Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

allgemeine Stilltechnik

Biggi Welter

 Biggi Welter
Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: allgemeine Stilltechnik

Mitglied inaktiv

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Liebe Frau Welter, Mein Sohn ist 2 Wochen alt, und bisher hat sich bei uns noch kein bestimmter Stillrhythmus eingespielt. Ich stille im Durchschnitt so alle 3 Stunden, oft auch nach 4 Stunden, oft innerhalb zweier Stunden oefters. Soll ich einen bestimmten Rhythmus festlegen, und welcher Rhythmus ist ideal? Mir ist es wichtig, dass der Kleine nachts moeglichst lang schlaeft, da ich untertags nicht schlafen kann, und so seit 2 Wochen staendig muede und unausgeschlafen bin. Gerade am Abend ist er aber meist recht aktiv und will nach dem Stillen nicht gleich einschlafen. Ich hoffe sehr, Sie koennen mir ein paar Tipps geben! Ich habe mich an eine Stillberaterin gewandt (nicht in Deutschland, sondern in Moskau, wo ich zur Zeit wohne). Sie hat gemeint, ich solle tagsueber jede Stunde stillen. Nachts um 11 solle ich das Baby schlafen legen, es soll 4 Stunden schlafen, dann soll ich es im 2-Stunden-Rhythmus bis zum Morgen stillen, ich soll es also wenn es schlaeft sanft wecken bzw. anlegen (sie meint, es muesse nicht unbedingt aufwachen, es koenne schlafen und trinken zugleich, ist das wirklich so??) Sie meint, das sei die einzig richtige Stilltechnik. So ein Regime liegt mir aber gar nicht. Was meinen Sie dazu? Und noch eine Frage: Diese Stillberaterin hat gemeint, ich solle innerhalb zwei Stunden an einer Seite anlegen, die naechsten 2 STunden an der anderen Seite etc. Wiederum so eine Vorgabe, die ich nicht so ganz verstehe. Ich wechsle einfach nach Gefuehl die Brueste ab, wenn ich merke, dass eine weich und somit wohl leer od. fast leer geworden ist. Wann und wie oft ist es am besten, die Brust zu wechseln? (Ich habe ziemlich viel Milch, und bis vor kurzem habe ich auch manchmal abgepumpt) Hoffe, das sind fuer Sie nicht zu viele Fragen auf einmal. Bin aber ziemlich verzweifelt, weil ich wirklich nicht mehr weiss, wie ich das Stillen richtig machen soll. Ich warte sehr auf Ihre Antwort! Vielleicht koennen Sie mir auch einen Tipp geben, wo im Internet ich gute praktische Tipps zum Stillen finden kann. Sofia.


