Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Schadstoffe in Muttermilch

Frage: Schadstoffe in Muttermilch

Mitglied inaktiv

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Liebe Biggi, ich stille meine Kleine jetzt seit knapp 2 Jahren (3 Wochen fehlen noch), und wir beide brauchen es noch irgendwie, da ich oft ganze Tage arbeite und wir dadurch Nähe tanken können. Ich stille nach Bedarf, tagsüber oft stündlich, aber selbst wenn ich das 5 Tage hintereinander mache, brauche ich dann, wenn ich wieder arbeite, keine Stilleinlagen, also denke ich, dass die Trinkmengen nicht mehr so groß sind. Auch nachts stille ich noch mehrmals. Ich habe zwar das meiste gelesen, was es zum Thema Stillen so gibt, habe mich aber mit dem Thema Schadstoffe nicht so beschäftigt, da ich immer dachte, die Hauptmenge von Schadstoffen werde in den ersten 6 Monaten abgegeben. Nun hat aber eine Freundin von mir erzählt, dass sie eine Bekannte hat, die Toxikologin ist, und diese habe vor ca. 2 Jahren in Zürich im Rahmen einer Studie Muttermilch untersucht und festgestellt, dass der Schadstoffgehalt nach 6 Monaten sprunghaft ansteige. Da seien Werte gefunden worden, wo man sich bei anderen Lebensmitteln sicherlich dafür entscheiden müsste, sie vom Markt zu nehmen. Meine Freundin ist selbst Ärztin und möchte da nichts riskieren, weshalb sie auch nach 9-10 Monaten abstillen wird. Wisst Ihr etwas über diese Studie? Ich mache mir jetzt doch große Sorgen. Ich habe zwar Eure Forumsbeiträge zu diesem Thema gelesen, und es gibt ja wohl bisher keine Anhaltspunkte dafür, dass Schäden beim Kind durch schadstoffbelastete Muttermilch entstehen würden. Andererseits macht es mich jetzt doch nachdenklich, wenn der Schadstoffgehalt erst nach 6 Monaten so stark ansteigt, und zwar aus folgendem Grund: Die meisten Mütter stillen nach 6 Monaten so langsam ab (so fern sie überhaupt noch stillen), so dass es sicher wenige Studien gibt, in denen Auswirkungen beim Kind speziell bei Langzeitstillenden untersucht werden könnten. Wenn es so wäre, wie diese Toxikologin wohl herausgefunden hat, würde das bedeuten, dass die "normale" Stillende sich keine Sorgen machen muss, da sie ja ihrem Kind nur die noch relativ unbelastete Milch gibt. Ich hingegen würde dann schon seit 1 1/2 Jahren meinem Kind hoch belastete Milch geben, und da nur ganz wenige Mütter so lange stillen, wüsste man es doch gar nicht, wenn es in diesen Fällen häufiger zu Schädigungen des Kindes käme. Das Schlimme ist auch, dass ich mir die Haare färbe, weil ich schon so viele graue Haare habe, und Dauerwellen habe ich schon seit ca. 20 Jahren, also Schadstoffe sind massenhaft vorhanden. Eigentlich ist es jetzt für diese Erkenntnis schon zu spät, aber ich überlege ernsthaft, ob ich wirklich noch stillen soll, bis meine Kleine sich selber abstillt (was ich eigentlich vorhatte) oder ob ich das Abstillen nicht doch irgendwie beschleunigen soll. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass dieses Kind jemals auf die Brust verzichten könnte. Andererseits habe ich schreckliche Angst vor Schäden. Mein Bruder ist an Leukämie gestorben, und es wäre für mich unvorstellbar schrecklich, wenn meine Kleine durch meine Milch krank werden würde. Bitte entschuldige meine lange Mail, aber ich bin völlig durcheinander. Liebe Grüße, Sopheak.


