Mit 22 Monaten großes Stillbedürfnis - wie damit umgehen

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Mit 22 Monaten großes Stillbedürfnis - wie damit umgehen

Liebe Stilberaterinnen :-) unser Sohn wird nun bald zwei Jahre alt. Ich stille gerne und bin der Überzeugung, dass es ganz natürlich ist ein Kind (wenn es das einfordert) auch über das erste Lebensjahr hinaus zu stillen. Seit ca. einem halben Jahr merke ich aber, dass es mir unangenehm ist, ihn in der Öffentlichkeit zu stillen. Ich stille ihn daher nur noch zu Hause bzw. in geschütztem Rahmen (z.B. im Elternzimmer in der Kita, im Garten, bei Freunden). Früher habe ich ihn auch im Café etc. gestillt. Meinem Sohn fällt es schwer das zu akzeptieren, ich schaffe es aber meistens ganz gut ihn abzulenken, es gibt aber oft auch Tränen und Verzweiflung bei ihm. Selten knicke ich dann ein und stille ihn doch. Er isst leider schon immer sehr wenig. Seitdem er ein halbes Jahr alt ist haben wir ihm Essen angeboten, Brei hat er immer verschmäht. Jetzt isst er vieles gerne, aber i.d.R. nur sehr kleine Mengen. Selten will er dann am Essenstisch lieber Muttermilch trinken. Ich bin seit einiger Zeit ziemlich ambivalent innerlich, einerseits möchte ich, dass er lernt sich satt zu essen, unabhängiger wird von der Muttermilch und seltener trinkt. Andererseits denke ich auch, dass er schon weiß, dass die MuMi noch gut für ihn ist und möchte sie ihm daher nicht verbieten. Hinzu kommt, dass ich auch von außen schon mehrmals vermittelt bekommen habe, dass es nicht "normal" sei, ein Kind in dem Alter noch zu stillen und neben ihm zu schlafen. Mein Freund hat auch schon angemerkt, dass er dafür wäre unseren Sohn abzustillen, da dieser auch nachts sehr abhängig davon ist, an der Brust beruhigt zu werden. Eigentlich kann er gut auch ohne Muttermilch wieder einschlafen, aber in den letzten Wochen ist er voll darauf fokussiert und schreit verzweifelt, wenn ich ihm sage, dass er doch gerade erst getrunken hat. Ich glaube er spürt meine Ambivalenz und klammert sich daher noch mehr an das Stillen, kann das sein? Auch weil ich nicht so konsequent bin, wie ich es wahrscheinlich sein müsste. Hinzu kommt noch, dass meine Brustwarzen ziemlich empfindlich sind und sie phasenweise beim Stillen weh tun. Er musste also schon lernen, dass ich manchmal sage: nein, meine Brüste brauchen eine Pause. In der Nacht stille ich zur Zeit ca. zwei - sechs Mal. Tagsüber innerhalb der Woche ca. drei Mal, am Wochenende öfter. Er geht Mo-Fr. in die Kita (ca. von 9-15:30, sehr selten holen wir ihn erst um 16:15 Uhr ab, wenn wir beide aufgrund der Arbeit nicht früher können). Nachdem die Eingewöhnung recht lange gedauert hat, liebt er nun die Kita und freut sich jeden morgen schon darauf. Ich merke aber, dass es ihm zu viel ist, wenn er länger als gewöhnlich dort ist. Wenn ich ihn abhole, will er meist noch dort gestillt werden. Das ist also die Situation, ich habe das Gefühl mein Sohn braucht eine klare Linie? Vielen Dank und liebe Grüße!

