Frage im Expertenforum Kochen für Kinder an Dipl. oec. troph. Birgit Neumann:

So kann es nicht weiter gehen!

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Frage: So kann es nicht weiter gehen!

MaiNeu

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Guten Tag! Heute muss ich jetzt doch mal was dazu schreiben, denn ich weiss echt nicht mehr weiter! Wir hatten schon immer das ein oder andere Problem mit unserem nun 3,5 Jährigen Sohn, wenn es um's Essen ging, aber jetzt geht es def. zu weit. Er isst nur noch was er genau kennt und wovon er weiss dass er es mag, alles andere wird nun nicht mal mehr probiert. Früher hat er immerhin nen Bissen versucht und dann entschieden ob er es mag oder nicht. Jetzt ist es so, dass wenn er sich in den Kopf setzt er mag es nicht, probiert er es nicht mal. Auch nicht wenn es Sachen sind, die er bisher immer gegessen hat. Ich denke das liegt an der KiTa, denn da werden sie nicht gezwungen zu probieren und so ernährt sich mein Kind dort von Früchten, Gemüse in Rohversion und Brot. Toll was?! Er braucht mind. 1 Stunde um seinen Teller leer zu essen, lässt sich 1000 Mal ablenken von der Katze, von Geräuschen etc pp., Das neuste ist dass er das Fleisch nicht mehr runterschlucken kann. Heute hat er alles heraus gespuckt ist zum Bett gerannt und hat dort auch wieder gespuckt. Ich bin so sauer und weiss echt nicht mehr weiter! Können sie mir weiter helfen? Wie kann ich ihm das Essen schmackhaft machen? Wie schaffe ich es, dass mein Kind ein normales Essverhalten erzielt??? Lieben Dank schon mal im Voraus! Verzweifelte Grüsse MaiNeu


