Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Brustabhängig?

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Brustabhängig?

Mitglied inaktiv

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Hallo! Ich habe weniger ein Problem mit dem Stillen, sondern eher ein psycho-soziales Problem dazu. Meine Tochter ist jetzt 10 Monate alt, ich stille sie nach Bedarf, nachts 3-4mal, tagsüber im Augenblick wieder sehr oft, nachdem sie angefangen hat zu krabbeln und sich hochzuziehen.Vorher wollte sie höchsten 2-3mal tagsüber trinken. Seit mobil ist, hat sich auch ihr Verhalten gegenüber ihrem Pappi verändert. Vorher konnte ich sie mit ihm bis zu 3 Stunden allein lassen-kein Problem.Auch abends, wenn ich nicht da bin (beim Sport), konnte er sie trösten. Das ist jetzt geradezu unmöglich geworden, sie schreit und weint vehement, solange ich nicht da bin. Mein Freund-also ihr Vater-ist darüber sehr betrübt und enttäuscht. Eine Bekannte meint, meine Tochter sei brustabhängig, außerdem hätte die Milch jetzt kaum noch Nährstoffe, das Stillen erfülle in dieser Hinsicht keine Funktion mehr bei einem fast 1-jährigen Kind. Ich kenne die WHO-Empfehlung, weiß um die Bedeutung des Stillens über den 6.Lebensmonat hinaus und stehe trotzdem derlei Einstellungen und Meinungen immer ziemlich rat-und hilflos gegenüber, so dass ich am liebsten gar nicht mehr darüber reden will - ich möchte mich nicht ständig rechtfertigen müssen. Liegt eine Brustabhängigkeit vor? Gibt es so etwas überhaupt in diesem Zusammenhang? Mit freundlichen Grüßen eikeland


Biggi Welter

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Liebe Eikeland, das Verhalten deines Kindes wird sicher von manchen Menschen als extrem anhänglich oder mutterfixiert bezeichnet, doch es ist ein vollkommen normales Verhalten für ein Baby. Es ist sogar wichtig, dass ein Kind zunächst eine feste und verlässliche Bindung zu einer Person aufbaut (und diese Person ist bei einem gestillten Kind naturgemäß fast immer die Mutter). Aufbauend auf dieser Erfahrung kann das Kind dann später seinen Horizont erweitern und Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen. Doch das "Fundament" der engen Beziehung zur ersten Bezugsperson sollte fest sein und so zum Fundament der Beziehungsfähigkeit und Bindungsfähigkeit überhaupt zu werden. Selbst wenn Du jetzt abstillen würdest, würde dein Kind nicht weniger anhänglich sein! Wie schnell oder langsam das Kind dann (wieder) seine Fühler ausstreckt und Kontakt zu anderen aufnimmt und dort Bindungen knüpft ist ebenso wie das Laufenlernen oder Sprechen von Kind zu Kind verschieden. Jedes Kind hat da seinen eigenen Zeitplan. Du würdest niemals an einer Blume ziehen, damit sie schneller wächst, denn Du weißt, dass sie dadurch verkümmern oder sogar sterben würde. Genau so wenig können wir an unseren Kinder "ziehen", um ihre Entwicklung zu beschleunigen. Es gibt einfach ausgeprägte "Mama Kinder" oder "Papa Kinder" oder Kinder, die keine eindeutige Vorliebe für ein Elternteil erkennen lassen. Das hat nichts damit zu tun, dass ein Kind "verwöhnt" oder "verzogen" ist, oder dass es "seinen Willen durchsetzen will" oder gar ein Elternteil ablehnt. Es liegt einfach an der Persönlichkeit dieses Kindes. Ich kenne weder dich noch dein Kind oder deinen Mann. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob Du eher forsch oder schüchtern bist. Aber machen wir doch einmal ein Gedankenspiel: Ich nehme jetzt einmal an, dass Du eine sehr schüchterne, zurückhaltende Frau bist. Du ziehst es vor, nicht im Rampenlicht zu stehen, bist lieber mit guten Bekannten und Freunden als mit Fremden zusammen und wartest eher ab in neuen Situationen. Das ist (in dem Gedankenspiel) deine Natur. Nun kommt jemand und verkündet dir, dass deine Schüchternheit ja nur "Mache" ist, Du willst damit ja nur erreichen, dass Du deinen Willen durchsetzt und überhaupt, ab sofort wirst Du ständig mit Aufgaben betraut, die von dir verlangen, dass Du ununterbrochen mit neuen, fremden Menschen, und zwar mit möglichst vielen, zu tun hast. Wie würdest Du dich fühlen? Sicher nicht gut, doch wohl eher so, als ob dich jemand zu etwas zwingen will, das nicht dir und deiner Persönlichkeit entspricht. Genau so ist es auch mit unseren Kindern. Wir können sie nicht zwingen, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen, ein bestimmtes Temperament zu haben. Sie fühlen sich dann nur unwohl und unglücklich. Wir können aus einem zurückhaltenden Kind keinen Hans Dampf in allen Gassen machen, aber wir können ihm mit viel Geduld und durch unseren Rückhalt helfen, in den "Hans Dampf" Situationen irgendwann zurecht zu kommen. Keine Angst, deine Tochter wird weder ein abhängig noch ein ewig unselbstständiger Mensch, sondern Du legst jetzt den Grundstock für einen in sich ruhenden, selbstbewussten und selbstständigen Menschen. Auch ist s absoluter Quatsch, dass deine Milch keine Nährstoffe mehr haben soll. Nach sechs und auch nach zehn oder zwölf Monaten enthält die Muttermilch noch die gleichen Inhaltsstoffe wie vorher. Die Milch wird ab diesem Zeitpunkt keineswegs plötzlich "schlechter" oder "weniger gehaltvoll". Der Kaloriengehalt der reifen Muttermilch liegt bei etwa 68 kcal/100 ml. Reife Muttermilch enthält etwa 7,3 g/100 ml Laktose sowie kleinere Mengen anderer Kohlenhydrate (Oligo und Polysacharide, Glykoproteine, Glukosamine usw.). Der Fettgehalt der reifen Muttermilch beträgt 4,2 g/100 ml, wobei der größte Teil davon auf die Triglyceride entfällt. 57 % der Fettsäuren der Muttermilch sind ungesättigt. Der Fettanteil der Muttermilch beinhaltet auch die fettlöslichen Vitamine, Phospolipide und Cholesterin. Reife Muttermilch enthält 0,9 g/100 ml Eiweiß. Zu den Molkeneiweißen gehören die Immunglobuline, Lysozym, Laktoferrin und Alphalaktalbumin. Außerdem enthält Muttermilch Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine. Weitere Bestandteile sind Hormone, Enzyme und Wachstumsfaktoren. Reife Muttermilch bleibt in Bezug auf Kaloriengehalt, Fett, Eiweiß, Kohlenhydrate usw. in ihrer Zusammensetzung während der gesamten Stillzeit gleich, lediglich bei den Antikörpern und bei einigen Vitaminen und ergeben sich Veränderungen. So steigt der Antikörpergehalt mit etwa einem halben Jahr und dann nochmals im zweiten Lebensjahr (jeweils dann, wenn das Kind mobiler wird und mehr Kontakt mit der Außenwelt aufnimmt) an. In der Abstillphase kommt in Bezug auf den Salzgehalt zu Veränderungen. LLLiebe Grüße Biggi


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