Frage im Expertenforum Stillberatung an Biggi Welter:

5404

Biggi Welter

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Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

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Frage: 5404

Mitglied inaktiv

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Hallo, mein Sohn ist sieben Monate alt. Ich stille noch nachts und morgends. Seit ca. sechs Wochen schläft er nicht mehr durch (er hatte bereits Nächte in denen er bis zu neun Stunden ausgehalten hatte). Wenn er wach wird ca. alle 3,5 Stunden, verlangt er nach meiner Brust bzw mir. Daran nuckelt er ein bisschen und schläft sofort wieder ein. Also Hunger ist es demnach nicht. Dann ist es auch kein Problem ihn wieder ins Bett zu legen und ihm den Schnuller in den Mund zu stecken. Wir haben es auch mit einem Fläschen Tee probiert,welches er verschmäht. Was können wir tun um wieder zu etwas mehr Nachtruhe zu kommen? MfG Ute Riede


Biggi Welter

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? Liebe Ute, Stillen ist ja nicht nur Nahrung für den Körper, es ist viel mehr und gerade im Alter Ihres Kindes gibt es unzählige Gründe, warum ein Kind nachts aufwacht und die Nähe und Geborgenheit und auch Nahrung an der Brust sucht. In der Frage, ob ein Baby ab einem gewissen Alter nachts noch etwas zu essen (oder zu trinken) braucht, scheiden sich die Geister ganz gewaltig. Aber auch ältere Kinder haben nachts Hunger. Der immer wieder verbreitete Gedanke, dass ein Baby ab sechs Monaten (oder einer anderen Altersgrenze) nachts nicht mehr aufwachen darf und nachts keine Nahrung mehr braucht entspringt in keinster Weise dem natürlichen Verhalten und den Bedürfnissen eines Babys oder Kleinkindes, sondern er entstammt dem (verständlichen) Wunsch der Erwachsenen, die gerne ihre Nachtruhe hätten. Eine Studie von Jelliffe und Jelliffe ergab, dass Babys im Alter von 10 Monaten mindestens 25 % ihrer Muttermilchaufnahme nachts zu sich nehmen. Das spricht eindeutig dafür, dass Babys auch nach den ersten sechs Monaten nachts noch hungrig sind. Es gibt Kinder, die nachts keine Nahrung mehr brauchen, aber es gibt eben auch sehr viele Kinder, die mit einem halben Jahr noch nicht so weit sind. So wie manche Kinder bereits mit elf Monaten laufen und andere damit erst mit 16 Monaten beginnen, so entwickeln sich auch alle anderen Dinge bei jedem Kind individuell verschieden und diese Entwicklung lässt sich begleiten, aber nicht beschleunigen. In einem amerikanischen Buch über die Entwicklung von Kindern (Aldrich: „Babys are Human Beeings"‘) habe ich einmal den wichtigen Satz gefunden „Damit Kinder sich gut entwickeln können, sind liebevolle Fürsorge und ein beständiges, direktes Eingehen auf ihre Bedürfnisse so ausgesprochen wichtig". Das steht zwar manchmal im Widerspruch zu unserem „modernen, westlichen" Lebensstil, aber es zahlt sich langfristig aus. Außerdem stellt sich doch auch die Frage: Ist der seelische Hunger nicht ebensowichtig wie der körperliche Hunger? Warum sollte es weniger wichtig sein, das Bedürfnis des Babys nach Nähe und Geborgenheit zu stillen, als seinen körperlichen Hunger zu stillen? Es gibt unzählige Gründe, warum ein Kind nachts (wieder vermehrt) aufwacht und die Nähe und Geborgenheit und auch Nahrung an der Brust sucht. Die Kinder beginnen um diesen Zeitraum die Welt sehr konkret zu erleben, sie müssen das am Tag Erlebte in der Nacht verarbeiten, sie lernen neue Fähigkeiten (umdrehen, robben, krabbeln, gezieltes Greifen ...), sie beginnen den Unterschied zwischen fremd und bekannt zu erkennen . All dies ist ungeheuer aufregend und auch anstrengend. Dazu kommt, dass sich die Zähne verstärkt bemerkbar machen, dass vielleicht die erste Erkältung kommt ... Insgesamt sind dies eine Menge Gründe unruhiger zu sein und nachts immer wieder aufzuwachen. Abgesehen von den umstrittenen Schlaftrainingsprogrammen, die von Stillexperten nahezu einhellig abgelehnt werden, bleibt dir in dieser Zeit nicht viel, als geduldig zu bleiben und sich die Tage und Nächte so einfach wie möglich zu gestalten. Seit Jahrtausenden und in unzähligen Kulturen ist das Stillen und gemeinsame Schlafen eine bewährte Methode Kinder glücklich, gesund und zufrieden aufwachsen zu lassen. Das Saugen wirkt beruhigend und nicht umsonst wurden im Laufe der Zeit die verschiedensten Brustattrappen (z.B. Schnuller s.o.) erfunden. Von der Natur ist es nicht vorgesehen, dass ein Baby oder Kleinkind allein ist und alleine einschläft. Nur passt dieses „natürliche" Verhalten des Kindes nicht in unsere derzeitige Zeitströmung und damit haben wir ein (von uns selbst produziertes) Problem: Babys und Kleinkinder wissen nicht, was zur Zeit „Mode" ist und benehmen sich so, wie sie es seit Anbeginn der Menschheit getan haben und Eltern, die nicht in das „Schema der derzeitigen Mode" passen, werden verunsichert. Wo schläft Ihr Baby denn? Die Nächte können sehr viel einfacher werden, wenn das Baby in unmittelbarer Nähe der Mutter schlafen kann. Für die Mutter ist es sehr viel praktischer, wenn das Baby mit im eigenen Bett liegt (was weltweit bei Mehrzahl aller Kinder und in unserer Kultur sehr viel mehr als von den Eltern zugegeben wird der Fall ist) oder auf einer Matratze oder in einem Kinderbett direkt neben ihrem Bett. Die Mutter muss nachts nicht aufstehen, muss nicht erst richtig wach werden, sondern kann im Liegen stillen und unmittelbar danach weiterschlafen. Auch das Kind muss gar nicht erst richtig wach werden und zu schreien beginnen und kann somit auch schneller wieder einschlafen. Auf diese Weise kann viel Kraft gespart werden und die Nächte verlaufen für alle Beteiligten ruhiger. Wenn Sie gerne lesen und ein Buch lesen möchten, das sich mit dem Thema Schlaf auseinandersetzt und dessen Autor beim Thema Schlaf auch Achtung vor dem Baby zeigt und dessen Bedürfnisse ernst nimmt, kann ich Ihnen wärmstens „Schlafen und Wachen - ein Elternbuch für Kindernächte" von Dr. William Sears empfehlen, das im Buchhandel, bei der La Leche Liga und jeder LLL-Stillberaterin (auch bei uns) erhältlich ist. LLLiebe Grüße Biggi Welter


