Valentine1
Lieber Herr Dr. Gagsteiger, ich habe ein 1.5 Jahre altes Kind, entstanden in meinem zweiten IVF Zyklus. Nun wünschen wir uns ein Geschwisterchen und sind bzgl der weiteren Vorgehensweise ein wenig unschlüssig. Wir haben noch einen frozen embryo (day 6) vom letzten Zyklus; der Arzt meinte, dieser hätte eine Chance von 25-30%. Allerdings wohnen wir mittlerweile in einem anderen Land, wo uns empfohlen wurde, einen neuen Zyklus zu starten und den frozen embryo in Reserve zu behalten. Der Grund ist, dass ich gerade 40 geworden bin und die neuen Ärzte meinen, dass ich jetzt noch die Zeit hätte, um neue gute Embryonen zu produzieren, jedoch wertvolle Zeit verliere, falls sich der frozen embryo einnistet und in einer Fehlgeburt endet. Grundsätzlich ist zu sagen, dass meine IVF Ergebnisse vor zwei Jahren sehr gut waren und meine Eizellreserve weiterhin unverändert gut ist (~15 Eibläschen ohne Stimulation). Außerdem gibt es weder auf meiner noch auf der Seite meines Partners eine Erklärung für die Infertilität. Es hat einfach mit 37 ca. ein Jahr lang nicht natürlich geklappt, woraufhin wir uns altersbedingt für Unterstützung entschieden hatten. Wir verstehen die Logik der neuen Ärzte, allerdings sind neue IVF Zyklen natürlich auch mit neuen Kosten, körperlicher Belastung etc verbunden. Und es ist ja auch so, dass nicht alle Frauen gleichermaßen den statistischen Erwartungen (was zB weitere Reduktion der Eizellreserve, Fruchtbarkeit etc) entsprechen... - ich also vielleicht auch in einem halben Jahr noch eine gute EZ Reserve habe, trotz Alter. Wie sollen wir am besten vorgehen? Vorrangiges Ziel ist einfach eine erfolgreiche Schwangerschaft. Ich wäre um Ihre Einschätzung und Beratung sehr dankbar. Beste Grüße, Valentine
Guten Abend Aus medizinischer Sicht hat Ihr Tag-6-Gefrier-Embryo, der im Alter von 38 Jahren entstanden ist, eine realistische Lebendgeburtschance von etwa 25 – 30 % pro Transfer – damit liegt er in derselben Größenordnung wie ein neuer frischer Embryo mit 40 Jahren, weil die höhere Aneuploidierate ab 40 den Gewinn durch „frisches Material“ wieder mindert. Ein Fehlversuch verzögert den nächsten Schritt in der Regel nur um einen Zyklus, also vier bis sechs Wochen; selbst eine frühe Fehlgeburt würde – Blutung und HCG-Abfall eingerechnet – häufig binnen acht Wochen einen Neustart erlauben. Damit verlieren Sie kaum mehr als einen Monat netto. Die ethische Dimension ist für viele Paare zentral: Ein bereits existierender Embryo ist nicht bloss „Biomaterial“, sondern potenzielles Leben, dem Sie vielfach eine besondere moralische Verpflichtung zuschreiben. Viele Menschen empfinden es als stimmiger, erst diesem Embryo die Chance auf Einnistung zu geben, bevor sie neue Embryonen erzeugen, um eine mögliche spätere „Überzahl“ an Embryonen und das Dilemma ihrer Verwendung oder Entsorgung zu vermeiden. Zudem minimieren Sie so den Verbrauch von Hormonen und Ressourcen und setzen Ihren Körper keiner erneuten Stimulation aus, solange nicht klar ist, dass es wirklich nötig ist. Demgegenüber steht die Sorge, durch einen eventuellen Fehlversuch kostbare Zeit zu verlieren. Medizinisch ist das Risiko real – die Fehlgeburtsquote liegt mit 40 bei rund 40–50 % –, aber der Zeitpuffer ist überschaubar und sollte gegen die ethische Priorität abgewogen werden. Wer einen starken inneren Anspruch verspürt, „nichts zurückzulassen“, und zugleich Kosten und Belastung niedrig halten möchte, kann guten Gewissens den gefrorenen Embryo zuerst transferieren. Misslingt dieser Versuch, bleibt immer noch die Option einer neuen Stimulation mit oder ohne PGT-A, die Sie dann unmittelbar anschließen können. Kurz gefasst: Wenn Ihr oberstes Ziel eine möglichst schnelle Geburt ist und Sie keinerlei Risiko mehrmonatiger Verzögerung akzeptieren, spricht einiges für sofortiges Embryo-Banking. Legen Sie aber hohen Wert darauf, vorhandenes Leben zuerst zu würdigen, und können Sie einen potenziellen Monat Zeitverlust verschmerzen, ist die Reihenfolge „Embryotransfer zuerst, neue IVF nur bei Bedarf“ nicht nur ethisch konsistent, sondern auch medizinisch vertretbar. Ich wünsche Ihnen eine gute Emtscheidung.
