Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Erzieherin setzt Belohnung aus...

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Erzieherin setzt Belohnung aus...

Mitglied inaktiv

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Hallo! Nachdem mir eine Erzieherin vor einem guten halben Jahr schon einmal erklärt hat, das Stillen eines vierjährigen Kindes ginge nicht mehr, kam heute nun - für mich völlig unerwartet und "aus heiterem Himmel" - eine andere, eigentlich sehr nette Erzieherin auf mich zu, räusperte sich etwas, und legte dann los: sie hätte heute mit meinem Sohn (4 3/4 Jahre) gesprochen und ihm erklärt, dass er ja dieses Jahr schon in die "Vorschule" kommt, die großen kommen sogar in die richtige Schule, und deshalb müsse er bis zum Sommer aufhören zu stillen. Ich war wie vom Donner gerührt. Als Erklärung fügte sie dann hinzu, dass sie mal mitbekommen hätte, wie er von anderen Kindern wegen des Stillens gehänselt worden wäre. Ich weiß zwar nicht, wie das passiert sein kann, weil wir in der Kita ganz bewusst NICHT stillen, zum Glück war ich aber schlagfertig genug, zu entgegnen, dass dann doch aber eher bei den hänselnden Kindern einzugreifen wäre. Oder soll sich ein Kind, das wegen einem dicken Leberfleck im Gesicht gehänselt wird, das Muttermahl wegoperieren lassen? Oder wird dem Jungen, der gerne mit Puppen spielt, die Puppe weggenommen und ein Auto in die Hand gedrückt? Zu Hause hab ich mir meinen Zwerg dann in einer ruhigen Minute zur Seite genommen und das Thema mal angesprochen, dass die Erzieherin wohl vorgeschlagen hätte, wir sollten aufhören zu stillen. Da erzählt mir mein Kind, dass die Erzieherin ihm sogar eine Überraschung versprochen hätte, wenn er aufhört!!! Und diese Überraschung möchte er natürlich unbedingt haben, und jetzt hat er sich überlegt, dass wir ja aufhören können zu stillen, dann nimmt er die Überraschung, und dann fangen wir wieder an zu stillen. Eiskalte Kinderlogik, irgendwie schon fast niedlich, aber ich mach mir doch Sorgen, wie das auf ein Kind wirkt, wenn zu Hause gesagt (und vor allem auch seit Jahren ganz natürlich und selbstverständlich gelebt wird), dass das Stillen normal und schön ist, und dann erzählt ihm eine Erzieherin, dass das aufhören muss und er eine Überraschung bekommt, wenn er es sein lässt. Ich möchte auf jeden Fall nochmal mit der Erzieherin reden, aber ob ich sie zu einer anderen Sichtweise bewegen kann, bezweifle ich sehr. Vielmehr mache ich mir Gedanken, wie das auf unser Kind wirkt, wenn eine Erzieherin ihn da so konträr beeinflusst - nicht nur mit Worten, sondern sogar mit Lockmitteln! Haben Sie einen Rat für mich? Ganz vielen Dank im voraus und viele Grüße, Eva


Biggi Welter

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Liebe Eva, zunächst würde ich sehr bald auf ein Gespräch mit der Erzieherin drängen und sie über ihre Beweggründe zu so einem Verhalten befragen. Sie mag ihre eigene Meinung haben, aber sie darf sich nicht gegen ihren Willen in IHRE Erziehung einmischen und hätte auch zunächst einmal mit IHNEN reden müssen und nicht mit dem Kind. Zugegebenermaßen ist die Situation schwierig; vielleicht wäre es ja tatsächlich eine Lösung, der Kinderlogik zu folgen ;-). Entscheidend ist, wie sie und ihr Kind ihre persönliche Einstellung zum Stillen empfinden. Da das Stillen eines älteren Kindes in der Gesellschaft immer zu Befremden führen kann, sollten sie überlegen, inwieweit sie sich einer Konfrontation stellen möchten oder aber ihre Stillbeziehung als etwas Intimes - nur sie beide betreffendes - betrachten. Unabhängig davon, wie sich entscheiden, halte ich ein klärendes Gespräch mit der Erzieherin in jedem Fall für dringend erforderlich. Vielleicht mögen Sie mir ja über das Gespräch berichten; eventuell können auch andere Mütter hier in dem Forum von Ihren Erfahrungen profitieren. LLLiebe Grüße, Biggi


