Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Anhänglichkeit 2jähriger

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Anhänglichkeit 2jähriger

Sandrinasandrina

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Guten Tag! Mein Sohn ist 24 Monate alt und wird noch gestillt, phasenweise sehr viel.Zudem kommt eine bisher nicht gekannte Anhänglichkeit an mir. Nun mache ich mir große Sorgen, dass ich ihn durch das lange stillen "klein" halte und er vielleicht genau deshalb so schüchtern ist im Umgang mit anderen Kindern. Da die Umwelt teilweise sehr kritisch reagiert und mir unterstellt ihn nicht loslassen zu können, gerate ich innerlich immer wieder unter druck, der sich, wenn er dann so schüchtern ist, noch verstärkt.beste grüsse.sanja


Biggi Welter

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Liebe Sanja, ich habe drei Kinder und diese drei Kinder sind ganz unterschiedlich. So gut wie alle Mütter, die ich kenne, die mehr als ein Kind haben, können dir bestätigen, dass ihre Kinder verschieden sind. Das ist einer der Vorteile mehr als ein Kind zu haben: Du siehst innerhalb der eigenen Familie, dass bereits Babys individuelle Persönlichkeiten sind, mit ganz eigenen Vorlieben, eigenem Temperament und eigener Entwicklung. Und so gibt es eben ausgeprägte „Mama Kinder“ oder „Papa Kinder“ oder Kinder, die keine eindeutige Vorliebe für ein Elternteil erkennen lassen. Das hat nichts damit zu tun, dass ein Kind „verwöhnt“ oder „verzogen“ ist, oder dass es „seinen Willen durchsetzen will“ oder gar ein Elternteil ablehnt. Es liegt einfach an der Persönlichkeit dieses Kindes. Ich kenne weder dich noch dein Kind oder deinen Mann. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob Du eher forsch oder schüchtern bist. Aber machen wir doch einmal ein Gedankenspiel: Ich nehme jetzt einmal an, dass Du eine sehr schüchterne, zurückhaltende Frau bist. Du ziehst es vor, nicht im Rampenlicht zu stehen, bist lieber mit guten Bekannten und Freunden als mit Fremden zusammen und wartest eher ab in neuen Situationen. Das ist (in dem Gedankenspiel) deine Natur. Nun kommt jemand und verkündet dir, dass deine Schüchternheit ja nur „Mache“ ist, Du willst damit ja nur erreichen, dass Du deinen Willen durchsetzt und überhaupt, ab sofort wirst Du ständig mit Aufgaben betraut, die von dir verlangen, dass Du ununterbrochen mit neuen, fremden Menschen, und zwar mit möglichst vielen, zu tun hast. Wie würdest Du dich fühlen? Sicher nicht gut, doch wohl eher so, als ob dich jemand zu etwas zwingen will, das nicht dir und deiner Persönlichkeit entspricht. Gena so ist es auch mit unseren Kindern. Wir können sie nicht zwingen, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen, ein bestimmtes Temperament zu haben. Sie fühlen sich dann nur unwohl und unglücklich. Wir können aus einem zurückhaltenden Kind keinen Hans Dampf in allen Gassen machen, aber wir können ihm mit viel Geduld und durch unseren Rückhalt helfen, in den „Hans Dampf“ Situationen irgendwann zurecht zu kommen. Jetzt kann noch niemand sagen, ob dein Kind in ein paar Monaten nicht selbstbewusst von dir weg die Welt erobern wollen wird und problemlos in der Gruppe spielt. Der Einstellung, dass das Langzeitstillen die Loslösung beeinträchtige oder ein Problem in Hinblick auf die Theorie des Übergangsobjektes darstellt, ist keineswegs bewiesen. Dieser Vorstellung liegt eine Hypothese zugrunde, für die es keinen Beweis gibt. Diese Überlegungen beruhen auf Beobachtungen in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe die vor langer Zeit gemacht wurden. Dem Stillen oder gar dem längeren Stillen wurde dabei überhaupt keine Aufmerksamkeit entgegengebracht (wohl auch, weil kaum bzw. nicht lange gestillt wurde). Die Praxis zeigt jedenfalls, dass langzeitgestillte Kinder nicht unselbständiger sind als kurz oder gar nicht gestillte Kinder und auch keine vermehrten Probleme mit der Loslösung haben, im Gegenteil: Oft haben sie ein so starkes Vertrauen in sich und die Welt, dass sie recht forsch die Welt entdecken wollen. Außerdem spricht gegen diese Theorie, dass es dann weltweit gesehen sehr viele Kinder Probleme mit der Selbstregulation haben müssten, denn es gibt ja nun mal viele Kulturen, in denen das lange Stillen deutlich über das Babyalter hinaus üblich ist und es gibt Kulturen, in denen keine Übergangsobjekte bekannt sind. Das lange Stillen führt definitiv nicht zu einer verspäteten Loslösungsphase. Ich hoffe, ich konnte dich beruhigen! LLLiebe Grüße Biggi


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