Frage im Expertenforum Recht an Nicola Bader:

unfallversicherung

Nicola Bader

 Nicola Bader
Rechtsanwältin, Fachanwältin für Familienrecht

zur Vita

Frage: unfallversicherung

Mitglied inaktiv

Beitrag melden

Können wir als Eltern von den Trägern der Kinderkrippe bzw. des Kindergartens gezwungen werden (ansonsten wird das Kind nicht angenommen) eine Unfallversicherung abzuschließen? Sind die Kinder in den Einrichtungen nicht gesetzlich versichert? Wenn ja, ist das auch die Berufsgenossenschaft und in welchem Gesetz ist das geregelt? Besten Dank im Voraus!


Nicola Bader, Rechtsanwältin

Nicola Bader, Rechtsanwältin

Beitrag melden

Hallo, Das Entstehen der Aufsichtspflicht Das Recht und die Pflicht, das Kind zu beaufsichtigen ist zunächst Teil des Personensorgerechts der Eltern (§ 1631 Bürgerliches Gesetzbuch). Die Beaufsichtigung dient dem Schutz des Kindes und dem Schutz Dritter vor Schäden, die das Kind anrichten könnte. Die Aufsicht über das Kind kann einem anderen übertragen werden. Bei der Aufnahme in den Kindergarten erfolgt dies durch einen Vertrag, der oft mündlich mit der Leiterin des Kindergartens als Vertreterin des Trägers abgeschlossen wird. In diesem Vertrag über die Betreuung und Erziehung des Kindes im Kindergarten muss nicht einmal ausdrücklich erwähnt sein, dass der Träger der Einrichtung die Aufsicht für die Zeit übernimmt, in der sich das Kind in der Einrichtung befindet. Neben der vertraglichen Übernahme kann die Aufsichtspflicht auch durch tatsächliches Verhalten entstehen. Kinder, die die Einrichtung nur in Begleitung der Eltern besuchen, sind zwar grundsätzlich durch den Erziehungsberechtigten zu beaufsichtigen. Wird ein Kind aber an einem Spiel oder einer Aufgabe beteiligt, entsteht schon hierdurch die Aufsichtspflicht des Kindergartens. Der Kindergartenträger (in der Regel eine Gemeinde, Kirchengemeinde, ein eingetragener Verein) überträgt seinerseits durch Arbeitsvertrag oder Dienstanweisung die Betreuung der Kinder auf das Kindergartenpersonal. Damit wird auch stillschweigend die Aufsichtspflicht weiter übertragen. Aufsichtspersonen Die Leiterin des Kindergartens hat aufgrund des Arbeitsvertrags oder Dienstanweisung die Aufsicht über den ganzen Kindergarten. Die Gesamtverantwortung beinhaltet, dass sie die anderen pädagogischen Kräfte anleiten und überwachen muss. Ein kooperativer Führungsstil schärft das Bewusstsein der Mitarbeiter auch hinsichtlich ihrer Aufsichtspflichten. Die Leiterin bleibt aber auch dann verpflichtet, ungenügende Aufsichtsführung zu beanstanden, Weisungen durchzusetzen und äußerstenfalls den Träger einzuschalten. Die anderen pädagogischen Kräfte des Kindergartens haben zunächst die Kinder in ihrer Gruppe zu beaufsichtigen. Eine genaue Abgrenzung ihrer "Zuständigkeit" kann es nicht geben, insbesondere wenn sie gruppenübergreifende Aktionen durchführen. Eine Erzieherin wird daher auch bei Gefahren einschreiten, die Kindern anderer Gruppen drohen. Die Leiterin der Einrichtung oder Erzieherinnen können Eltern, Praktikanten oder andere Personen mit der Aufsicht beauftragen. Ein solcher meist mündlicher Auftrag ist verbindlich. Der Umfang eines Auftrags an geeignete und in erforderlichem Maß