Hallo Ihr, meine Frau hatte den Brief gestern morgen gelesen. Ich hatte ihn ihr persönlich gegeben. Sie war ziemlich gerührt. Sie hatte sich dafür bedankt, dass ich sie aus einer gewissen Isolation geholt hätte, in der sie sich nur noch um das Baby kümmerte und meinte, nur sie wäre für ihn verantwortlich. Ich solle sie öfter "wach rütteln", wenn ich das Gefühl hätte, dass sie sich in irgendwas "verrennt". Zur Zeit sei sie emotional total aufgewühlt und so müde, dass sie manchmal keinen klaren Gedanken fassen könne. Wir haben einen Schichtplan aufgestellt: Da ich selbstständig bin, kann ich mir den Arbeitstag entsprechend selber einteilen. Vormittags - von ca. 8:00 bis 13:00 Uhr - kümmert sie sich um das Baby. Nachmittags und abends - von 13:00 bis 22:00 Uhr - kümmere ich mich um ihn, dann kann sie sich ausschlafen oder was für sich selber tun. Wenn er Hunger hat, bringe ich ihn zu ihr. Anschließend nehme ich ihn wieder. Nachts stehe ich auf, um ihn ihr zum Stillen zu bringen. Bereits letzte Nacht konnte ich mich - wenn auch wegen nicht gerade glücklicher Umstände - um ihn kümmern. Da er gestern abend Fieber - 38,5° C - und eine Bronchitis bekam - an den Atemgeräuschen (Röcheln) hatte ich einen entsprechenden Verdacht, dachte ich mir, wenn er auf dem Rücken liegt, kann er schwer atmen, auf dem Bauch liegen schon gar nicht wg. der Gefahr von plötzlichem Kindstod. Also band ich mir den Tragegurt um, in dem ich ihn setzte, und saßen wir - er auf meinem Bauch - also vor allem aufrecht schlafend, so dass wenn auch unter schweren Bedingungen und sicher schlimmen Schmerzen wenigstens ein wenig besser atmen konnte - in dem Stuhl, in dem sich tagsüber meine Frau setzt, wenn sie ihn stillt - die ganze Nacht bis zum nächsten Morgen. Wenn ich er Hunger hatte, brachte ich ihn meiner Frau. In der Zwischenzeit kochte ich mir Kaffee zum Wachbleiben. Da war das Fieber auch unter 37,5. Durch meine Sorge um ihn und dadurch, dass er im wieder durch Schreien wach wurde, konnte ich ohnehin nicht schlafen. Wenn es gar nicht ging, lief ich mit ihm in der Wohnung umher. Meinen Schlaf holte ich heute vormittag nach, während meine Frau mit ihm beim Arzt war. Wir hatten uns verständigt, dass sie - wegen der langen Wartezeiten - mit ihm dorthin geht, da er gerade jetzt, wo er krank ist, kein Fläschchen bekommen sollte. Allein durch das Zusammensein mit meinem Sohn letzte Nacht kann ich auch nachvollziehen, warum meine Frau nicht so ein ausgeprägtes Bedürfnis hat, auch noch Zärtlichkeiten von mir zu bekommen. Das Zusammensein mit dem Baby ist einfach zu aufregend, zu spannend, so dass andere Gedanken gar keinen Platz haben. Immerhin finden wir jetzt ein gemeinsames Hobby, ein gemeinsames alltägliches Gesprächsthema, dass - das sagt mir mein Gefühl - uns beiden helfen wird, auf dieser Ebene, vor allem als Eltern, neu zu uns zu finden. Wahrscheinlich ist in den letzten zwei Tagen ein kleines Wunder geschehen und meine Frau - das konnte ich an ihrem Blick erkennen - war heute morgen richtig stolz auf mich, dass ich mir letzte Nacht Zeit für ihn genommen hatte. ALlein das hat mir viel mehr gut getan als tausend Küsse, Umarmungen und Streicheleinheiten zusammen. Gruß an Euch alle und danke noch mal, Peter