In 4 Wochen Geburtstermin und das erste Kind stillt noch...

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: In 4 Wochen Geburtstermin und das erste Kind stillt noch...

Hallo Biggi, das Posting liegt mir schon seit Wochen auf der Zunge. Vielleicht gibt es ja auch andere Mütter hier, die in der gleichen Situation waren oder sind - würde mich auch für deren Erfahrungen interessieren. Meine Tochter ist vor zwei Monaten 2 geworden und stillt immer noch. Ich bin jetzt in der 36. Schwangerschaftswoche. Geschmacksveränderung und Milchrückgang hat sie wohl bemerkt, aber dies war nie ein Grund zur Beschwerde ihrerseits. In den ersten drei Monaten und auch jetzt wieder zum Ende zu bin ich leider generell etwas ungeduldiger mit ihr, eben auch was das Stillen angeht (obwohl es nicht direkt wehtut). Ich denke mal das liegt daran, daß ich mich auch nicht so fit wie sonst fühle und hoffe die Ungeduld bleibt nicht so. Auf jeden Fall stillt sie jedes Mal vor dem Einschlafen und auch mal zwischendurch. Das ist alles soweit kein Problem, was mich nur etwas in Hinblick auf unser neues Baby beängstigt, ist, daß sie nachts sehr viel Zuwendung braucht. Sie schreckt oft panisch aus dem Schlaf (Angst?) auf und verlangt dann mindestens Kuscheln, oft auch vehement, gestillt zu werden. Wir haben auch schon versucht, daß mein Mann sie ins Bett bringt und haben gehofft, daß sie ihn dann nachts auch besser akzeptiert. Wenn ich aber in der Wohnung bin, will sie unbedingt von mir ins Bett gebracht werden. Ich habe jetzt große Angst davor, daß ich nachts mit Baby und Sannah kaum noch Schlaf finde. Wie reagieren größere Stillkinder auf das Baby so im Allgemeinen (sie weiß schon, daß es auch gestillt werden wird)? Worauf muß ich mich einstellen? Ich vermute, sie werden meist regressiv und nur noch stillen, oder? Vor allem interessiert mich auch, wie man am besten Eifersucht beim größeren Kind vermeidet oder verringert, ohne das Kleine zu vernachlässigen. Wie ist es eigentlich am Anfang, wenn nur Kolostrum da ist, kann das große dem kleinen Kind dann etwas wegtrinken? Ist das Kolostrum auch so schnell wie Muttermilch nachgebildet? Kann man eigentlich auch zu viert im Bett, inclusive 2 Stillkindern noch zu Schlaf kommen? Fragen über Fragen...Ich hoffe sehr auf ein paar praktische Anregungen. Vielen Dank schon im voraus Julia mit Sannah (5/2000) und 36.SSW

Mitglied inaktiv - 02.07.2002, 11:46



Antwort auf: In 4 Wochen Geburtstermin und das erste Kind stillt noch...

