Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

Abstillprobleme

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: Abstillprobleme

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Hallo Biggi, bin recht verzweifelt, da meine 1 Jahre alte Tochter partout nicht von meiner Brust will, ich aber jetzt wirklich auch körperlich genug beansprucht bin durch das lange Stillen. Sie akzeptiert aber keinerlei Flaschen (alle möglichen unterschiedlichen Fabrikate schon ausprobiert) und auch Milch aus dem Glas will sie nicht (egal welche Milch). Wenn ich versuche, sie zu zwingen, würgt sie regelrecht (obwohl ich den Geschmack der Milch selber auf Süße hin teste und ggf. noch leicht nachsüße). Hab es schon mit verschiedenen Breisorten, Milchsorten, Joghurtsorten probiert, ohne Erfolg. Beikost isst sie, aber nie so viel, dass sie davon satt wird. WAS soll ich bloß tun, um endlich abstillen zu können? Weisst du Rat? PS. Nachts trinkt sie auch ca. 3-6 mal meine Milch


Biggi Welter

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Liebe Mariamu, leider wird immer wieder gesagt, stillen lauge die Mutter aus oder führe zu Erschöpfungszuständen usw. . Wenn das Stillen so anstrengend und für die Mutter belastend wäre, würden anerkannte Organisationen wie die WHO (Weltgesundheitsorganisation) nicht eine mindestens zweijährige Stillzeit für ALLE Kinder empfehlen (nicht nur für die, die in Entwicklungsländern leben, wie diese Empfehlung fälschlicherweise immer wieder ausgelegt wird). Die WHO setzt sich auch das Wohl der Frauen ein. Das Stillen laugt die Mütter nicht aus und schwächt auch nicht ihr Immunsystem, auch wenn dies immer wieder behauptet wird. Die Tatsache, dass Muttersein einer der härtesten und anstrengendsten Berufe der Welt ist, der sieben Tage die Woche und 52 Wochen im Jahr einen 24 Stunden Dienst ohne Urlaubsanspruch und Krankschreiben bedeutet, führt dazu, dass Mütter von kleinen Kindern oft anfälliger sind als kinderlose Frauen oder Frauen mit älteren Kindern. Es stellt sich außerdem die Frage, ob das Abstillen und das damit verbundene Mehr an Arbeit (dann müssen Flaschen vorbereitet und gereinigt werden, Flaschennahrung eingekauft werden, nachts muss die Mutter aufstehen, um die Teeflasche zu geben, statt sich einfach nur umzudrehen und ihr Kind im Halbschlaf anzulegen und weiterzuschlafen usw.) die Frauen nicht um ein Vielfaches MEHR belastet als weiterzustillen, bis die Mutter und ihr Kind bereit sind, die Stillbeziehung zu beenden. Dein Kind wird nicht besser schlafen, wenn Du es abstillst und Du wirst es auf andere Weise beruhigen müssen. Ich kann dir nicht sagen, wie Du dein Kind jetzt möglichst schnell abstillen kannst, wenn es jegliche Milchnahrung verweigert. Stillen ist viel, viel mehr als reine Nahrungsaufnahme. Es ist Trost, Geborgenheit, sicherer Hafen und ein Weg zur Ruhe zu kommen, wenn die Wellen des Alltags hoch geschlagen sind. Das Abstillen bedeutet daher auch mehr als das reine Ersetzen einer Nahrung durch eine andere. Im Alter deines Kindes ist es dem Kind auch sehr bewusst, dass Stillen mehr als nur Trinken bedeutet. Wichtig ist, dass dein Kind weiterhin deine Liebe und Zuneigung spürt und Du nicht gleich die Geduld verlierst, wenn es nicht so schnell klappt mit dem Abstillen. Viele Frauen glauben, dass sie sich beim Abstillen vom Kind distanzieren müssen, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Deshalb halte ich auch nicht viel von der Lösung, dass die Mutter einige Tage alleine verreist. Diese plötzliche Trennung kann das Kind in tiefe Trauer und Verzweiflung stürzen und vor allem: Was macht die Mutter, wenn das Kind nach der Rückkehr doch wieder an die Brust will? Versuche weiterhin, deinem Kind Beikost schmackhaft zu machen, vielleicht trinkt dein Kind Milch aus dem Becher. Um den Milchbedarf eines über einjährigen Kindes zu decken, muss das Kind auch nicht zwingend Milch trinken oder Milchbrei essen. Viele Kinder mögen keine Vollmilch (auch Kinder, die nie gestillt wurden). Wenn dein Kind Milch in jeder Form (außer Muttermilch) verweigert, dann kann es nach dem ersten Geburtstag auch milchfrei ernährt werden, ohne dass es zu Mangelerscheinungen kommt. Der Mensch ist das einzige Säugelebewesen, das nach dem Abstillen die Milch einer anderen Art weiterhin auf seinem Ernährungsplan stehen hat. Wobei dies keineswegs überall so ist, auch heute noch gibt es Kulturen, in denen keinerlei Milch nach dem Abstillen mehr verwendet wird. Es ist möglich nach dem ersten Geburtstag ein Kind milchfrei zu ernähren, wenn die übrige Ernährung entsprechend gestaltet wird. Darüber solltest Du dich jedoch falls eine milchfreie Ernährung gewünscht oder notwendig ist oder das Kind wirklich jegliche Milch und Milchprodukte ablehnt mit einer Ernährungsberaterin sprechen, da das Wissen um eine ausgewogene milchfreie Ernährung in unserer Kultur meist nicht allgemein vorhanden ist. Es gibt eine ganze Menge an kalziumreichen Nahrungsmitteln, mit denen sich der Kalziumbedarf decken lässt und nicht nur Milch ist ein Kalziumlieferant. Eine Tasse (227 g) gekochter Chinakohl ist eine alternative Möglichkeit zur Kalziumversorgung und bietet 86 % des Kalziumgehaltes einer Tasse (240 ml) Milch. Eine halbe Tasse (113 g) Sesamkörner die zu Backwaren und Pfannkuchenteig hinzugefügt oder über Salat oder Getreide gestreut werden können enthält doppelt so viel Kalzium wie eine Tasse (240 ml) Milch. Weitere Kalziumlieferanten sind Melasse, mit Kalzium angereicherter Tofu, Spinat, Broccoli, Zwiebelkraut, Winterkohl, Leber, Mandeln und Paranüsse sowie Dosensardinen und Lachs (die allerdings beide mitsamt der weichen Gräten gegessen werden und deshalb für ein Kleinkind noch nicht unbedingt so geeignet sind). Nächtliches Aufwachen hat viele Gründe und liegt nicht nur an körperlichem Hunger! Wenn Du gerne liest und ein Buch lesen möchtest, das sich mit dem Thema Schlaf auseinandersetzt und dessen Autor beim Thema Schlaf auch Achtung vor dem Baby zeigt und dessen Bedürfnisse ernst nimmt, kann ich dir wärmstens "Schlafen und Wachen ein Elternbuch für Kindernächte" von Dr. William Sears empfehlen, das Du im Buchhandel, bei der La Leche Liga und jeder LLL Stillberaterin bekommen kannst. LLLiebe Grüße Biggi


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