Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Reicht Muttermilch noch?

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Reicht Muttermilch noch?

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Hallo, Seit einer Woche habe ich angefangen unserer heute 6 Monate alten Tochter mittags Beikost (Karotten) zu geben. Alle anderen Mahlzeiten wird sie nach Bedarf gestillt. Abens stille ich sie zwischen 20 und 21 Uhr, dann geht sie zwischen 21 und 22 Uhr schlafen. Um 24 Uhr, wenn ich ins Bett gehe stille ich meine Tochter nochmals. Bisher hat sie dann mindestens 4 Stunden, aber meist ca. 6 Stunden durchgeschlafen. Seit unserem Urlaub und der Einführung von Beikost, meldet sie sich schon nach 2,5 bzw. 3 Stunden wieder (also gegen 3 Uhr) und auch dann wieder nach 2,5 bis 3 Stunden gegen 6 Uhr. Nach dem Aufstehen hat sie es dann mit dem Trinken nich so eilig, da meldet sie sich oft erst gegen 11 Uhr. Hat die Kleine nachts wirklich soviel Hunger? Reicht meine Muttermilch hier nicht mehr? Ist es sinnvoll, die 24 Uhr Mahlzeit vielleicht durch Folgemilch aus der Flasche zu ersetzen, oder ihr abends einen Brei zu geben? Mein Ziel ist es, dass die Kleine nach 24 Uhr die längste Schlafphase hat. Ich hoffe, sie haben Tips für mich.Danke!


Biggi Welter

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Liebe Jojo, Karotten gerade mal 22 kcal pro 100 g, im Gegensatz zu Muttermilch mit fast 70 kcal pro 100g. Das bedeutet, dass Sie mit der Beikost eine Nahrung mit niedrigerem Kalorienwert einführen und dadurch die hochkalorische Nahrung (Muttermilch) ersetzen, was eher zu einer Verlangsamung der Gewichtszunahme, denn zu einer Steigerung der Zunahme führen wird. Aber selbst wenn Sie andere Kost geben würden, würde Ihr Baby wahrscheinlich auch aufwachen. Es ist ein normaler entwicklungsphysiologischer Verlauf, dass Babys ab dem Alter von vier bis sechs Monaten nachts (wieder) vermehrt aufwachen. Dieses Aufwachen liegt nicht an der Ernährung des Kindes, sondern ist entwicklungsbedingt. Deshalb ist die Einführung von fester Nahrung oder künstlicher Säuglingsnahrung oder eben das Abstillen auch keine Garantie für angenehmere Nächte. Die Kinder beginnen die Welt sehr konkret zu erleben, sie müssen das am Tag Erlebte in der Nacht verarbeiten, sie lernen neue Fähigkeiten (umdrehen, robben, krabbeln, gezieltes Greifen ...), sie beginnen den Unterschied zwischen fremd und bekannt zu erkennen. All dies ist ungeheuer aufregend und auch anstrengend. Dazu kommt, dass sich die Zähne verstärkt bemerkbar machen, dass vielleicht die erste Erkältung kommt und, und, und ... Der scheinbare Rückschritt im Schlafverhalten ist eigentlich ein Fortschritt, denn er zeigt, dass die Entwicklung des Kindes voranschreitet. Abgesehen von den umstrittenen Schlaftrainingsprogrammen, die von Stillexperten nahezu einhellig abgelehnt werden, bleibt in dieser Zeit nicht viel, als geduldig zu bleiben und sich die Tage und Nächte so einfach wie möglich zu gestalten. Der immer wieder verbreitete Gedanke, dass ein Baby ab sechs Monaten (oder einer anderen Altersgrenze) nachts nicht mehr aufwachen darf und nachts keine Nahrung mehr braucht entspringt in keinster Weise dem natürlichen Verhalten und den Bedürfnissen eines Babys oder Kleinkindes, sondern er entstammt dem (verständlichen) Wunsch der Erwachsenen, die gerne ihre Nachtruhe hätten. Eine Studie von Jelliffe und Jelliffe ergab, dass Babys im Alter von 10 Monaten mindestens 25 % ihrer Muttermilchaufnahme nachts zu sich nehmen. Das spricht eindeutig dafür, dass Babys auch nach den ersten sechs Monaten nachts noch hungrig sind. Es gibt Kinder, die nachts keine Nahrung mehr brauchen, aber es gibt eben auch sehr viele Kinder, die mit einem halben Jahr noch nicht so weit sind. So wie manche Kinder bereits mit elf Monaten laufen und andere damit erst mit 16 Monaten beginnen, so entwickeln sich auch alle anderen Dinge bei jedem Kind individuell verschieden und diese Entwicklung lässt sich begleiten, aber nicht beschleunigen. Es gibt kein Patentrezept, um ein Kind zu längeren Schlafphasen zu bringen. Hätte ich eines, das das Kind achtet, würde ich ein Buch darüber schreiben und damit einen Bestseller landen, an dem sich gut verdienen ließe. Wenn Sie gerne lesen und ein Buch lesen möchten, das sich mit dem Thema Schlaf auseinandersetzt und dessen Autor beim Thema Schlaf auch Achtung vor dem Baby zeigt und dessen Bedürfnisse ernst nimmt, kann ich Ihnen wärmstens `Schlafen und Wachen ein Elternbuch für KindernächteA von Dr. William Sears empfehlen, das Sie im Buchhandel, bei der La Leche Liga und jeder LLL Stillberaterin bekommen können. LLLiebe Grüße Biggi Welter


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