Birgit Neumann

Birgit Neumann

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Hallo MaiNeu um deine Frage direkt aufzugreifen, kopiere ich sie hier hin: "Wie schaffe ich es, dass mein Kind ein normales Essverhalten erzielt???" Eine ganz einfache Antwort lautet: versuche kein großes Aufhebens daraus zu machen. Das ist vermutlich eine große Herausforderung für dich und zu leicht kommt Sorge auf. Mit viel Geduld und Liebe, einem Miteinander und klaren Regeln, wird bald alles wieder besser. Nicht wenige Kinder in diesem Alter sind sehr wählerische Esser und haben eine sehr eingeschränkte Speisenauswahl. Als Mama ist man schnell besorgt, wenn die Kinder nicht richtig essen und die Ernährung dadurch sehr eintönig wird. Um Veränderungen zu erzielen, braucht es Zeit und Geduld. Doch mit den richtigen Tools, die ich dir gleich schildern werde, wirst du deinen Kleinen zu einem ausgewogenen Speiseplan hinführen. Dein Kind hat möglicherweise eine sehr ausgeprägte Neophobie. Babies, Kleinkinder und Kinder, auch Erwachsene, haben diese mehr oder weniger stark ausgeprägte sog. Neophobie. Das ist eine Art Angst vor dem "neuen" Essen. Ursprünglich eine gute Schutzfunktion, denn gegessen wird nur das, was man kennt, denn Unbekanntes könnte giftig sein. Dieses Phänomen ist sogar in der Tierwelt vorzufinden - neue Dinge werden auch hier nur zögerlich von Jung und Alt gekostet. Und am besten wird das gegessen, was immer und immer wieder von allen nebenstehenden Personen auch verzehrt wird. Darum ist der gedeckte Familientisch so wichtig. Hier stehen immer wieder die gleichen Dinge und ab und zu etwas Neues. Und irgendwann frohlockt es, zuzugreifen. Je jünger die Kleinen sind, desto aufgeschlossener sind sie diesen neuen Angeboten. Ab etwa dem 18.Lm schränkt sich dieser Ess-Erlebnishorizont oft drastisch ein. Nochmals mit Beginn des Kindergartenalters, mit etwa 3 Jahren. Genau diese Erfahrung machst du gerade! Erst mit 6-8 Jahren und später ab etwa 12 Jahren werden wieder gerne neue Essabenteuer angegangen. Bis dahin wird am besten das verspeist, was die Kleinen gut kennen und mögen. Dabei sollte das Gericht schon optisch gut erkennbar sein. Die gerne gegessenen Speisen geben Sicherheit, dass das Essen einen guten Nutzen bringt, dass es gut vertragen wird und nährt. Mit einem guten Bauchgefühl können nun Erfahrungen in anderen Bereichen gesammelt werden, die Welt erkundet und erobert werden. Doch langsam und unmerklich lässt sich die Palette der Gerichte trotzdem erweitern. Keine Sorge. Den Zeitpunkt dafür bestimmen oft unerwartete Momente und Situationen. Manchmal ist so eine Situation nicht der Esstisch, sondern vielleicht der Spielplatz, bei der Oma, im Urlaub, im Restaurant etc. Oft dann, wenn man es nicht erwartet. Ermuntere dein Kind dazu, hin und wieder alles zu probieren. Einfach mit den Lippen, lecken, kosten, ausspucken, bei dir abbeißen, aus dem Topf naschen, riechen.... Nur über solche Erfahrungen kann dein Sohn sein Auswahlrepertoire erweitern. Über Spiele und Tricks funktioniert das am allerliebsten. Erklärungen, Bitten und Flehen helfen nur selten. Sei ein Vorbild - weniger durch Worte als durch dein adäquates und echtes vorleben. Durch das sog. soziale Lernen (Lernen durch Beobachten und Nachahmen) wird die Neophobie am besten überwunden. Kinder lernen durch Nachahmung und Wiederholung. Sie suchen sich hierzu Vorbilder. Das kann Mama oder Papa sein. Aber auch ganz andere Weggefährten können als Vorbild dienen. Das kann Oma sein oder eine Freundin, auch Vorbilder aus den Medien. Ermuntere dein Kind immer wieder dazu, mal etwas Neues zu probieren. Denn nur darüber können neue Esserfahrung gesammelt werden und neue Dinge akzeptiert werden. Doch überfordere ihn damit nicht. So kann die Auswahlpalette vergrößert und Appetit auf Neues gebildet werden. Biete Anreize bei leckeren Speisen zuzugreifen. Gib deinem Kind die vertrauten Speisen und erweitere spielerisch das Angebot. Meine Tochter war auch immer sehr skeptisch. Gefallen fand sie häufig an "exotischen" Dingen wie Litschis oder Physalis, Oliven, Felafel (Kichererbsenbällchen), Erbsensuppe, Couscous, etcetc. Bspw führte der Weg zum Kiga an dem Laden vorbei, der Felafeln im Angebot. Gerne habe ich dort auf dem Heimweg etwas mitgenommen. Durch die Konstanz, den Geruch, meinem Genuss beim