LilaLaune123
Unser Sohn ist 5 Jahre alt und ein schwieriger Esser. Bis er (im Alter von zwei Jahren) mit der Kita angefangen hat, hat er alle Gerichte am Familientisch mitgegessen und war auch immer für Obst und alle Gemüsesorten zu begeistern. Kurz nach dem Kitastart wollte er dann viele Gerichte plötzlich nicht mehr essen. (Insbesondere wenn er gesehen hatte, dass einer seiner Freunde dieses Essen im Kindergarten nicht mochte.) Zunächst hielt ich das ganze noch für eine "Phase". Was sich aber als Irrtum heraus stellte. Inzwischen isst er nur noch Kartoffeln, Spinat, Möhren (auch roh) und Erbsen - ansonsten kein Gemüse, egal was ich anbiete. Ebenso mag er keine Käse oder Scheibenwurst auf seinem Brot. Nun hätte ich gern Tipps, wie ich seine ziemlich einseitige Ernährung wieder umstellen könnte. Ich habe bereits versucht ihm das Essen durch das Schneiden / Ausstechen von Formen schmackhaft zu machen oder Bilder zu legen (Gesicht aus Gemüse usw). Außerdem habe ich ihn oft in der Küche mithelfen lassen und wir haben gemeinsam Gemüse im Garten angebaut. Er hilft mit Begeisterung, mag die Sachen dann aber nicht probieren. Das einzige was aktuell funktioniert, ist die Sachen püriert z. B. in Suppen oder Soucen zu verstecken. Laut dem Kinderarzt ist sein Gewicht im Übrigen genau im Durchschnitt. Auch eine Blutuntersuchung war in Ordnung.
Hallo LilaLaune123 Als Eltern ist man schnell irritiert und besorgt, wenn die eigenen Kinder sehr einseitige und besondere Essvorlieben entwickeln. Du wünschst dir ein, in deinen Augen, unkomplizierter essendes Kind. Du suchst jetzt nach Inspiration, wie du deinen Sohn wieder soweit mit Essen versorgen und gut ernähren kannst, dass du zufrieden bist. Dein Sohn gedeiht gut und ist vollkommen gesund. Das ist an sich das, was zählt. Es besteht aus ernährungsphysiologischer und medizinischer Sicht demnach keinerlei Grund für Sorgen. Das ist prima, oder? Trotzdem wünschst du dir, das dein Sohn wieder unkompliziert und mehr Gemüsevielfalt essen würde. Auch bei anderen Speisen wünschst du dir mehr Unbeschwertheit und Anpassung an eure elterlichen Essvorlieben. Die Anpassung an verschiedene Gemüse klappt aber gut wie du schreibst, wenn es Gemüsesuppe gibt, also dann wenn die Gemüsesorten für dein Kind erstens nicht sichtbar sind und zweitens, wenn das Mundgefühl (püriert) stimmt. Sämtliche sonstigen Versuche führen momentan nur selten oder gar nicht zum gewünschten Ziel. Trotzdem hast du mit diesen Angeboten (bspw mithelfen lassen, gärtnern, Motive ausstechen,.. ) bereits schon sehr Pionierarbeit geleistet, was langfristig dafür sorgen wird, dass dein Kind in späteren Jahren mehr Vielfalt essen wird. Spielerisch erlebt, immer wieder die gleichen Dinge präsentiert, mit vielen Sinnen erfahren, das prägt nachhaltig. Hieraus bildet sich eine gute Basis! Gemüse muss nicht jeden Tag als Beilage auf den Teller kommen. So viel mal vorneweg. Es ist zwar eine gute Absicht, Gemüse als Beilage - fettarm aus dem Dampfgarer - zu reichen. Aber nicht jedes Kind greift hier beherzt zu. Viele Kinder verschmähen Gemüse und Co, wenn es pur vor ihnen auf dem Teller liegt. Sie schieben es vom einen Tellerrand zum andern. Wird das Gemüse in Speisen verpackt, auf Pizza, in Cremesuppen, in Sossen und anderen Gerichte, so wird auch verhasstes Gemüse meist kommentarlos gegessen. Inzwischen raten sogar Kinderärzte zu dieser einfachen Methode, damit Gemüse und Co in Kindermägen wandert. Es gibt dazu auch eine einfache Erklärung: Kinder sind sog. Supertaster: Geschmackseindrücke und Konsistenzen (das Mundgefühl) werden viel