von spring36 am 20.08.2018, 12:30



Antwort auf: Mit 22 Monaten großes Stillbedürfnis - wie damit umgehen

Liebe spring36, Stillen ist eine Zweierbeziehung und wenn es dazu kommt, dass sich ein Partner dabei nicht wohl fühlt, dann müssen Lösungswege gefunden werden. Das Wichtigste überhaupt ist allerdings, dass Du fest zu deinem Entschluss stehst. Solange hier noch der geringste Zweifel besteht, wird dein Kind diese Zweifel spüren und Du wirst weiterhin „schwach" werden. Für viele von uns ist es sehr ungewohnt zu sehen, wie begeistert und mit wie viel Freude ein Kleinkind stillt. Dein Kleiner verhält sich gar nicht so "brustversessen" wie Du glaubst, viele langzeitgestillte Kinder zeigen sehr deutlich wie viel ihnen das Stillen bedeutet. Wird es dem Kind überlassen, wann es sich selbst abstillt, dann stillen sich die meisten Kinder irgendwann zwischen dem zweiten und dem vierten Geburtstag ab. Ein Abstillen deutlich vor dem zweiten Geburtstag auf Initiative des Kindes hin ist eher unwahrscheinlich. All diese theoretischen Überlegungen helfen dir jedoch nicht weiter, denn Du fühlst dich in der derzeitigen Situation unwohl. Wenn sich in einer Stillbeziehung ein Partner nicht mehr wohl fühlt, dann ist es an der Zeit zu überlegen, was geändert werden kann. Sicher ist ein knapp zweijähriges Kind noch nicht in der Lage alles Gesprochene bis ins letzte Detail zu verstehen, doch ich denke, dass der erste Schritt für dich sein sollte, dass Du mit deinem Kind darüber sprichst, wie es dir geht und was Du nicht mehr möchtest. Dann könnt ihr als Eltern eine Art Plan machen, wie ihr vorgehen wollt, um das Stillen etwas einzuschränken. Stillen nach Bedarf ist bei einem Kind über einem Jahr nicht mehr ein so eng gefasster Begriff wie bei einem kleinen Baby und liebevoller Konsequenz lassen sich auch bei einem Kind in diesem Alter in einem gewissen Rahmen Regeln aufstellen. Selbstverständlich wird sich nicht von heute auf morgen eine plötzliche Änderung ergeben, das geschieht in kleinen Schritten und selbstverständlich wirst Du mit Rückschritten rechnen müssen, doch mit viel Liebe und Beharrlichkeit, kannst Du einen Weg finden. Wenn Du nicht mehr ständig stillen möchtest, wird es am besten sein, wenn du schrittweise vorgehst, z.B. in dem du zunächst eine gewisse stillfreie Zeit in der Nacht einführst. Dazu kannst du wie folgt vorgehen: Erkläre deinem Kind schon bei Tag, was sich in der Nacht ändern wird, und versuche, Signale zu definieren, die es wieder erkennen kann (z.B. "erst wenn der Radiowecker angeht, dann darfst Du trinken") und die sich eventuell anpassen lassen (den Radiowecker kann man etwa jeden 2. Tag eine viertel Stunde nach hinten programmieren, so dass die Pause immer länger wird). So wird die Nacht allmählich stillfrei. Wenn sich dein Kind dann in der Nacht beschwert, dass es nicht trinken darf (und das kann es natürlich nur durch weinen oder schreien), dann tröste es und sprich liebevoll-beruhigend mit ihm, und gestehe es ihm auch wirklich zu, sauer zu sein, aber bleib konsequent beim "Nein", bis der vereinbarte Zeitpunkt (z.B. der Radiowecker geht an) für das Stillen gekommen ist. Dann jedoch solltest Du auch von dir aus deinem Kind die Brust anbieten - so lernt es, dass es sich auf dein Wort verlassen kann. Natürlich kannst Du ihm während der Nacht einen Schluck Wasser oder auch einen Schnuller anbieten, doch sei nicht allzu überrascht, wenn das anfangs mit Wut abgewiesen wird. Dein Kleiner wird vermutlich schreien, toben, treten oder dich gar schlagen wollen. Ist das schlimm? Nein, es ist völlig normal, denn es ist die einzige Art, wie er in diesem zarten Alter seinen Frust ausdrücken kann. Wie kannst du damit umgehen? Lass es zu. Lass dich nicht verunsichern, denn es geht deinem Kind ja trotzdem gut, es bekommt kein Trauma fürs Leben, wird nicht an deiner Liebe zweifeln. Dein Baby ist sauer, und das wird auch wieder vergehen. Bleibe bei ihm und sei du ruhig und klar, so dass dein Kleiner sich an dir orientieren kann. Vielleicht wirst du ihn ein wenig ablenken wollen (falls er sich ablenken lässt), vielleicht bleibst du auch einfach nur in seiner Nähe und versicherst ihm, dass alles ok ist. Ehrlicherweise muss ich dazu sagen, dass die ersten Nächte zwangsläufig sehr unruhig sein werden. Doch in der Regel akzeptieren Kinder relativ schnell die neuen "Spielregeln", und je älter sie sind, desto einfacher. Nur wenn sich dein Kind über mehrere Tage hinweg gegen diese stillfreie Zeit sperrt, oder gar tagsüber extrem anhänglich bzw. weinerlich wird, oder gar eine Hautreaktion zeigt, dann weißt du, dass es noch zu früh ist und du vielleicht einfach noch ein paar Wochen warten und durchhalten solltest. Dieser Vorschlag stammt von Elizabeth Pantley, Autorin des Buchs "Schlafen statt Schreien: Das liebevolle Einschlafbuch: Das 10-Schritte-Progamm für ruhige Nächte", das nun auf Deutsch erschienen ist und das ich wärmstens empfehlen kann. Pantley hat ein Programm entwickelt, mit dem man älteren Babys, auch Stillkinder, dabei helfen kann, auch ohne Brust oder ständiges Stillen die Nacht zu schaffen. Auch wenn man nicht alle ihre Schritte anwendet haben viele Mütter doch gute Erfahrungen mit diesem Buch gemacht. Ich hoffe, die Antwort hilft dir weiter. LLLiebe Grüße, Biggi

von Biggi Welter am 20.08.2018