Essen, bekam sie auch Appetit darauf. Zunächst hat sie nur zaghaft geknabbert, aber noch heute liebt sie diese Dinger. Am besten schmecken sie ihr genau dort. Und noch was: Verschiedene LM sättigen unterschiedlich. Süsse LM sind so begehrt, weil sie nahrhaft sind. Sprich, sie liefern auf kleinstem Raum viel Nahrungsenergie. Eine kleine Menge kann schon satt machen. Fett hat viele Kalorien, aber nimmt nur wenig Volumen ein, sodass eine Mahlzeit zwar klein erscheinen mag, weniger Essaufwand erfordert, aber trotzdem gut sättigt. Süßes vermittelt ein rasches Sättigungsgefühl. Pures Gemüse bspw dagegen hat zwar Vitamine Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe, aber bringt null Sättigung. Die sekundären Pflanzenstoffe hingegen sind manchmal schwerer verdaulich. Individuell verschieden. Deshalb wird Gemüse oft akzeptiert, wenn es entsprechend zubereitet wurde. Mit viel Fett wie bspw Rahmspinat . Erbsen haben einen leicht süßlichen Geschmack. Pizza ist fetthaltiger als ein Putenwurstbrot. Kinder müssen bis zu 10 mal etwas probieren, beovr sie es wirklich gut akzeptieren. Zum Probieren genügen oft schon mimimale Mengen. Und ausspucken sollte erlaubt sein. Ein einziger Bissen reicht für den Anfang oft schon aus. Was du noch tun könntest: Du kannst klare Regeln aufstellen. Damit lernen Kinder i.d.R. schnell umzugehen. Überleg dir, welche hilfreich sein könnten. Es sollten welche sein, die für alle Beteiligten kompromissloss durchführbar sind. Bspw: Es muss immer erst probiert werden, dann darf abgelehnt werden. Bpsw auch dass es was Süßes nur gibt, wenn vorher ordentlich gegessen wurde. Wenn das Mittagessen wirklich nicht schmeckt, dann gibt es stattdessen Alternativen wie herzhaft belegte Brote o.ä. Eine Wahlmöglichkeit sollte vorhanden sein. Pflanzt doch mal auf der Fensterbank eine Bohnenpflanze in einem kleinen Töpfchen an. Die könnt ihr bald ernten und Festessen draus machen. Da soll dein Kleiner sein Kuscheltier einladen und mit ihm die eigene Ernte verspeisen. Auch wenn es nur eine einzige Bohne ist....So kriegst du ihn dazu - Spiele helfen immer. Lass dein Kind, versuche ihm hin und wieder Neues schmackhaft zu machen und kontrolliere nichts. Bei guter Entwicklung hilft nur Geduld auf dass euer Kind den anderen Mitessenden nacheifert und wenn auch zögerlich, aber immerhin langsam und stetig ihren Esshorizont dadurch erweitert. Dies geschieht nicht durch Drängen, sondern durch echtes, adäquates Vorleben (selbst gerne essen) und eine entspannte und freudige Atmosphäre bei Tisch. Biete ein umfassendes Nahrungsangebot, aus dem dein Kind wählen kann. Extrawürste sollten nach Möglichkeit nur ganz selten gegeben werden, aber eine Auswahl bei Tisch ermöglicht es jedem, sein Wunschmenü zusammenzustellen. Da können Reste vom Vortag erlaubt sein, Brot oder Nudeln oder die gewohnte Salatgurke statt grünem Salat. Hilfreich ist trotzdem, Regeln aufzustellen und immer mal wieder neues zum Kosten anzubieten. Die Kontinuität im Probieren kann irgendwann eine Veränderung bewirken - zuvor weniger beliebtes wird plötzlich zur Lieblingsspeise. Kinder fordern uns Eltern immer wieder. Um dabei die Oberhand zu behalten, hilft es, Regeln aufzustellen. Damit lernt auch dein Kind bald gut umzugehen. Oder hat sich evtl doch schon ein kleiner Machtkampf entwickelt? Denn je mehr dein Kind verweigert und dadurch Aufmerksamkeit auf sich zieht, desto größer ist der Nutzen für dein Kind - nicht nur zu Hause, sondern auch in der KiTA. Wenn dein Kleiner gesund ist und gut gedeiht, brauchst du dir zunächst über evtl auftretende Mangelerscheinungen keine Gedanken zu machen. Vielmehr darüber, wie du die Situation wieder ändern kannst. Vielleicht befragst du mal Frau Schuster, ob sie dir einen konkreten Tipp oder Vorschlag geben kann. Besonders wichtig wäre deshalb zunächst, dass du für dich einmal klärst, wie du die Situation für euch beide entlastend verändern könntest. Wie könnten Änderungen beim Essen aussehen und wie könntest du diese herbei führen? Diese Änderungen solltest du bald, wenn die Zeit gekommen ist, konsequent durchführen. Es gibt immer Dinge, die Kinder nicht gerne mögen. Das war schon immer so, auch zu Großmutters Zeiten. Mach dir weniger Sorgen, dann wird das wieder. Ohne Druck und Zwang schmeckt alles besser. Nicht alle Kinder mögen alle