intensiver erlebt als von erwachsenen Personen. Geschmacks-und Tastrezeptoren sind bei ihnen im ganzen Mundraum verteilt, nicht nur auf der Zunge. Krümeliges, Trockenes, Hartes, Bitteres etc, alls das wird von ihnen sehr viel intensiver erlebt. Ein Säugling besitzt ca 10000 Geschmackrezeptoren, Erwachsene nur noch etwa die Hälfte. Sehr alte Menschen mitunter nur noch ca 2000. Besonders den Geschmackseindruck bitter lehnen viele Kinder ab. Es wurde auch beobachtet, dass Babys, welche HA-Nahrung bekamen, durchaus bitter schmeckende Lebensmittel akzeptieren. Auch die Intensität des Geschmackseindrucks süß wird von Kindern und Erwachsenen verschieden bewertet. Die sog. Reizschwelle für Süßes ist bei Kindern viel höher. Für die Praxis bedeutet dies: wenn du eine Speise als süß empfindest, ist das für dein Kind vermutlich gerade okay im Geschmack. Was du als viel zu süß bezeichnen würdest, bringt somit oft erst den Geschmackseindruck "süß" für dein Kind. Umgekehrt lehnt dein Kind bspw eine leicht bitter schmeckende Möhre ab, wohingegen du diese nicht als bitter schmeckend empfindest. Und wusstest du, dass Kinder am liebsten essen was sie kennen? Dann das gibt ihnen Sicherheit. Denn bei dem was sie kennen wissen sie, dass es ihrem Körper gut tut, dass es nicht schadet. Sie essen es, bis es ihnen wie man so schön sagt "aus den Ohren wieder herauskommt". Und plötzlich, nachdem wochenlang sehr monoton gegessen wurde, plötzlich wollen sie es nicht mehr. Dieses Phänomen hat sogar einen Namen: die sog. spezifisch sensorische Sättigung. Solche spezifischen Vorlieben wechseln immer mal wieder. Biete darum immer wieder bekannte Speisen und ermögliche deinem KInd lediglich Neues kennenzulernen, ohe Zwang. Ein Löffel von etwas Neuem? Das ist super. Eine Erbse oder ein Bissen von deinem Brot ebenfalls. Darauf lässt sich aufbauen. Essen hat nicht nur Geschmack (den wir verschieden wahrnehmen), Konsistenz, Nährstoffe und Vitalstoffe, sondern auch andere Begleitstoffe, sog. sekundäre Pflanzenstoffe. Die enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe sind manchmal schwerer verdaulich oder erfordern "Entgiftungsmechanismen". Deshalb wird Gemüse oft akzeptiert, wenn es entsprechend zubereitet wurde, weil die Zubereitungsweise eine direkte Auswirkung auf die Verdauung/Verdaulichkeit hat. Mittels bestimmter Verarbeitungstechniken (kochen, schälen, säuern, raspeln, fermentieren etc) ist es der Menschheit insgesamt gelungen, viele Lebensmittel essbar und geniessbar zu machen. Übrigens ist Obst deswegen beliebter, weil es im Vergleich zum Gemüse einfach nahrhafter ist. Es liefert auf kleinstem Raum viel Nahrungsenergie, d.h. Kalorien und sättigt besser, und : es hat viel weniger störende Begleitstoffe. Gekochtes Gemüse wird oft eher akzeptiert, wenn es in Gerichte eingebettet ist. Pizza ist ein gutes Beispiel. Die Tomaten gehören da einfach dazu und werden kommentarlos mitgegessen. Gemüse darf ruhig ordentlich weich gekocht sein und mit viel Fett zubereitet sein. Hier zeigt das Beispiel mit dem Rahmspinat (mit dem Extrablubb .-)), wie der Siegeszug angetreten werden konnte. Auch Kartoffeln oder Obstsaft zählen als Gemüse bzw Obstportion Auch in Fleischsossen (Gulasch/Braten) ist Gemüse im weitesten Sinne enthalten. So ist es gar nicht mehr sichtbar, Nährstoffe dennoch in die Sosse übergegangen. Mach dir also keine Sorgen. Auch dein Kind wird sich langfristig für mehr Nahrungsvielfalt begeistern. Je weniger du dein Kind drängst, desto eher und lieber werden sich langsam, in kleinen Schritten neue Dinge ergeben. Also dann Grüße Birgit Neumann