Biggi Welter

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Liebe Sopheak, ich kann es gut verstehen, dass Du durcheinander bist, das wäre ich auch! Ich zitiere dir zu diesem Thema eine Aussage von Denise Both, IBCLC: Ganz generell ist es jedoch so, dass das Thema Schadstoffe leider immer wieder hochgekocht wird und dabei quasi Äpfel mit Birnen verglichen werden. Tendenziell ist immer damit zu rechnen, dass Muttermilch eine höhere Schadstoffbelastung aufweist als künstliche Säuglingsnahrung (dafür gibt es mehrere Gründe z.B. die Tatsache, dass der Mensch am Ende der Nahrungskette steht und dass Frauen in der Regel bei der Geburt ihrer Kinder im Allgemeinen doch eher zwanzig und mehr Jahre Zeit hatten, Schadstoffe in ihrem Körper anzusammeln, eine Kuh jedoch nicht nur weiter unten in der Nahrungskette steht, sondern auch deutlich jünger bei der Geburt der Kälber und damit beim Einsetzen der Laktation ist). Gleichzeitig sind die Grenzwerte, die für Schadstoffe in Lebensmitteln angegeben werden, darauf abgestimmt, dass dieses Lebensmittel lebenslang in einer bestimmten Menge aufgenommen wird. Auch das ist ein Punkt, der für Muttermilch nicht zutrifft, so dass der oft geäußerte Spruch "Muttermilch dürfte aufgrund der Überschreitung der Grenzwerte nie in den Handel gelangen" auch in die Kategorie "Äpfel und Birnen" gehört. Und ganz davon abgesehen ist es nach wie vor so, dass ein eventuelles Risiko durch Schadstoffe in der Muttermilch durch die nachgewiesenen Vorteile des Stillens mehr als aufgewogen wird. Zu dieser Thematik gibt es etliche Veröffentlichungen, die z.B. über eine Pubmed-Recherche schnell gefunden sind. Die Aussage, dass zurzeit wieder nur vier bis sechs Monate stillen empfohlen wird, ist einerseits richtig und andererseits falsch. Es stimmt, dass es in der letzten Zeit Bestrebungen gab, an der sechs Monatsgrenze zu rütteln, es wurde sogar das Gerücht in die Welt gesetzt, dass selbst die WHO ihre Empfehlungen verändern würde. Doch letztlich sind die Empfehlungen nicht geändert worden und schon gar nicht wegen einer eventuellen Schadstoffbelastung. Diese Aussagen, dass nur mehr vier bis sechs Monate stillen empfohlen würde und dass die Beikosteinführung vorgezogen werden sollte, hat dazu geführt, dass die Stillorganisationen in Deutschland eine gemeinsame Erklärung abgegeben haben. Diese kannst Du z.B. hier nachlesen http://www.stillen.org/deutsch/docs/stellungnahme_optimaler-zeitpunkt-beikosteinfuehrung.pdf Da wir als Reaktion auf diese Erklärung erneut mit der Aussage konfrontiert wurden, die WHO-Empfehlungen wären in Änderung begriffen, haben wir bei der WHO nachgefragt und am 14. April 2009 folgende Antwort von Randa Jarudi Saadeh von der Abteilung Nutrition and Health Development der WHO erhalten: "Die WHO hat ihre Empfehlungen zur Dauer der Zeit des ausschließlichen Stillens nicht verändert. Es wäre interessant zu wissen, welche Quelle es für diese (anderlautende) Information gibt, da ich bereits mehrere Anfragen dieser Art erhalten habe und nicht sicher bin, welche Gründe es dafür gibt und was dahinter steckt." (WHO has not changed its infant feeding recommendations concerning the duration of exclusive breastfeeding. It will be interesting to know the source of this information as I have had other queries of this sort and I am not sure the reasoning for this and what is behind it.) Ich hoffe, ich konnte dich beruhigen! LLLiebe Grüße, Biggi


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