Frage im Expertenforum Kochen für Kinder an Dipl. oec. troph. Birgit Neumann:

Wählerisches Mädchen

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann

Dipl. oec. troph. Birgit Neumann
Diplom Ökotrophologin und Ernährungsberaterin

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Frage: Wählerisches Mädchen

Ella85

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Sehr geehrte Frau Naumann, Ich hoffe Sie haben Tipps für mich. Meine Tochter 4,5 war schon immer sehr wählerisch. Habe sie 21 Monate gestillt, da sie keinen Brei mochte u sehr wenig gegessen hat. Leider ist es immer noch So dass sie sehr wählerisch ist. Gerne isst sie Nudelsuppe Kürn issuppe Nudeln mit Bolognese Pizza Reis ohne Spass. Das war's eigentlich. Im Kiga ist es jetzt auch problematisch da sie dort nicht essen will u ihr somit das Kiga gehen sehr schwer fällt....haben Sie vielleicht einen Tipp für ein Kochbuch. Sodass ich ein paar Ideen bekomme was ich koche könnte? Dsnke


Birgit Neumann

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Hallo Ella85 deine Tochter hat vermutlich eine stark ausgeprägte Neophobie, die sie davon abhält einfach und angstfrei mit zu essen. Deine Tochter hat nur einige wenige Gerichte, die sie gut und gerne isst, was den Essalltag, sei es zuhause oder in der KiTa sehr erschwert. Neue Speisen und genussvolles, gemeinschaftliches Essen fällt ihr schwer. Ist das so richtig? Bereits die Beikost und nachfolgend die Familienkostphase verlief, wie du schreibst, bereits nicht ganz optimal. Deine Tochter wollte nicht recht essen. Nur beovrzugt Mumi trinken. Hast du das Thema schon einmal beim KiA angesprochen? Was sagt er dazu? Ist deine Tochter soweit sonst vollkommen altersgerecht in ihrer Entwicklung? Ca 3/4 aller Kinder haben diese sog. Neophobie (eine Angst, neue Speisen zu probieren), ergo sind nur ca 25% aller Kinder so neugierig, dass sie alles probieren und ggf essen, was man ihnen anbietet. Unter den 75% der Neophoben gibt es nochmals 3 Untergruppen: 1. Kinder sagen "nein" – aber probieren doch 2. Kinder sagen "nein - probieren und bleiben bei "nein, mag ich nicht". Entweder ist ein Kind gerade in einer ausgeprägten Phase zur Autonomie, oder es liegt eine Art Machtkampf vor. Oder ein Kind hat die Speise noch nicht allzu häufig probiert und empfindet den Gesamteindruck als komisch. Abhilfe: immer mal wieder neu probieren lassen. 3. Kinder sagen "nein" und bleiben bei "nein, mag ich nicht" - ohne überhaupt zu probieren - sie haben eine sehr stark ausgeprägte Form. Häufig ist diese verweigernde Haltung hier gepaart mit anderen Verhaltensauffälligkeiten. Bspw sehr ängstlichen Kindern, häufiger bei Autismus, sonstigen Entwicklungsstörungen. Jede Anstrengung die Kinder zum Probieren bringen zu wollen sei es verbal oder durch Fütterversuche verstärke die Neophobie sogar. wo siehst du deine Tochter? Ich schriebe dir hier ein paar mögliche Tipps zur Änderung der Problematik und ein paar Hintergrundinfos: Das zu essen, was Kinder kennen und was ihnen schmeckt, das gibt ihnen Sicherheit, und vermittelt ihnen Geborgenheit. Das ist einfach so. Es ist die oben erwähnte sog. Neophobie. Es ist die angeborene und evolutionär begründete Angst vor neuem und unbekanntem Essen. Die Neophobie wird am besten überwunden, wenn Kinder viele Gelegenheiten haben, andere essende Personen zu beobachten. Durch den vorhandenen Nachahmungsinstinkt wollen sie das gleiche essen und sie probieren kleine Mengen von den Speisen, die andere Esser "voressen". Wie gut konnte deine Tochter diese Anpassungszeit während der Familienkostphase für sich nutzen? Hatte sie genügend Zeit und Raum für Essexperimente? Oder hat sie auch damals kaum Interesse an dem gezeigt, was andere Personen gegessen haben? Je aktiver ein Kind in eine Tischgemeinschaft integriert ist, je selbstverständlicher das gemeinsame Essen ist, desto besser. Habt Spaß bei Tisch, esst leckeres Essen, gemeinsam, haltet die Atmosphäre bei Tisch gut, deckt den Tisch hübsch ein und nehmt euch Zeit. Deine Tochter sollte möglichst viele verschiedene und