Mitglied inaktiv

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Hallo! Mein Sohn ist jetzt 19 Wochen alt und wird noch voll gestillt. Seit der 12. Woche schläft er in seinem eigenem Zimmer und schläft seitdem auch durch (ca. 11 Std. am Stück). Wir legen ihn "wach" zwischen 8-9 Uhr ins Bett und er schläft dann dort alleine ein! Anfangs ist er nochmal so gegen 3-4 Uhr gekommen. Ich habe ihn dann allerdings nicht hochgenommen sondern im Bettchen liegen lassen, den Nuckel in den Mund gesteckt und ihn gestreichelt und ihm etwas vorgesummt bist er eingeschlafen ist. So hat er gelernt, dass er zwar nicht alleine ist, aber nicht umbedingt die Brust nötig ist um einzuschlafen. Viele Glück :-) LG Tina


Mitglied inaktiv

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Liebe Biggi, in Deinem Antwortschreiben sprichst Du mir wirklich aus der Seele. Mein Sohn schläft im Moment des öfteren bei uns im Bett. Wir hatten auch überlegt, sein Bettchen, was nebenan in seinem Zimmer steht, zu uns zu stellen. Das Herz möchte dies auch, nur habe ich Angst, dass mein Sohn dann ewig bei uns im Bett schlafen möchte. Man hört ja immer von diesem "VERWÖHNEN". Vielen Dank nochmal für die beruhigenden Worte, die wirklich auch meiner Einstellung entsprechen, aber , vielleicht auch aus mangelndem Selbstbewusstsein, immer aufgrund der äußeren Einflüsse als falsch abgetan werden. Das Buch habe ich mir bereits herausgeschrieben und werde es mir zu einverleiben. Die rund ums Baby Seite ist wirklich toll.


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