angeleitete Personen hängt davon ab wieweit diese die Kinder der Gruppe kennen und deren Verhalten einzuschätzen wissen ob sie zu echter Kooperation mit dem Erzieher bereit sind wie oft und wie lange sie bereits im Kindergarten mitgearbeitet haben welche Erfahrung sie gesammelt haben. Auch hier ist immer noch eine der Situation angemessene Überwachung erforderlich. Beginn und Ende der Aufsichtspflicht Grundsätzlich beginnt die Aufsicht über die Kinder bei dem Betreten des Kindergartengeländes zu Beginn der Öffnungszeit und endet mit dem Verlassen nach der Öffnungszeit. Auf den Wegen zwischen dem Kindergarten und dem häuslichen Bereich sind die Eltern aufsichtspflichtig. Die Leiterin des Kindergartens und die Erzieher können mit den Eltern abweichend vereinbaren, dass die Kinder früher kommen, später abgeholt oder an einer anderen Stelle zur Betreuung übergeben werden. Dann entsteht auch die Aufsichtspflicht. Wenn sich die Eltern nicht an Vereinbarungen oder die allgemein bekannten Regeln halten, hilft oft ein klärendes Gespräch im Rahmen eines Elternabends. Kindergartenträger und Erzieher sind verpflichtet, die Kinder aus ihrem Aufsichtsbereich heraus ordnungsgemäß in den Aufsichtsbereich der Eltern zu übergeben. Grundsätzlich erfolgt die Übergabe nur an eine autorisierte Aufsichtsperson. Holt niemand das Kind ab, muss der Erzieher auf zu spät kommende Eltern warten, diese evtl. anrufen oder veranlassen, dass das Kind von einer vertrauenswürdigen Person mit nach Hause genommen wird. Keinesfalls dürfen Erzieher das Kind alleine lassen. Kinder im Kindergartenalter sind im allgemeinen den Gefahren des Straßenverkehrs noch nicht gewachsen. Oft erlauben die Eltern aber, dass ihr Kind den Kindergartenweg alleine zurücklegt. Daran kann sich auch der Kindergarten halten. Wenn aber die Erzieher wegen der Gefährlichkeit des Wegs oder wegen des erkennbaren Unvermögens eines Kindes, den Weg alleine zu bewältigen, Bedenken haben, dürfen sie das Kind nicht in eine Gefahrensituation entlassen. Ein Elterngespräch, u.U. zusammen mit einem Vertreter des Kindergartenträgers sollte Meinungsverschiedenheiten über diese Frage beilegen können. Notfalls kann der Kindergartenträger sogar den Kindergartenvertrag kündigen. Ausnahmsweise übernimmt der Kindergartenträger die Aufsicht auch für die Wege zwischen häuslichem Bereich und Kindergarten, wenn er z.B. in ländlichen Gegenden den Transport der Kinder mit einem Zubringerdienst organisiert. Dann nimmt er die Kinder bereits beim Besteigen eines Busses in Obhut und hat die Aufsicht zu übernehmen. Dies kann durch eine Busbegleitung (Erzieherin oder Eltern) erfolgen. Für die Übergabe der Kinder oder den Restheimweg ab der Heimathaltestelle gelten dann wieder die oben genannten Regeln. Inhalt der Aufsichtspflicht Hauptaufgabe des Kindergartens ist die Erziehung des Kindes, nicht dessen Beaufsichtigung. Deshalb richten sich Art und Umfang der Aufsicht nach den Erziehungsaufgaben und nicht umgekehrt. Aus diesem Grund gibt es auch keine festen Regeln, wie und in welchem Umfang die Aufsicht ausgeübt werden muss. Keinesfalls darf sie pädagogische Maßnahmen einschränken. Das Maß der Aufsicht ist also immer situationsbezogen und