Einjährige will am liebsten den ganzen Tag stillen

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Einjährige will am liebsten den ganzen Tag stillen

Hallo Biggi, Meine Tochter ist 12 Monate alt und isst bereits ganz normal am Familientisch mit. Allerdings will sie einfach nicht abgestillt werden. Wenn ich mit ihr alleine bin, hängt sie den ganzen Tag an meinem Bein und will ständig an die Brust. Ablenkung etc funktioniert nicht, sie hört nur auf zu quengeln wenn sie kriegt was sie will. Ich darf auch den Raum nicht verlassen ohne dass sie sich aufregt und das seit über sechs Monaten und das wird einfach nicht besser. Natürlich lasse ich sie auch mal meckern aber es kullern meist sehr schnell Tränen. Ich arbeite seit neuestem wieder zwei Tage in der Woche und es ist jetzt noch extremer geworden. Beim Papa zeigt sie dieses Verhalten nicht bzw nur eingeschränkt. Ich wollte längst abgestillt haben weil sie schon sehr viele Zähne hat und es langsam unangenehm und schmerzhaft für mich wird. Nachts will sie auch noch sehr oft gestillt werden - das ist für mich noch ok wenn sie das braucht aber tagsüber irritiert es mich. Haben Sie einen Rat? Lg

von Lamona am 18.02.2022, 12:03



Antwort auf: Einjährige will am liebsten den ganzen Tag stillen

Liebe Lamona, Stillen ist eine Zweierbeziehung und wenn es dazu kommt, dass sich ein Partner dabei nicht wohl fühlt, dann müssen Lösungswege gefunden werden. Für viele von uns ist es sehr ungewohnt zu sehen, wie begeistert und mit wie viel Freude ein Kleinkind stillt. Deine Kleine verhält sich gar nicht so "brustversessen" wie du glaubst, viele langzeitgestillte Kinder zeigen sehr deutlich wie viel ihnen das Stillen bedeutet. Wird es dem Kind überlassen, wann es sich selbst abstillt, dann stillen sich die meisten Kinder irgendwann zwischen dem zweiten und dem vierten Geburtstag ab. Ein Abstillen deutlich vor dem zweiten Geburtstag auf Initiative des Kindes hin ist eher unwahrscheinlich. Vielleicht ist dein Arbeitsbeginn doch eine große Umstellung für deine Kleine und sie braucht eine Extraportion Mama..... All diese theoretischen Überlegungen helfen dir jedoch nicht weiter, denn du fühlst dich in der derzeitigen Situation unwohl. Wenn sich in einer Stillbeziehung ein Partner nicht mehr wohl fühlt, dann ist es an der Zeit zu überlegen, was geändert werden kann. Vielleicht versuchst du es damit, die Stillzeiten immer weiter zu verkürzen. Damit meine ich, du stillst dein Kind eine bestimmte Zeit und dann nimmst du es sanft von der Brust und streichelst es, kuschelst mit ihm, bietest ihm zusätzlich ein Kuscheltier oder eine Schmusedecke an usw. Im Laufe der Zeit verkürzt Du die Zeit an der Brust immer mehr. Eine Möglichkeit wäre es auch, dass du mit deinem Kind darüber sprichst, dass du das Stillen als unangenehm empfindest und dass du denkst, dass es nun an der Zeit ist, eure gemeinsame Stillzeit zu beenden oder zumindest das viele Stillen am Tag einzuschränken. Überlegt gemeinsam, wie ihr nun zu einem harmonischen Ende finden könnt. Vielleicht indem ihr auf ein bestimmtes Datum hinarbeitet oder aber auch durch ganz klare Regeln, die auch lauten können „Es wird nur noch gestillt, wenn es dunkel ist“ oder „wir stillen nur noch am Morgen“. So lange DU nicht ABSOLUT sicher bist, dass Du weniger stillen möchtest, wird dein Kind das spüren. Ist die Mutter innerlich nicht davon überzeugt, dass sie ihr Kind ab- oder weniger stillen will, dann ist dieser Zweifel für das Kind sehr deutlich fühlbar und es reagiert in fast allen Fällen so, dass es eher noch häufiger gestillt werden mag. Zweifel und Unsicherheit sind für ein Kind unerträglich, Kinder brauchen Klarheit. Dein Kind spürt jetzt deinen Zwiespalt und da es sich nicht hinsetzen und sagen kann „Mama, ich spüre, dass Du Dir nicht sicher bist, was jetzt das Richtige ist, deshalb werde ich dir jetzt bei deiner Entscheidungsfindung helfen" reagiert es auf Deine Zweifel mit Unruhe, Weinen und Verunsicherung. Es hat keine anderen Ausdrucksmöglichkeiten als Weinen und (vermehrte) Anhänglichkeit. Kinder sind für „geordnete Verhältnisse", Unsicherheit und Zweifel bringen sie aus dem Gleichgewicht. Wichtig ist nun, dass ihr zum einen wirklich miteinander redet und du deinem Kind klar erklärst und sagst, was du willst und was du nicht mehr willst. Zum anderen muss für dein Kind deutlich erkennbar sein, wo deine Grenzen gesetzt sind. Liebevolle Konsequenz ist das Zaubermittel in der Erziehung. Deine Kleine wird vermutlich schreien, toben, treten oder dich schlagen wollen. Ist das schlimm? Nein, es ist völlig normal, denn es ist die einzige Art, wie sie in diesem zarten Alter ihren Frust ausdrücken kann. Wie kannst du damit umgehen? Lass es zu. Lass dich nicht verunsichern, denn es geht deinem Kind ja trotzdem gut, es bekommt kein Trauma fürs Leben, wird nicht an deiner Liebe zweifeln. Deine Tochter ist sauer, und das wird auch wieder vergehen. Bleibe bei ihr und sei du ruhig und klar, so dass sie sich an dir orientieren kann. Vielleicht wirst du sie ein wenig ablenken wollen (falls sie sich ablenken lässt), vielleicht bleibst Du auch einfach nur in ihrer Nähe und versicherst ihr, dass alles ok ist, und dass ihr weiter stillen könnt (oder kuscheln), sobald sie sich etwas beruhigt hat. Wenn du konsequent bleibst, wird es klappen. Nur davon hängt es ab: Schaffst DU es... Wichtig ist, dass Dein Kind weiterhin Deine Liebe und Zuneigung spürt und Du nicht gleich die Geduld verlierst, wenn es nicht so schnell klappt mit dem Ab- oder Wenigerstillen. Viele Frauen glauben, dass sie sich beim Abstillen vom Kind distanzieren müssen, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Probiere es einmal mit immer kürzerem Stillen und viel Kuscheln. Liebe Grüße Biggi Welter

von Biggi Welter am 18.02.2022