Frage: Hilfe!! Stille ich sie zu oft?

Hallo Frau Welter, Meine Tochter ist jetzt 3,5 Monate alt und wiegt 7200gr. Bei der Geburt war sie 3600 gr. Sie hat Ihr Geburtsgewicht mit 3,5 Monaten verdoppelt. Jetzt mache ich mir Sorgen, wiel sie zu dick ist. Ich stille sie voll. Sie trinkt immer noch alle 2 Stunden auch nachts. Aber sie trinkt nur von einer Brust, ungefähr 5-6 min. Weil sie nur von einer Brust und ziemlich kurz trinkt, habe ich bis jetzt gedacht, alle 2 Stunden wären ok. Aber sie nimmt viel zu. Wenn sie weint und mit Herumtragen sich nicht beruhigen lässt, denke ich sie habe Hunger (natürlich wenn sie keine Blähungen oder volle pampers hat) und stille ich sie. Sie lehnt es auch nicht ab. Meine Frage: kann es sein, dass ich ihre Bedürfnisse falsch einschätze und ihr zu oft Brust anbiete? Habe ich vielleicht damit ihr Hungergefühl zerstört? Es ist auch bei Erwachsenen so, wenn man viel isst, wird der Magen mit der Zeit grösser und will man immer mehr essen und wird dick. Ich habe Angst etwas falsches zu machen. Ich habe einen 2,5 jährigen Sohn. ich habe ihn 10 monate gestillt. Ein solches Problem habe ich bei ihm nicht erlebt. Aber damals hatte meine Nachsorge Hebamme gesagt, dass ich alle 3-4 Stunden ( auf keinen Fall öfters) stillen muss, damit er hunger hat und richtig trink. Jetzt weiss ich nicht mehr, welche Methode richtig ist. Soll ich vielleicht jetzt versuchen, die Stillabstände bisschen länger zu halten. wenn ja, wie? Bitte helfen Sie mir. Ich bin jetzt so verzweifelt. Können Sie mir vielleicht eine Stillberaterin empfehlen? meine PLZ ist 60326. Vielen herzlichen Dank für Ihre Antwort

Mitglied inaktiv - 12.07.2007, 15:54



Antwort auf: Hilfe!! Stille ich sie zu oft?