Obst-und Gemüsesorten gerne essen. Manche essen gar nichts und manche haben zwei bis drei Lieblingssorten. Andere Kinder mögen Fleisch nicht so gerne essen und wieder andere verabscheuen Milchprodukte. Als Mutter kann man schon daran verzweifeln, wenn die lieben Kleinen nicht so essen wollen, wie man sich das wünscht. Und vor allem wie es in den allgemeinen Ernährungsempfehlungen geschrieben steht. Kinder wissen nichts von Ernährungsempfehlungen und essen einfach dann, wenn es ihnen schmeckt, oder wenn sie hungrig sind. Jedes Kind is(s)t unterschiedlich. Manche Kinder essen gern und viel und einfach alles bis auf wenige Ausnahmen. Manche Kinder essen wenig und sind dabei oft noch sehr mäkelige Esser. Das wichtigste Element ist zunächst einmal einfach die Tatsache, dass ein Kind überhaupt isst :-) Das klingt zunächst zwar sehr banal und ist dennoch die erste Vorraussetzung. Die ist bei euch erfüllt :-) Keiner muss alle Gemüsesorten mögen. Es macht die Speisenauswahl nur insgesamt einfacher, für alle Beteiligten. Magst du denn alle Gemüsesorten gerne? Früher mochte ich persönlich wirklich viele (aber nicht alle) Gemüsesorten. Schwarzwurzeln bspw kann ich auch heute noch nicht essen. Und auch Rucola ist mir absolut zuwider....Da würden keine noch so guten Argumente zählen. Essen ist überlebenswichtig. Da wir Menschen Allesesser sind, können wir aus einem großen Repertoire an Lebensmitteln schöpfen, die uns nähren. Was wir essen sollten, und welche Möglichkeiten der Auswahl wir haben, das gründet auf den Erfahrungen der Gesellschaft und Kultur, in der wir aufwachsen und leben. Wir Menschen sind recht anpassungsfähig. Allerdings muss man sich behutsam an neue Speisen heranwagen. *Besonders Kinder essen deshalb am liebsten immer das Gleiche! Nämlich das, was sie gut kennen und was sie am besten nährt. sieh auch einmal noch in folgendes Posting: http://www.rund-ums-baby.de/kochecke/Essen-Ideen-fehlen_37693.htm Vielleicht ist der Vorschlag auch etwas für euch? Und noch ein kleiner Exkurs: Kinder sind zwar manchmal eigen in ihrer Speisnauswahl und fürchten sich gewissermassen sogar vor neuen Speisen. Kurze Zusatzinfo:"Babies, Kleinkinder und Kinder, auch Erwachsene, haben zuweilen eine sog. Neophobie. Eine Angst vor dem neuen, unbekannten Éssen. Auch hier wieder, evolutionsbiologisch betrachtet, eine gute Schutzfunktion. Gegessen wird nur das, was man kennt. Denn Unbekanntes könnte giftig sein. Besonders bittere Speisen sind oft giftig. Deswegen wird ein bitterer Geschmack von Kindern meistens abgelehnt. Grüne Paprika schmecken gekocht meist bitter. Aber auch alte Möhren können manchmal bitterer sein. Kinder sollten bis zu 10 mal etwas probiert haben, bevor sie es wirklich gut akzeptieren und sich an den Geschmack gewöhnt haben. Zum Probieren genügen oft schon mimimalste Mengen. Und ausspucken sollte erlaubt sein. Auch der Geruchssinn spielt eine große Rolle. Denn noch bis ins Erwachsenenalter (lebenslang) hinein sind solche Erinnerungen mittels Geruchssinn aktiv, und die Bereitschaft später im Erwachsenenalter eine Speise zu probieren, ist dadurch sehr gross. Somit nimmt die Geruchsprägung noch vor der Geschmacksprägung eine wesentliche Rolle ein. Die einmal erlernten Geschmacksmuster, in frühester Kindheit, werden treu bis ins Erwachsenenalter hinein beibehalten. Muttermilchersatzpulver bspw. enthält gewöhnlich den Aromastoff Vanillin. Das Münchner Sensorikunternehmen ASAP hat hierzu eine Versuch durchgeführt: 130 Jugendliche und Erwachsene erhielten zwei fast identische Proben Ketchup. Die Proben unterschieden sich in der Zugabe von Vanillin zu einer Ketchupflasche. Der vanillinhaltige Ketchup wurde von ehemaligen Flaschenkindern 4 mal so häufig bevorzugt, als von ehemals gestillten Personen. Eine neuere Studie ergab, dass Kinder, die häufig aromatisierte Fruchtjoghurts assen, sich so sehr an die Aromen gewöhnen, dass sie dann den im Testversuch selber angerührten Joghurt mit frischen Früchten, als Kunstprodukt zu identifizieren glaubten. Fazit: Das Aroma der echten Früchte war ihnen so fremd, dass sie die künstlichen, naturidentischen, natürlichen Aromen, jeweils als den Geschmack von "echtem Obst" abgespeichert hatten und künftig diesen "unechten" favorisieren. Also dann Grüße B.Neumann


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