vielfältige Esseindrücke sammeln können - ungezwungen und auf spielerische Art. Es darf alles dabei sein - von der salzigen Olive über Naturjoghurt, über Schokolade über scharfe Kresse über ... bis hin zum Hamburger. Und probieren ist überall erlaubt, wo sich die Gelegenheit bietet. Häufig ist es gar nicht Esstisch, sondern andernorts in unerwarteten Momenten. Je häufiger sie dabei positive Erfahrungen machen, desto lieber probiere sie wiederum Neues bei folgenden Malen. All das mündet in sog. gustatorische Erfahrungen. Diese gustatorischen Erfahrungen bilden die Grundlage für den Appetit. Essen darf spielerisch erlebt werden - am besten mit allen Sinnen und mit ganz viel Spaß. Ohne Erwartung. Eine Speise in der Bäckerei (im Café) findet häufig schneller Zuspruch, weil die ganze Atmosphäre mitwirkt. Eine entspannte Mama, freundliche Menschen ringsum, der Kuchenduft in der Luft, Zeit... Kinder verknüpfen all diese Erfahrungen mit dem Lebensmittel und dem Geschmack, einschließlich seiner Wirkung. Das prägt und macht Spaß. Es geht um einen Eindruck. Wenn etwas gefällt, wird mehr gefordert . Es geht darum, den Geschmackssinn, die Geschmackswahrnehmung zu fordern und zu schulen. Je mehr Eindrücke deine Tochter erhält, desto besser kann sich ihr persönlicher Geschmack herausbilden. Deine Tochter braucht dafür keine große Menge vom Neuen zu essen. Sinnvoller ist hier, dass die Speisen, an die sie sich langfristig gewöhnen soll(te), immer und immer wieder auf den Tisch kommen und in kleinen Mengen probiert werden kann. Für die Gewöhnung und das Kennenlernen von neuen Speisen ist die Kontinuität wichtiger als die Quantität. Habe nun ganz viel Vertrauen in dein Kind, dass sie ihr Essensrepertoire langsam immer weiter ausbauen wird. Das Zauberwort hierzu heisst: zwanglos. Aus eigenem Antrieb. Mit Spaß. Im Anhang findest du ein Bild für einen bunten Regenbogen-Fruchtnachtisch. je ein Teelöffel Erdbeermarmelade, pürierte Kiwi, pürierte Mango und zur Krönung blau gefärbte Kokosflocken (du kannst auch Blaubeeren oder blaue Trauben nehmen). Dazu ein Klecks Schlagsahne oder Grießbrei. Lass deine Tochter für dich, für Papa und für sie selbst das bunte Bild auf die Teller malen. Und warte ab. Wenn es ihr das Zubereiten Spaß macht, kannst du sie das Arrangement die ganze Woche zaubern lassen. Und irgendwann wird sie probieren. Und wenn es ihr gefällt, gib ihr Zeit sich daran zu gewöhnen, wird sie mit essen. Sie muss sich an die neuen Geschmäcker gewöhnen. Die verschiedenen Konsistenzen im Mund fühlen, den Geschmack, das Aroma erleben. Aber bevor ihre Bereitschaft da ist, überhaupt probieren zu wollen, also bevor deine Tochter die ausreichende Neugier entwickelt hat, muss sie sich vielleicht zunächst erst optisch daran gewöhnen. Der Umgang (selbst machen lassen) lässt die Neophobie ebenso schrumpfen und die Neugier wachsen. Binde deine Tochter darum so oft es geht in die Essensvorbereitungen mit ein. Lass sie die Nahrungsmittel anfassen. Ohne Probierzwang. Sie sollte die Lebensmittel bevor sie auf dem Teller landen einfach sehen und fühlen, riechen. Versuche sie mit viel Selbstverständlichkeit in das Thema Essen einzubinden. Lass sie den Tisch decken. Lass sie auf jedem Teller eine kleine Köstlichkeit platzieren. Das kann mal eine kleine Tomate sein, mal ein Streifen Möhre. Ritualisiere dieses Vorgehen bspw durch das Einführen einer Art Mini-Vorspeise in euren Essalltag. Platziere auf jedem Teller eine einzige Speise/Zutat. Warte ab, was sie damit anstellt. Wenn sie die Speise zerpflückt oder ansieht, seid ihr schon einen Schritt weiter. Kinder lieben auch klare Formen. Du kannst bspw das Gemüse für den Vorspeisenteller ausstechen, bzw deine Tochter ausstechen lassen. Auch hier hast du wieder eine zwanglose, zaghafte Annäherung erreicht. Ui, das ist jetzt eine ganze Menge. Meinst du, du kannst davon etwas umsetzen? Grüße Birgit Neumann P.S. siehe auch hier: https://www.rund-ums-baby.de/kochen-fuer-kinder/beitrag.htm?id=46567&suche1=neophobie&seite=1

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