Mitglied inaktiv

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Liebe Biggi, ganz, ganz vielen Dank für Ihre Zeilen und die Bestärkung darin, dass ich zu meiner Einstellung im Gespräch mit der Erzieherin weiter stehen sollte und sie deutlich machen sollte. Das ließ sich heute auch nicht vermeiden, denn nachdem ich die Erzieherin selbst beim Bringen und Abholen nicht gesehen hab, wollte ich es eigentlich auf morgen oder übermorgen verschieben und das Thema nochmal ansprechen, wenn es sich irgendwie ergibt. Nun erzählte mir mein Sohn auf Nachfrage allerdings recht bedrückt, dass diese Erzieherin ihn heute wieder gedrängt hat und die Belohnung auch konkretisiert hat - sie würde ihm etwas von Wicki dem Wikinger kaufen, den er so liebt - vorausgesetzt, er hört mit dem "nippeln" auf. Ich war so fassungslos, dass ich die Frau sofort angerufen hab, und mir ihr gesprochen hab. Richtig überzeugt hab ich sie, glaube ich, nicht, aber ich habe deutlich gemacht, dass das Stillen für uns normal und selbstverständlich ist, dass wir es beide genießen und es mein fester Wunsch und Wille ist, dass Sebastian irgendwann einmal das Startsignal gibt, wenn er nicht mehr möchte. Sie meinte dann zwar, ok. sie wisse dann bescheid, erzählte aber im nächsten Moment gleich, dass er ja dann im Sommer auch alt genug zum Abstillen wäre und wenn wir dann aufhören würden, das wäre doch ein ganz großer Erfolg für unsere Familie... also fing ich wieder von vorne an, aber ob ich wirklich bei ihr "angekommen" bin, weiß ich nicht. Sie haben schon recht, man muss eine Konfrontation nicht heraufbeschwören, da ist ein dezentes Stillen zu Hause, wo es keiner mitbekommt, einfacher für alle Beteiligten. Eigentlich machen wir das auch so, ich hab versucht, dem Kind das so zu erklären, dass beim Stillen ja die Brust zu sehen ist, und die darf eben nicht jeder sehen, sondern nur ganz besondere Menschen, nämlich in erster Linie er und Papi. Und dann eben noch eine Freundin, die ihre knapp 7-jährige Tochter auch ganz selbstverständlich stillt und wo es dann kein Problem ist, beim Spielen auf dem Teppich mal rasch "anzudocken". Aber manchmal gibt es auch Momente, wo Sebastian nicht anders kann - wenn er sich furchtbar weh getan hat, oder wenn der Abschied in der Kita sehr schwer fällt, weil wir uns kurz vorher noch wegen irgendetwas gestritten haben. Dann verschwindet sein Kopf manchmal rasch unter meinem Pulli und auch, wenn ich dann erzähle bzw. für die Außenstehenden betone, dass Sebastian sich jetzt gerade versteckt, und ach wo ist er denn... - na ja, vielleicht denken sich manche dann doch ihren Teil. Wie ist denn Ihre Erfahrung, was das Stillen von älteren Kindern (unserer wird Ende Juli 5) angeht? Stillen sie sich irgendwann von jetzt auf gleich ab, oder wird es irgendwann immer weniger und "verläuft im Sande"? Wie gesagt - im Moment genießen wir es beide noch sehr, weil es ja auch mit Kuscheln und Nähe verbunden ist. Nochmal ganz, ganz vielen Dank für alles - es ist ja nicht das erste Mal, dass Sie mir mit Ihrem Rat sehr geholfen haben und wenn andere Mütter hier im Forum auch beruhigt und motiviert werden können, dann wäre ich darüber auch sehr froh! Das Stillen hat unserem Kind, aber auch uns allen in der Familie immer gut getan und es wäre so schön, wenn die Gesellschaft es einem nicht so schwer dabei machen würde! Liebe Grüße, Eva


