Mitglied inaktiv
Liebe Frau Neumann, mein "großer" Sohn (7 Jahre alt, 2. Klasse) treibt mich in den Wahnsinn. Er ist ein regelrechter "Suppenkasper". Die wenigen Speisen die er gern isst, kann man an einer Hand abzählen. Er probiert auch nichts neues aus. Was er nicht kennt, kostet er auch nicht. Sein einziges Milchprodukt: eine bestimmte Sorte Käse. Keine Milch, kein Joghurt. Nudeln gehen noch, aber bei Kartoffeln, Reis etc. hört es schon wieder auf. Sein einziges Obst: Äpfel. Kein Gemüse. Wenn es nach ihm ginge, gäbe es den ganzen Tag Kekse und Schnitzel (die isst er gern). Ich weiß nicht was ich mit ihm noch machen soll. Er steuert mir geradewegs in eine Essstörung rein. Ich kann mich auch noch nicht so richtig für einen Weg entscheiden, entweder ich koche immer alles wie es dem jungen Mann beliebt oder aber ich schimpfe - davon wird es ja aber auch nicht besser. Damit provoziere ich ja noch mehr Abneigung gegen das Essen. Ich habe noch zwei kleinere Kinder (4 und 3 Jahre), die essen gerne, gut und viel. Haben Sie einen Rat für mich? Vielen Dank im Voraus. Liebe Grüße Kathleen
Hallo Kathleen in diesem Alter kannst du Erziehungsmassnahmen erfolgreich umsetzen. Du kannst mit deinem Sohn Regeln erstellen. So ein Verhalten kann sich sonst verselbständigen und in Machtkämpfen enden. Hat sich da schon ein kleiner Machtkampf entwickelt? Klingt schon ein bisschen danach. Dein Sohn bekommt damit Aufmerksamkeit. Vielleicht befragst du mal Frau Schuster, ob sie dir einen konkreten Tipp oder Vorschlag geben kann. Probieren sollte dein Kind mindestens. Ausspucken erlaubt. Besonders wichtig ist, dass du für dich einmal klärst, wie Änderungsmassnahmen aussehen könnten und wie diese herbei geführt werden könnten. Diese solltest du, wenn die Zeit gekommen ist, konsequent durchführen. Bestimmt lernt dein Kind auch bald in der Schule einiges über "gesunde Ernährung". In diesem Alter kannst du schon handfest damit argumentieren, dass man viel fitter wird, wenn man richtig isst. Habt ihr das Buch "Essen" aus der Reihe Wieso, Weshalb, Warum. Das eignet sich als Anschauungsmaterial ganz gut. Ein Ziel wäre schon erreicht, wenn du dein Kind dazu bekommst, dass er neue Dinge wenigstens probiert. Biete besser kein "Extrawürstchen" an. Das merken Kinder nämlich schnell. Besser wäre, den Tisch mit Auswahlmöglichkeiten einzudecken, aus denen gewählt werden kann. Das bedeutet nicht, dass es fortan nur noch nach Kindes Kopf geht, doch stell dir vor, es wäre normal, dass verschiedene Speisen bei Tisch angeboten würden, da wäre die Auswahl größer. Dann bekommt dein Kind keine allzugroße Aufmerksamkeit durch eine Essenverweigerung, weil du nicht aufstehen musst oder dich aufregst. Auch Brot kann die Tafel bereichern und es sättigt. Ausserdem können im Alter deines Kinder Erziehungsmassnahmen helfen, wie bereits erwähnt. Wie könnten diese aussehen, damit sie euch beiden helfen? Und noch ein kleiner Exkurs: Kinder sind zwar manchmal eigen in ihrer Speisnauswahl und fürchten sich gewissermassen sogar vor neuen Speisen. Kurze Zusatzinfo:"Babies, Kleinkinder und Kinder, auch Erwachsene, haben zuweilen eine sog. Neophobie. Eine Angst vor dem neuen, unbekannten Éssen. Auch hier wieder, evolutionsbiologisch betrachtet, eine gute Schutzfunktion. Gegessen wird nur das, was man kennt. Denn Unbekanntes könnte giftig sein. Besonders bittere Speisen sind oft giftig. Deswegen wird ein bitterer Geschmack von Kindern meistens abgelehnt. Grüne Paprika schmecken gekocht meist bitter. Aber auch alte Möhren können manchmal bitterer sein. Kinder sollten bis zu 10 mal etwas probiert haben, bevor sie es wirklich gut akzeptieren und sich an den Geschmack gewöhnt haben. Zum Probieren genügen oft schon mimimalste Mengen. Und ausspucken sollte erlaubt sein. Auch der Geruchssinn spielt eine große Rolle. Denn noch bis ins Erwachsenenalter (lebenslang) hinein sind solche Erinnerungen mittels Geruchssinn aktiv, und die Bereitschaft später im Erwachsenenalter eine Speise zu probieren, ist dadurch sehr gross. Somit nimmt die Geruchsprägung noch vor der Geschmacksprägung eine wesentliche Rolle ein. Die einmal erlernten Geschmacksmuster, in frühester Kindheit, werden treu bis ins Erwachsenenalter hinein beibehalten. Muttermilchersatzpulver bspw. enthält gewöhnlich den Aromastoff Vanillin. Das Münchner Sensorikunternehmen ASAP hat hierzu eine Versuch durchgeführt: 130 Jugendliche und Erwachsene erhielten zwei fast identische Proben Ketchup. Die Proben unterschieden sich in der Zugabe von Vanillin zu einer Ketchupflasche. Der vanillinhaltige Ketchup wurde von ehemaligen Flaschenkindern 4 mal so häufig bevorzugt, als von ehemals gestillten Personen. Eine neuere Studie ergab, dass Kinder, die häufig aromatisierte Fruchtjoghurts assen, sich so sehr an die Aromen gewöhnen, dass sie dann den im Testversuch selber angerührten Joghurt mit frischen Früchten, als Kunstprodukt zu identifizieren glaubten. Fazit: Das Aroma der echten Früchte war ihnen so fremd, dass sie die künstlichen, naturidentischen, natürlichen Aromen, jeweils als den Geschmack von "echtem Obst" abgespeichert hatten und künftig diesen "unechten" favorisieren. Wichtig zu wissen ist, dass bei der Appetitsteuerung viele Faktoren zusammenspielen. Eine ganz wichtige Rolle spielt auch die individuelle Verdauung der Speisen, die u.a. von der mikrobiologischen Darmbesiedelung abhängt." Dennoch sollten Kinder differenzieren lernen, warum genau sie diese Speise nicht mögen. Ob es zu bitter sei, zu grün, zu scharf, zu salzig etc.Zu hart, zu fest, zu weich... Grüsse Birgit Neumann