abhängig von den Umständen des Einzelfalles. Die Anforderungen an die Aufsicht lassen sich mit einer vernünftigen Pädagogik vereinbaren, berücksichtigen das Ziel der Erziehung zur Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit und schränken das Kind nicht in seinem Recht auf die Ausschöpfung seiner Erfahrungsmöglichkeiten ein. Inhalt und Umfang der Aufsicht werden also von verschiedenen Faktoren in verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten bestimmt: Die Person des Kindes insbesondere seine geistige, seelische und körperliche Reife. Gesichtspunkte des Gruppenverhaltens Zum individuellen Verhalten des Kindes kommt in Gruppen eine eigene Dynamik hinzu, die zu einer anderen Art der Aufsicht veranlassen kann. Gefährlichkeit der Beschäftigung Ruhig malende oder bastelnde Kinder sind anders zu beaufsichtigen, als herumtollende Kinder auf dem Spielplatz. In ein Gruppenspiel eingebundene Kinder sind anders zu beaufsichtigen, als eine Kindergartengruppe im Straßenverkehr. Örtliche Verhältnisse Ein abgeschlossenes Kindergartengelände, öffentlicher Verkehrsraum oder besondere Gefahren bei Ausflügen bedingen eine unterschiedliche Intensität der Aufsicht. Hier kann evtl. schon im Vorfeld ein Erkundungsgang erforderlich sein. Gruppengröße Größere Gruppen erfordern ebenfalls je nach Situation eine strengere Aufsicht, die oft von den Erziehern nicht geleistet werden kann. Hier empfiehlt es sich, ausgewählte und eingewiesene Eltern in die Aufsicht mit einzubinden. Handelt es sich zudem um eine etwas gefährlichere Beschäftigung (z.B. Schwimmbadbesuch), muss die Gruppe so klein sein, dass sie überschaubar bleibt. Zumutbarkeit Eine ständige Überwachung "auf Schritt und Tritt" ist für Kinder im Kindergartenalter nicht erforderlich - und oft nicht möglich. Dahin zielende Maßnahmen wären unzumutbar. "Gefährliche Tätigkeiten" wie der Umgang mit Scheren oder das Klettern auf Bäume müssen den Kindern nicht grundsätzlich verboten werden, zumal wenn sie "das zu Hause dürfen". Die Rechtsprechung berücksichtigt diese Faktoren, wenn das Maß der Aufsicht zu beurteilen ist: "Das Maß der gebotenen Aufsicht bestimmt sich nach Alter, Eigenart und Charakter der Kinder, nach der Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihrem jeweiligen Verhalten zugemutet werden kann. Entscheidend ist letztlich, was ein verständiger Aufsichtspflichtiger nach vernünftigen Anforderungen im konkreten Fall unternehmen muss, um die Schädigungen Dritter durch das Kind zu verhindern." Verkehrssicherungspflicht Der Träger einer Einrichtung muss dafür sorgen, dass die Einrichtung verkehrssicher ist. Jeder, der ein Gebäude oder ein Gelände für den allgemeinen Verkehr zugänglich macht, muss alles Zumutbare tun, um voraussehbare Schäden Dritter zu verhindern. Die Leiterin der Einrichtung muss den Zustand des Kindergartens überwachen und auftretende Mängel beseitigen, beseitigen lassen oder den Träger zur Beseitigung veranlassen. Hilfe bieten Regelwerke zur sicheren Einrichtung von Kindergärten und Spielplätzen, die bei den zuständigen Unfallversicherungsträgern erhältlich sind. Diese bieten auch eine Besichtigung und Beratung "vor Ort" durch besonders geschulte Personen an.