? Liebe Julia, das Gefühl, dass frau jetzt am liebsten aufspringen möchte und nicht mehr stillen, kennen viele Mütter von älteren Stillkindern, vor allem, wenn sie wieder schwanger sind. Doch auch ohne zu stillen gibt es in der Schwangerschaft immer wieder Phasen, der besonderen Unruhe oder der Gereiztheit. Das bleibt jedoch üblicherweise nach der Geburt nicht so. Vielleicht findest Du in den nächsten Tagen einmal ein paar ruhige Minuten, in denen Du für dich überlegen kannst, ob Du Tandemstillen willst oder nicht. Auch die Entscheidung, dass Du es mit dem Tandemstillen erst einmal versuchen willst und dann aus der aktuellen Situation nach der Geburt heraus entscheidest ist vollkommen ok. Wichtig ist nur, dass Du dir einmal Zeit nimmst, um dein Gefühlschaos etwas zu ordnen. Du musst nicht aufhören zu stillen, es sei denn DU willst es so. Es ist nicht so, dass nur eine begrenzte Menge Kolostrum vorhanden wäre und deshalb das ältere Kinder vorübergehend eine Stillpause einlegen müsste. Ich kenne Frauen, die sogar noch zu Beginn der Geburt das ältere Kind gestillt haben und unmittelbar nach der Geburt des Babys beide Kinder gleichzeitig angelegt haben. Die Zusammensetzung der Muttermilch richtet sich immer nach dem jüngsten Kind, das heißt bis zur Geburt wird wieder Kolostrum gebildet. Der Milcheinschuss und die Umwandlung des Kolostrums in reife Muttermilch wird genau so verlaufen wie nach jeder Geburt. Allerdings wirst Du vermutlich von Anfang an mehr Milch haben, da ja das „Große" die Milchbildung mit anregt und der Milcheinschuss muss nicht mit prallen, gespannten Brüsten verlaufen, wie das oftmals der Fall ist, sondern kann eher schleichend sein. Bei Bedarf, wenn das Baby die Brust nicht ausreichend leeren kann, kann dann das größere Kind durchaus einspringen und auch etwas abtrinken. Wenn das größere Kind nur noch gelegentlich trinkt, muss nichts besonderes beachtet werde. Trinkt das größere Kind allerdings noch recht häufig (oder will es nach der Geburt plötzlich wieder deutlich häufiger trinken), dann empfiehlt es sich, dem Baby den Vorrang einräumen und es zuerst anlegen. Es ist aber auch möglich beide Kinder gleichzeitig anzulegen. Die Milchmenge wird sich auf den Bedarf der beiden Kinder einstellen. Im Normalfall müssen keine besonderen Regeln wegen der Hygiene eingehalten werden. Außer bei einer Soorinfektion oder wirklich hochinfektiösen Erkrankungen, genügt die normale Körperhygiene und die Kinder können auch wechselseitig an beiden Brüsten gestillt werden. Kolostrum wirkt abführend. Deshalb kann es vorkommen, dass das ältere Kind - vor allem, wenn es noch recht viel stillt - einen etwas loseren Stuhl bekommen kann. Auch zu viert im Familienbett und mit zwei Stillkindern unterschiedlichen Alters kommt man (und frau) zu Schlaf. Das können dir unzählige Eltern (unsere Familie mit eingeschlossen) bestätigen. Nach meiner Erfahrung sind die älteren Stillkinder nicht eifersüchtiger als nicht gestillte Kinder, wenn ein neues Baby kommt. Für die „Großen" ist das neue Baby ein absoluter Eindringling, der Mama vollkommen in Beschlag nimmt, unabhängig davon, ob es gestillt wird oder nicht. Also wird oft alles versucht, um die Aufmerksamkeit der Mutter zu bekommen und sie von diesem neuen Baby wegzubringen. Häufig richtet sich das auffällige Verhalten des größeren Kindes auch gegen die Mutter oder den Vater und dem Baby gegenüber ist das größere Geschwisterkind sogar ganz liebevoll und rührend besorgt. Aus meiner Erfahrung (ich habe ja auch drei Kinder) sind die folgenden Tipps hilfreich: • dem älteren Kind eine Babypuppe schenken, (oder sie ihr von dem Baby schenken lassen), die es ebenfalls versorgen und stillen kann. Außerdem kann das ältere Kind in die Versorgung des Babys miteinbezogen werden (es kann die Windeln reichen, den Po eincremen ...). Entscheidend ist, dass sie sich wichtig fühlt und weniger zurückgesetzt durch das Baby. • dem älteren Kind erlauben wieder klein zu sein, eben auch ein Baby, und es, wenn das Baby schläft, ein bisschen herumtragen, mit ihm ausgiebig kuscheln usw. Der oft geäußerte Spruch „Du bist jetzt schon so groß" führt bei manchen Kindern gerade zum Gegenteil dessen, was man erreichen wollte, denn „groß sein" bedeutet nach Auffassung des Kindes, dass es jetzt nicht mehr so wichtig ist. (Ich weiß, dass dies objektiv nicht so ist, aber das Kind kann es so empfinden). Wenn das Kind es mag und die Mutter kein Problem damit hat, spricht nichts dagegen, dass das größere Kind auch wieder einmal versucht an der Brust zu trinken. • ein Tragetuch verwenden. Mit dem Baby im Tuch, ist mindestens eine Hand frei für das ältere Kind (bei einem korrekt gebundenen Tuch). So kann die Mutter sich mit dem älteren Kind beschäftigen und gleichzeitig auf das Bedürfnis des Babys nach Nähe und Körperkontakt eingehen. Das Baby ist mit dabei, schläft wahrscheinlich sogar recht gut und es wird Freiraum für das Große gewonnen. Viele Mütter machen die Stillzeit mit dem Baby zu einer gemütlichen Kuschel- und Lesestunde für das größere Kind. Mit etwas Übung kann das Baby beim Stillen mit einem Arm gehalten werden und in den anderen Arm kann sich das größere Kind mit einem Bilderbuch o.ä. kuscheln. Das ältere Kind kann das Buch so halten, dass die Mutter darin lesen kann oder mit ihm die Bilder anschauen und außerdem bekommt es die wichtige Aufgabe, die Seiten umzublättern. Eine andere Möglichkeit die Stillzeiten für das große Kind zu etwas besonderem zu machen ist eine „Stillkiste" (der Begriff stammt von einer meiner Gruppenmütter). In dieser Kiste sind besondere Dinge (z.B. ganz spezielle Stifte und glänzende Papierbögen, bunte Perlen, die zu Ketten aufgereiht werden können, ein Spielzeugauto - je nachdem, was für das Kind besonders attraktiv sein kann), die nur zu den Stillzeiten benutzt werden dürfen. Fang vielleicht jetzt an, dein Großes darauf vorzubereiten, dass bald ein Geschwisterchen kommt. Mir persönlich gefällt das Buch „Ich will auch Geschwister haben" von Astrid Lindgren für diesen Zweck sehr gut. Ein Buch, das sich vor allem auch mit dem Thema Stillen beschäftigt und mit liebevoll gezeichneten Bilder aus der Sicht des größeren Bruders vom Auf die Welt kommen, dem Stillen und Tragen erzählt ist „Busi sagte Henriette" von Edith Seitz. „Busi sagt Henriette bekommst Du im Buchhandel (Edition buntehunde, ISBN 3-934941-03-6) oder auch über den Stillshop hier auf der Seite. Mach dir nicht zu viele Gedanken und vertrau deinem Gefühl. Eine schöne restliche Schwangerschaft und eine gute Geburt. LLLiebe Grüße Biggi

von Biggi Welter am 03.07.2002