Biggi Welter

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Liebe Sofia, ein Baby sollte nach Bedarf gestillt werden. Alle Stillexperten sind sich einige, dass Stillen nach Bedarf für Mutter und Kind am Besten ist. So wird sichergestellt, dass das Baby die Nahrung, die es braucht, genau dann bekommt, wenn es sie braucht und sich das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellen kann. Während eines Wachstumsschubs kann es durchaus sein, dass ein Baby alle Stunde an die Brust möchte. Es gibt keinen Grund einen Mindestabstand zwischen zwei Stillmahlzeiten einzuhalten. Im Extremfall kann das "Hinhalten" des Babys zu Gedeihstörungen führen. All die Erzählungen von einem bestimmten Rhythmus eines Babys sind schlicht und ergreifend falsch. So kleine Babys wollen im Schnitt zwischen acht und zwölf Mal innerhalb von 24 Stunden gestillt werden. Im Schnitt heißt, es gibt Babys die seltener nach der Brust verlangen (eher wenige Babys) und es gibt Babys, die häufiger an die Brust wollen (die Mehrzahl). Nun ist es jedoch nicht so, dass ein Kind zügig zwanzig Minuten trinkt und sich dann nach drei Stunden das nächste Mal rührt, sondern es kommt immer wieder zu Stillepisoden, die so ablaufen: das Kind trinkt eine kurze Weile, hört auf, döst vielleicht sogar weg und beginnt erneut kurz zu trinken usw. Dieses Verhalten heißt Clusterfeeding und ist absolut normal für kleine Babys. Besonders gehäuft treten diese Stillepisoden am Nachmittag und Abend auf, wie überhaupt die Abstände zwischen den Stillzeiten im Verlauf des Tages immer kürzer werden. Dazu kommt, dass in bestimmten Alterstufen Wachstumsschübe zu erwarten sind, in denen die Baby manchmal schier ununterbrochen an die Brust wollen. Das Dauerstillen kann sehr anstrengend und auch nervend sein, aber es hat seinen Sinn. Rein wissenschaftlich gesehen ist es so, dass das Baby durch den Stillmarathon die Prolaktinausschüttung anregt und so dafür sorgt, das die Milchbildung angeregt wird und genügend Milch für das Kind zur Verfügung steht. Babys haben ein über das reine Ernährungssaugen hinausgehendes Saugbedürfnis und diesem "non nutritiven" Saugen kommt eine sehr große Bedeutung zu. Nun werden viele Menschen sagen: "Dafür gibt es ja einen Schnuller". Doch das ist eine sehr zweifelhafte Antwort. Der Schnuller ist eine Brustattrappe und von der Natur ist vorgesehen, dass das non nutritive Saugen an der Brust stattfindet. Wird der Schnuller eingesetzt, kann es nicht nur zu Saugproblemen kommen, er kann auch dazu führen, dass das Kind zu wenig Zeit an der Brust verbringt, so dass die Brust nicht ausreichend stimuliert wird und das Kind nicht die Milch bekommt, die es braucht. Der Gebrauch des Schnullers ist sehr kritisch zu sehen. Die anderen Nebeneffekte, wie häufiges Aufstehen der Mutter, weil das Kind den Schnuller verliert, sind natürlich auch nicht gerade angenehm. Sie können sich und Ihrem Baby das Leben sehr viel einfacher machen, wenn Sie sich auf Ihr Kind einlassen. Die oben erklärten Zusammenhänge machen es Ihnen möglicherweise einfacher, dem Bedürfnis des Kindes entgegenzukommen, zumal es erwiesen ist, dass es sich langfristig auszahlt, diese Bedürfnisse jetzt zu stillen. Dazu kommt: Menschenbabys sind Traglinge, die den Kontakt zur Mutter brauchen. Es ist von der Natur nicht vorgesehen, dass sie alleine sind und auch nicht, dass sie alleine schlafen. Das widerspricht dem Bild vom süß in der Wiege schlummernden Baby, das fast alle Frauen (zumindest beim ersten Baby) haben. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn Ihr Kind nicht pausenlos schlafen will und ständigen Körperkontakt sucht. Die Empfehlung, dem Baby immer beide Seiten anzubieten ist vor allem in der allerersten Zeit wichtig, wenn die Milchbildung in Gang kommen und sich die Stillbeziehung einspielen muss. Sobald sich die Stillbeziehung eingespielt hat und das Kind gut gedeiht, können Sie sich von Ihrem Baby leiten lassen und wenn Ihr Kind mit einer Seite satt und zufrieden ist und gut gedeiht, dann müssen Sie ihm die zweite Seite nicht "aufdrängen". Es gibt keine feste, unumstößliche Regel, die sagt "Es müssen immer und unter allen Umständen beide Seite gegeben werden" und es gibt auch keine fixe Vorschrift "es muss mit der Seite begonnen werden, an der das letzte Mal zuletzt getrunken wurde". Wichtig ist, dass das Baby gedeiht und sich gut entwickelt und ihr beide euch wohl fühlt. Viele Frauen tasten einfach und geben die Brust, die sich voller anfühlt. Ich hoffe, ich konnte ihnen erst einmal weiterhelfen, sollten Sie noch Fragen haben, bin ich gerne für Sie da. Außerdem gibt es hier auch noch ein Stillforum, dort können Sie sich mit anderen Müttern autauschen. LLLiebe Grüße Biggi Welter


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