Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Ist das normal??

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Ist das normal??

Mitglied inaktiv

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Mein kleiner Mann (4 Wochen) will seit Freitag ununterbrochen an die Brust. Ich bin nicht mal sicher ob er hunger oder durst hat, denn er will jede Stunde bzw. am liebsten die ganze Zeit. Meine Hebamme meinte zwar das kann schon mal sein, aber er will ja nur an die Brust. Wenn ich mit ihm spazieren gehe, will er auch an die Brust und schreit in seinem Wagen bis wir heimgehen und ich ihm die Brust gebe. Einen Nuckel nimmt er nicht, da bekommt er einen würgereiz. Wasser mit traubenzucker oder Tee trinkt er zwar, aber dann kann er nicht mehr kackern... Bzw. er schreit dann weiter, wenn er die Flasche ausgetrunken hat... was kann ich tun. Bzw. muss ich mir gedanken machen, dass was nicht stimmt. Danke für den Rat...


Biggi Welter

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Liebe junge Mutter, Ihr Kind ist ein noch ganz junges Baby und sein Verhalten entspricht schon fast "lehrbuchmäßig" dem eines wenige Tage oder Wochen alten Babys, das eben nicht zehn bis 15 Minuten an der Brust trinkt und danach zufrieden einschläft (Baby, die sich so verhalten, sind so schwierig zu finden, wie eine Nadel im Heuhaufen). Babys haben ein über das reine Ernährungssaugen hinausgehendes Saugbedürfnis und diesem "non nutritiven" Saugen kommt eine sehr große Bedeutung zu. Nun werden viele Menschen sagen: "Dafür gibt es ja einen Schnuller". Doch das ist eine sehr zweifelhafte Antwort. Der Schnuller ist eine Brustattrappe und von der Natur ist vorgesehen, dass das non nutritive Saugen an der Brust stattfindet. Wird der Schnuller eingesetzt, kann es nicht nur zu Saugproblemen kommen, er kann auch dazu führen, dass das Kind zu wenig Zeit an der Brust verbringt, so dass die Brust nicht ausreichend stimuliert wird und das Kind nicht die Milch bekommt, die es braucht. Der Gebrauch des Schnullers ist sehr kritisch zu sehen. Die anderen Nebeneffekte, wie häufiges Aufstehen der Mutter, weil das Kind den Schnuller verliert, sind natürlich auch nicht gerade angenehm. Sie können sich und Ihrem Baby das Leben sehr viel einfacher machen, wenn Sie sich auf Ihr Kind einlassen. Die oben erklärten Zusammenhänge machen es Ihnen möglicherweise einfacher, dem Bedürfnis des Kindes entgegenzukommen, zumal es erwiesen ist, dass es sich langfristig auszahlt, diese Bedürfnisse jetzt zu stillen. So kleine Babys wollen im Schnitt zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Im Schnitt heißt, es gibt Babys die seltener nach der Brust verlangen (eher wenige Babys) und es gibt Babys, die häufiger an die Brust wollen (die Mehrzahl). Nun ist es jedoch nicht so, dass ein Kind zügig zwanzig Minuten trinkt und sich dann nach drei Stunden das nächste Mal rührt, sondern es kommt immer wieder zu Stillepisoden, die so ablaufen: das Kind trinkt eine kurze Weile, hört auf, döst vielleicht sogar weg und beginnt erneut kurz zu trinken usw. Dieses Verhalten heißt Clusterfeeding und ist absolut normal für kleine Babys (und keinesfalls ein Einschlafproblem). Besonders gehäuft treten diese Stillepisoden am Nachmittag und Abend auf, wie überhaupt die Abstände zwischen den Stillzeiten im Verlauf des Tages immer kürzer werden. Dazu kommt, dass in bestimmten Alterstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen. Ein Wachstumsschub ist mit etwa sechs Wochen zu erwarten. Das Dauerstillen kann sehr anstrengend und auch nervend sein, aber es hat seinen Sinn. Rein wissenschaftlich gesehen ist es so, dass das Baby durch den Stillmarathon die Prolaktinausschüttung anregt und so dafür sorgt, das die Milchbildung angeregt wird und genügend Milch für das Kind zur Verfügung steht. Wird in dieser Situation zugefüttert, so wird in das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage eingegriffen und das kann der Beginn des unfreiwilligen, vorzeitigen Abstillens sein. Ein voll gestilltes Kind braucht keinen Tee oder Zuckerwasser (und wenn es welchen bekommt, dann ist es nicht mehr voll gestillt). Die Gabe von Tee ist nicht nur überflüssig, sie kann sogar schädlich sein. Durch den Tee bekommt das Baby kalorienarme Flüssigkeit in seinen Magen, die ihm vorübergehend ein Sättigungsgefühl vorgaukelt und die Zeit, die es an der Brust verbringt reduziert. Dadurch kann es passieren, dass die Brust nicht ausreichend stimuliert wird, die Milchmenge abnimmt und es im schlimmsten Fall sogar zu einer Gedeihstörung kommt. Außerdem kann der Sauger der Teeflasche ebenso wie jeder andere künstliche Sauger zu einer Saugverwirrung führen. Selbst bei heißen Temperaturen genügt Muttermilch vollkommen, auch um den Durst zu löschen. Außerdem lässt sich nicht mehr anhand der Windeln beurteilen, ob ein Baby genügend Muttermilch erhält, wenn das Baby zusätzlich Tee, Wasser, Saft o.ä. erhält. Die Gabe von Tee hat also keinerlei Vorteile, aber viele Nachteile und ganz abgesehen davon sollten Kräutertees immer wie ein Medikament betrachtet werden, denn sie haben nicht nur eine Wirkung, sie können auch unerwünschte Nebenwirkungen haben. Ich kann Ihnen nur dringend empfehlen, einmal ein Stillgruppentreffen zu besuchen oder zumindest einmal mit einer Stillberaterin in ihrer Nähe ein direktes Gespräch (auch am Telefon) zu führen. Viele Unsicherheiten lassen sich im direkten Gespräch sehr viel besser ausräumen und der Austausch mit anderen stillenden Müttern kann sehr ermutigend sein und vor allem werden Sie sehen und erleben, dass sich andere Babys genau so verhalten wie Ihr kleines Menschlein. Wenn Sie mir Ihren Wohnort mit Postleitzahl angeben, suche ich Ihnen gerne die nächstgelegene LLL Stillberaterin heraus. LLLiebe Grüße Biggi Welter


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