußte: "Du wirst schon sehen, was für ein verwöhntes Kind Du Dir an großziehst!" ...das nur so am Rande, daß man sich bezüglich dem Verwöhnen wirklich absolut KEINE Gedanken machen sollte sondern wirklich stets seinem Gefühl vertrauen kann und soll. Aber: Mit 3 Kindern kann es manchmal gewiß sehr anstrengend sein... Das steht hier gar nicht zur Debatte. Hut ab! Wie alt sind denn die beiden anderen Kinder? Können sie beim Stillen "miteinbezogen" werden? Ist es möglich, daß ihr 4 euch zusammen auf die Couch kuschelt, Du den anderen beiden während dem Stillen etwas vorliest? Die beiden "einspannst", Dir zu helfen? Stilleinlagen holen usw.? Ansonsten fällt mir nur eines ein: Kauf Dir ein Tragetuch!!! Das half mir bei meiner Maus schon sehr. Beim Tragen schlafen die Mäuse gerne ein und sind auch sonst sehr ruhig. Vielleicht kann das Tragen ein paar Stilletappen "ersetzen". Ich wünsche Dir auf jeden Fall ganz viel Kraft und Ruhe während diesen anstrengenden Zeiten!!! LG Sandra


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vielen Dank für die Antworten... Hallo Sandra. Meine zweitkleinste ist gerade 12 Monate alt. In sofern noch heftig weit weg vom Helfen bzw. Teilnehmen beim Stillen bzw. selbst noch sehr bedürftig. Ich denke, dass ist ein weiterer Grund für unseren Stress. Danke für den Tipp - die Tipps - in Sachen Tragetuch. Ich habe eines und es bislang nicht eingesetzt weil die U3 mit Hüftultraschall noch nicht erfolgt ist und mein Kind lange in Steißlage lag. Empfehlung der Ärzte war - erstmal zu warten. Wie auch immer - ich versuche mich zu gedulden. Nur: Wie erkenne ich eigentlich ob mein Kind nur nuckelt oder trinkt? Oder macht das alles keinen Unterschied. Denn wenn es nur nuckeln will gäbe es ja vielleicht noch Alternativen. Zum Beispiel irgendwann Schnullereinsatz auch wenn ich weiß wie verpönt dieser ist. Viele Grüße


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Warum sollst Du denn kein Tragetuch nehmen ohne Hüft-US? Im Tragetuch "sitzen" die Kleinen in der idealen Hock-Spreiz-Haltung. Bei leichten Hüftproblemen kann das Tragen im Tragetuch sogar die Spreizhose ersetzen, und wenn Dein Kind lange in BEL lag, kann genau das der Fall sein. Da ist das Tragetuch doch ideal, um einer ev. Spreizhose vorzubeugen! Martina A.


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...tja...eine Zeit lang habe ich auch versucht herauszufinden, wann es "nur Nuckeln" ist und wann "Hunger"... Das habe ich aber zum Glück nach ganz kurzer Zeit wieder aufgegeben. Meine Kleine hatte ja nie einen Schnuller. Somit MUSSTE sie ja ihr Saugbedürfnis bei mir stillen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Abends war bei uns sehr oft "Cluster-Feeding" angesagt. 10 Minuten stillen, 15 Minuten schlafen, 3 Minuten stillen, 10 Minuten schlafen, 5 Minuten nuckeln, 20 Minuten schlafen...das ging oft 2-3 Stunden so... Und jedesmal wenn ich mir dachte: "So Madam. Jetzt KANNST Du gar keine Durst mehr haben. Jetzt gibt es nix mehr." ...hat die Kleine 20,5 Sekunden lang geweint und ich habe sie wieder angedockt. Letztendlich habe ich nämlich doch immer gedacht "...und wenn sie jetzt doch noch Hunger hat??" Ich konnte sie halt einfach nicht weinen sehen. Im nachhinein bin ich sehr stolz, daß ich meinem Instinkt stets vertraut habe. Und an meiner Kleinen sehe ich jeden Tag, daß mein Mann und ich bis jetzt ALLES richtig gemacht haben ;-) Liebe Grüße aus Bayern, Sandra


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Hallo! Aus meiner Erfahrung (1 Kind, 8 Monate) kann ich nur sagen: DENK AUCH AN DICH. Auch ich stille und es war am Anfang der reinste Horror. Es hat gar nicht geklappt. Ich mußte auf Anraten einer Stillberaterin alle 3 Std. für 40 min. abpumpen (auch nachts!). Dazwischen mußte ich noch die Schläuche desinfizieren und meine Tochter mit der Flasche füttern. Und da sie sehr viel geschrien hat und nicht einfach eingeschlafen ist, habe ich sie dann noch in den Schlaf getragen. Ich habe sogut wie gar nicht geschlafen. Schließlich waren die 3 Stunden dann schon fast rum und es ging von vorn los. Habe als Resultat zwar eine fröhliche Tochter, die noch immer gern an der Brust trinkt, aber ich habe durch diesen Marathon auch Schlafstörungen. Es gibt Nächte in denen ich 3-4 Stunden brauche um einzuschlafen. Es gibt auch Nächte, in denen ich gar nicht schlafen kann, so durcheinander bin ich. Daher mein Tipp, gib nicht alles oder sogar noch mehr. Das kann nicht gutgehen! Meine Tochter mochte das Tragetuch (und etliche andere Tragehilfen) überhaupt nicht! Obwohl ich in der Schwangerschaft doch so eine Verfechterin war, mußte ich einsehen, dass nicht jedes Kind es liebt.


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