Biggi Welter

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Liebe Eva, es ist schwierig und ich kennen viele Mütter, die Probleme mit ihrer Umwelt haben, wenn Sie so lange stillen. Schön, dass Sie Ihren Standpunkt klar machen konnten, ich bin selbst gespannt, ob die Erzieherin jetzt Ruhe gibt oder weiter stichelt. Und ich bin gespannt, wie sie es mit dem Geschenk macht, mein Sohn hätte das NIEMALS vergessen ;-). Wenn Sie möchten, können wir uns gerne einmal unterhalten, schreiben Sie mir doch eine private Mail oder rufen Sie mich während der Sprechzeiten an, ich würde mich freuen! Sehr gut beantwortet wird die Frage nach dem "durchschnittlichen Abstillalter" von der Anthropologin Karen Dettwyler. Ich zitiere aus einer ihrer Veröffentlichungen: "Eine Untersuchung von 64 "traditionellen" Studien, die vor 1940 durchgeführt wurden, ergab eine durchschnittliche Stilldauer von 2,8 Jahren, wobei in einigen Kulturkreisen deutlich kürzer, in anderen deutlich länger gestillt wurde. Statistisch gesehen läßt sich aus einem weltweiten Durchschnitt für das Alter des Abstillens überhaupt keine Aussage ableiten, da sehr viele Kinder überhaupt nicht gestillt werden bzw. weil die Mütter bereits nach wenigen Tagen oder nach 6 Wochen, wenn sie wieder in ihren Beruf zurückkehren, das Stillen aufgeben. In vielen Ländern der Welt werden Kinder noch heute regelmäßig bis zum Alter von vier oder fünf Jahren oder länger gestillt. Selbst in den USA werden manche Kinder derart lange oder sogar noch länger gestillt. In Kulturkreisen, in denen Kinder solange gestillt werden, "wie sie es selbst wünschen", setzt das Abstillen in der Regel im Alter von 3 bis 4 Jahren von allein ein - ohne Anzeichen von Unzufriedenheit und ohne emotionale Traumata. Mein Interesse an diesen Untersuchungen resultiert auch aus der Feststellung, daß andere Tiere ebenfalls ein "natürliches" Alter zum Abstillen haben, bei Hunden etwa nach 8 Wochen, bei Pferden nach 8 bis 12 Monaten usw. Diese Tiere haben vermutlich keine kulturbedingten Ansichten darüber, zu welchem Zeitpunkt das Abstillen angemessen ist. U.a. fand ich Folgendes heraus: Bei der von Holly Smith durchgeführten Untersuchung von 21 Arten tierischer Primaten (Affen und Halbaffen) wurde festgestellt, daß die Nachkommen zur der Zeit abgestillt wurden, als sie die ersten bleibenden Backenzähne bekamen. Dies entspräche beim Menschen einem Alter von 5,5 bis 6,0 Jahren. Kinderärzte verweisen häufig darauf, daß bei vielen Tierarten die Stilldauer in etwa der Tragzeit entspricht und leiten daraus für den Menschen die Empfehlung ab, daß Mütter nach 9 Monaten abstillen sollten. Es zeigt sich aber, daß dieser Zusammenhang von der Größe der erwachsenen Tiere beeinflußt wird - je größer die erwachsenen Tiere sind, desto länger ist die Stilldauer im Verhältnis zur Tragzeit. Für Schimpansen und Gorillas, also diejenigen Primaten, die der Größe des Menschen am nächsten kommen und ihm auch genetisch am engsten verwandt sind, beträgt das Verhältnis 6:1. Diese Verhältniszahl bedeutet, daß die Nachkommen über eine Dauer gestillt werden, die dem SECHSfachen der Tragzeit entspricht (genauer gesagt, beträgt das Verhältnis für Schimpansen 6,1 und für Gorillas 6,4; der Mensch ordnet sich größenmäßig genau in der Mitte zwischen beiden ein). Für den Menschen würde dies eine Stillzeit von 4,5 Jahren bedeuten (9 Monate Schwangerschaft x 6). Viele Kinderärzte verweisen darauf, daß die meisten Säugetieren das Stillen einstellen, wenn die Nachkommen ihr Geburtsgewicht verdreifacht haben und leiten daraus für den Menschen die Empfehlung ab, daß Mütter nach 1 Jahr abstillen sollten. Aber auch hier zeigt es sich, daß dieser Zusammenhang vom Körpergewicht abhängig ist; große Tiere stillen solange, bis ihre Jungen das Geburtsgewicht vervierfacht haben. Beim Menschen wird das Vierfache des Geburtsgewichts üblicherweise im Alter zwischen 2,5 und 3,5 Jahren erreicht. Bei einer der Studien zu Primaten war es so, daß die Jungen entwöhnt wurden, als sie 1/3 des Gewichts der Eltern erreicht hatten. Dies ist beim Menschen im Alter von etwa 5-7 Jahren der Fall. Ein Vergleich von Entwöhnung und Geschlechtsreife legt für den Menschen nahe, daß die Stillperiode im Alter von 6-7 Jahren endet (etwa die Hälfte der Zeit bis zur vollen Geschlechtsreife). Untersuchungen haben gezeigt, daß das Immunsystem eines Kindes erst im Alter von etwa 6 Jahren voll ausgereift ist. Es ist allgemein bekannt, daß Muttermilch die Entwicklung des Immunsystems fördert und das Kind, solange die Muttermilch produziert wird, Antikörper der Mutter erhält (bis zu zwei Jahren nach der Geburt; über die Zusammensetzung der Muttermilch zu einem darüber hinausgehenden Zeitpunkt gibt es bisher noch keine Untersuchungen). usw. usw. Das natürliche Alter zum Abstillen scheint bei einem Mindestalter von 2,5 Jahren und bei einem Höchstalter von 7,0 Jahren zu liegen." Ich hoffe, das beantwortet die Frage. LLLiebe Grüße Biggi Welter


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