Liebe Cemsel, Sie machen NICHTS falsch. Babys gibt es in verschiedenen Größen und die Bandbreite ist da sehr groß. Wie ein Kind als Baby aussieht, sagt auch nichts darüber aus, wie es später als Erwachsener aussehen wird. Die Statur der Kinder ist genetisch festgelegt und bei einem Kind das nach Bedarf gestillt wird, ist nicht zu befürchten, dass dadurch der Grundstein für ein späteres Problem mit Übergewicht gelegt wird. Im Gegenteil, Stillen schützt vor Übergewicht. Das heißt jedoch nicht, dass nicht auch ein gestilltes Baby zwischendurch wie ein kleiner Buddha aussehen kann. Im Gegensatz zur (industriell) stark weiterverarbeiteten Nahrung enthält Muttermilch keine leeren Kalorien. Es gibt keinen Beweis dafür, dass ein gestilltes Kind, das rasch zunimmt, als Erwachsener Gewichtsprobleme haben wird. Im Gegenteil es gibt mehrere Untersuchungen, die zeigen, dass Stillen eindeutig vor Übergewicht schützt und dass dieser Schutz nicht nur im Kindesalter sondern auch beim Erwachsenen anhält. Das Fett, das sich in der relativ passiven Phase vor dem Krabbelalter möglicherweise ansammelt, stellt einen Vorrat für die sehr aktive Phase dar, in der das quirlige Krabbelkind keine Zeit zum Essen haben will. Im Alter von ein bis zwei Jahren werden die Kinder, die schnell zugenommen haben, gewöhnlich von alleine schlanker. Gerade Kinder, die nach Bedarf gestillt werden, behalten ein gutes Gefühl dafür, wann sie satt sind, denn sie entscheiden ja selbst, wann und wie viel sie trinken. Also keine Sorge, durch das Stillen nach Bedarf wird sicher nicht den Grundstein für spätere Gewichtsprobleme gelegt. Eine Kollegin von mir hat einen Artikel zum Thema Mindestabstand veröffentlicht, den ich Ihnen hier anhänge. LLLiebe Grüße Biggi Woher kommt der Mythos vom "Mindestabstand" ? Von Denise Both, IBCLC "Sie dürfen nicht so oft anlegen, dann hat die Brust ja keine Zeit, sich wieder zu füllen." "Zwischen zwei Stillzeiten MUSS ein Abstand vom mindestens zwei Stunden liegen sonst bekommt das Kind Bauchschmerzen" "Frische Milch darf sich nicht mit bereits angedauter Milch vermischen, deshalb dürfen Babys frühesten nach zwei Stunden wieder angelegt werden" Wohl jede Stillberaterin ist schon mit diesen Aussagen konfrontiert worden. KinderärztInnen, Hebammen und auch wohlmeinende Mitmenschen kommen immer wieder damit. Ist ein Mindestabstand wirklich notwendig oder sinnvoll? Die Antwort auf diese Frage ist ein klares NEIN. Ein Baby sollte nach Bedarf gestillt werden. Alle Stillexperten sind sich einig, dass Stillen nach Bedarf für Mutter und Kind am Besten ist. So wird sichergestellt, dass das Baby die Nahrung, die es braucht, genau dann bekommt, wenn es sie braucht und sich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellen kann. Es ist nicht sinnvoll, den Abstand zwischen den Stillzeiten lange zu halten "damit sich mehr Milch ansammelt", denn die Brust funktioniert nicht wie eine Flasche, die wieder aufgefüllt werden muss. Der größte Teil der Milch wird während des Stillens gebildet. Ebenso ist es ein Ammenmärchen, dass ein Baby einen Mindestabstand zwischen zwei Stillzeiten einhalten müsse, um zu verhindern, dass frische Milch auf angedaute Milch kommt. Im Extremfall kann das "Hinhalten" des Babys zu Gedeihstörungen führen. Es gibt keinen Beweis, für die "Frische Milch auf halbverdaute Milch Theorie", die besagt, dass zwischen zwei Stillmahlzeiten ein Mindestabstand von zwei Stunden eingehalten werden müsste, weil das Baby sonst Bauchschmerzen bekäme. Doch woher kommt diese Meinung? Die Vorstellung, dass der Magen zwischen zwei Mahlzeiten vollständig geleert werden müsse, geht wahrscheinlich auf den Kinderarzt Prof. Adalbert Czerny (1863 - 1941) zurück, vor allem auf das, was er in seiner 1893 erschienen Veröffentlichung "Die Ernährung des Säuglings auf Grundlagen der physiologischen Funktionen des Magens" und seinem 1922 veröffentlichten Buch "Der Arzt als Erzieher des Kindes" geschrieben hat. Czerny hielt es einerseits für absolut notwendig feste Abstände zwischen den Stillmahlzeiten einzuhalten, damit sich zwischen den Mahlzeiten der Magen komplett entleert und sich die Magensäure (Salzsäure) ansammeln und antiseptisch wirken kann und andererseits maß er dem streng einzuhaltenden Stillrhythmus einen hohen erzieherischen Wert bei. Nach seinen Beobachtungen entwickelten sich mit künstlicher Säuglingsnahrung (zur damaligen Zeit überwiegend Kuhmilch) gefütterte Babys besser, wenn zwischen den Mahlzeiten ein Abstand von vier Stunden eingehalten wurde. Daraus schloss er, dass es auch für gestillte Kinder besser sei, einen Mindestabstand und festen Rhythmus einzuhalten. Nachdem er festgestellt hatte, dass Muttermilch nach eineinhalb bis zwei Stunden den Magen vollständig verlassen hatte und Kuhmilch nach drei Stunden, legte er die Abstände der Mahlzeiten für gestillte Kinder auf mindestens drei Stunden, für kuhmilchgefütterte Kinder auf mindestens vier Stunden fest. Es wurde - wie so oft - einfach eine Vorgehensweise, die für nicht gestillte Kinder sinnvoll sein konnte, auf gestillte Kinder übertragen und bis heute hält sich die Vorstellung von dem Mindestabstand in vielen Köpfen, zum Leidwesen vieler junger Mütter und ihrer Babys. LLLiebe Grüße Biggi Welter

von Biggi Welter am 12.07.2007