Nicola Bader, Rechtsanwältin

Nicola Bader, Rechtsanwältin

Beitrag melden

... Haftung Die Haftung ist die Kehrseite der Aufsichtspflicht: Sie entsteht, wenn ein erfordertes Verhalten - etwa eine erforderliche Aufsicht nach den oben genannten Kriterien - nicht oder nur schlecht erfüllt wurde. Die zivilrechtliche Haftung führt zur Verpflichtung, eine für eine entstandene Körperverletzung oder Sachbeschädigung Schadensersatz zu leisten, die strafrechtliche Haftung führt zu einer strafrechtlichen Sanktion, die dienstrechtliche Haftung hat dienstrechtliche, arbeitsrechtliche oder disziplinarische Konsequenzen. Unfallversicherungsschutz Nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 a SGB VII sind Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen gesetzlich unfallversichert. Nach bisheriger Rechtsauffassung waren in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kindergartenkinder versicherungspflichtig, die aufgrund eines Betreuungsvertrages auf Dauer in den organisatorischen Verantwortungsbereich eines Kindergartens eingegliedert werden. Die Kindergärten haben in den letzten Jahren zunehmend flexibel weitere Betreuungsaufgaben übernommen. Sie sollen damit dem Wandel in Familie und Gesellschaft Rechnung tragen und berufstätige Eltern unterstützen. So können auch Schulkinder am Nachmittag im Kindergarten beaufsichtigt und bei den Hausaufgaben betreut werden. Andere Kindergärten bieten an, Schulkinder oder unter dreijährige Kinder stunden- oder tageweise z. B. während der Verhinderung der Eltern oder einer sonstigen Betreuungsperson (z. B. Arztbesuch, Krankenhausaufenthalt) aufzunehmen. Das Sozialgesetzbuch - Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung - hat die Reichsversicherungsordnung als Versicherungsgrundlage abgelöst. Der Gesetzgeber hat dabei den Begriff "Kindergarten" durch "Tageseinrichtung" ersetzt, um der geänderten Funktion der Betreuung von Kindern und Jugendlichen Rechnung zu tragen. Aufgabe der Tageseinrichtungen ist nach § 22 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Achtes Buch, Kinder- und Jugendhilfe - die Betreuung, Bildung und Erziehung des Kindes. Das Leistungsangebot soll sich pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und ihrer Familien orientieren. 1971 wurde bei der Einführung der Versicherung für den Besuch des Kindergartens als erste Stufe des Bildungswesens gefordert, dass er primär der Teilnahme an Maßnahmen zur Förderung und altersgemäßen, d. h. vorschulischen Erziehung dient und gerade nicht der beaufsichtigten Betreuung des Kindes. Für die Unfallversicherung war Voraussetzung, dass das Kind in ein auf eine gewisse Dauer angelegtes, pädagogisches Betreuungskonzept des Kindergartens integriert sein muss. Nach der so geänderten Rechtslage sind die Besuchskinder gesetzlich unfallversichert. Das steht unter dem Vorbehalt einer anderslautenden Rechtsprechung. Es genügt aber nicht, wenn ein Kind sich "irgendwie" in der Einrichtung aufhält. Es muss mit Zustimmung, d. h. Wissen und Wollen des Trägers der Einrichtung bzw. des von ihm beauftragten Personals "in die Betreuung" der Tageseinrichtung aufgenommen worden sein. Art und Zeitdauer des Aufenthaltes müssen also zwischen Eltern und Kindergarten abgesprochen werden. Eine schriftliche Vereinbarung ist nicht zwingend erforderlich. Unversichert bleibt weiterhin z. B. das Schulkind, das am Nachmittag den Spielplatz des Kindergartens nutzt und dort stürzt. Das Gleiche gilt, wenn ein Kind ein "reguläres" Kindergartenkind in den Kindergarten begleitet, dort nicht abgewiesen und beispielsweise für einen Vormittag geduldet wird. Der Versicherungsschutz umfaßt nach § 8 SGB VII auch die direkten Wege von und zum Kindergarten, vom Kindergarten zu einer externen Veranstaltung und von dort zurück oder nach Hause. Er besteht unabhängig vom Verkehrsmittel oder vom Weg, den die Kinder im Rahmen einer Fahrgemeinschaft zurücklegen. Die gesetzliche Unfallversicherung erbringt die Ersatzleistung für Körperschäden bei Kindern und wirkt für die Erzieher wie eine Haftpflichtversicherung. Nach §§ 104, 105 SGB VII haften weder der Träger, noch die Erzieher oder die Kinder untereinander für Personenschäden, die sich im Rahmen einer Kindergartentätigkeit ereignen. Der Gesetzgeber hat diesen Schadensersatzanspruch ausgeschlossen, um zum harmonischen Ablauf des Kindergartenbetriebs, zum Frieden im Kindergarten beizutragen. Langwierige Streitigkeiten um Ersatzansprüche, die eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Eltern, Erziehern und Träger des Kindergartens verhindern könnten, sollen ausgeschlossen sein. Die gesetzliche Unfallversicherung wirkt insoweit wie eine Haftpflichtversicherung bei Personenschäden für die Beteiligten. Ausnahmsweise tritt eine Haftung ein, wenn der Unfall vorsätzlich herbeigeführt wurde (der Fall tritt bei Erziehern nicht auf). Für die Aufwendungen des Unfallversicherungsträgers haftet der Verantwortliche bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens. Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und unbeachtet lässt, was jedem hätte einleuchten müssen. Die Kinder selbst müssen für unbedachte Handlungen, die zu einem Personenschaden eines anderen Kindes führen, nicht eintreten. Ihnen fehlt in der Regel die notwendige Einsichts- und Steuerungsfähigkeit. Für Sachschäden gilt dieses Privileg nicht. Sachschäden sind schon zu ersetzen, wenn der Verantwortliche nur fahrlässig gehandelt oder fahrlässig eine ihm obliegende Pflicht nicht beachtet hat. Für solche Schäden haben die meisten Träger eine private Haftpflichtversicherung für ihre Bediensteten abgeschlossen, die in einem Schadensfall die Kosten für den Ersatz von Sachen des Kindergartenkindes oder eines Dritten übernimmt.


Bei individuellen Markenempfehlungen von Expert:Innen handelt es sich nicht um finanzierte Werbung, sondern ausschließlich um die jeweilige Empfehlung des Experten/der Expertin. Selbstverständlich stehen weitere Marken anderer Hersteller zur Auswahl.