Valentine1
Lieber Herr Dr. Gagsteiger, vielen Dank für die rasche Antwort - Ihr Feedback ist sehr hilfreich. Die ethische Perspektive ist in meinem Gedankenkarussel bisher untergegangen, aber natürlich essentiell. Wäre denn der Embryotransfer auch durchführbar, wenn ich noch nicht ganz abgestillt habe? Vielen Dank nochmal - Valentine
Liebe Frau Valentine, kurz und direkt vorweg: Ja – ein Embryotransfer, insbesondere ein Frozen-Embryo-Transfer (FET), kann technisch auch stattfinden, wenn Sie noch teilweise stillen. Die Frage ist weniger, ob er möglich ist, sondern welches Risiko-/Nutzen-Profil für Sie, Ihr gestilltes Kind und den Embryo akzeptabel ist. Im Folgenden die wichtigsten Punkte in aller Kürze, danach die Details. Prolaktin & Zyklus Stillen hält das Prolaktin erhöht und kann die LH-Pulsatilität abschwächen. Wenn Ihre Zyklen jedoch schon wieder regelmäßig sind, ist die endometriale Reifung meist ausreichend. Endometrium-Vorbereitung Natürlicher Zyklus FET (ohne Östrogen) → günstig, da kaum Einfluss auf Milchmenge. Substitutions-Zyklus (Östrogen + Progesteron) → Milchmenge kann sinken; man kann mit niedrigen Pflasterdosen arbeiten und das Stillen ggf. rund um die Applikation timen. Sicherheit für das Still-Kind Die eingesetzten Hormondosen liegen weit unter den wöchentlichen Grenzwerten, die in Verhütungs-Studien als unbedenklich gelten. Klinisch relevante Nebenwirkungen beim gestillten Kind sind bislang nicht beschrieben. Erfolgsaussichten Kein klarer Nachteil beim Transfer selbst, aber bei einer erneuten Stimulation (Eizell-Entnahme) könnte die Ausbeute etwas niedriger sein. 4 | Empfohlener Fahrplan Schritt Option A – erst ganz abstillen Option B – Transfer während Teilstillen, Stillfrequenz ≤ 4×/Tag anstreben. Transfer-Protokol: Beliebig (natürlich oder substituiert) Mein Fazit für Sie Rein medizinisch spricht wenig dagegen, einen FET unter weiterlaufendem (reduziertem) Stillen zu planen, sofern Ihre Zyklen stabil sind und Sie bereit sind, ein mögliches, moderates Absinken der Milchmenge zu tolerieren. Wenn dagegen noch eine frische Stimulation anstünde, empfehle ich vorheriges vollständiges Abstillen, um die Zahl gewonnener Eizellen/Embryonen zu optimieren und die Hormonbelastung für Ihr Kind minimal zu halten. Die Datenlage ist noch dünn; ethisch geboten ist daher transparente Aufklärung: Sie kennen jetzt die Fakten – die Entscheidung liegt bei Ihnen. Bitte besprechen Sie mit Ihrem Kinderwunschzentrum, welches Protokoll (natürlicher Zyklus vs. Hormon-Substitution) für Sie am sinnvollsten ist und wie wir das Still-Timing pragmatisch gestalten können. Bringen Sie ruhig auch Ihre Still-tagebuch-Notizen mit. Herzliche Grüße Ihr Dr. med. Friedrich Gagsteiger (Dieser Rat ersetzt keine individuelle ärztliche Untersuchung)
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