Frage: Gesprächskultur

Sehr geehrte Frau Ubbens, ich wäre Ihnen für einen Rat sehr dankbar. Wir haben drei Kinder (3, 5,5 und 8 Jahre alt). Das mittlere Kind ist ein Junge, das kleine und das große sind jeweils Mädchen. Zur Zeit finde ich unsere Mahlzeiten wahnsinnig schwierig und weiß ehrlich gesagt nicht mehr recht weiter. Es ist uns von Anfang an immer wichtig gewesen, dass wir als Familie zusammen essen, dass wir uns während der Mahlzeiten austauschen und über unseren Tag sprechen, Sorgen teilen, Probleme besprechen, aber auch mal herzhaft lachen etc. Das hat eigentlich immer ganz gut geklappt (natürlich gab es auch mal Tage, an denen es nicht rund lief, aber im Großen und Ganzen waren wir zufrieden). Wir haben die anderen ausreden lassen und wenn doch jemand dazwischen geredet hat, hat es nach einer Ermahnung zumeist wieder geklappt. Die Kinder sind sitzen geblieben, bis zumindest die anderen Kinder fertig mit dem Essen waren und haben dann ihr Geschirr selber weggeräumt. Diese Mahlzeiten waren uns immer sehr, sehr wichtig und wir haben sie sehr genossen. Seit wenigen Wochen jedoch ist der Wurm drin. Unsere kleine Tochter schreit einfach wahnsinnig viel, so dass ich sie schon zweimal aus dem Raum entfernt habe. Ich weiß, dass das vielleicht pädagogisch auch nicht korrekt war, aber ich habe ihr zumindest vorher ruhig gesagt, dass ich dieses Geschrei beim Essen nicht haben möchte und dass ich sie, wenn sie nicht aufhört, in ihr Zimmer bringe. Ich halte dieses Dauergeschrei nicht aus. Heute war der Grund für das Geschrei zum Beispiel, dass sie die falsche Gabel hatte. Es war die Gabel, die sie gestern wollte. Gleichzeitig ist unser Sohn zur Zeit aus irgendeinem Grund im Achterbahnfieber und fuchtelt ständig mit Essen oder seiner Gabel in der Luft herum, um mit irgendwelche Loopings von verschiedenen Achterbahnen zu demonstrieren. Er beantwortet unsere Fragen, wie es im Kindergarten, beim Flötenunterricht war etc, gar nicht, sondern interessiert sich nur für Achterbahnen. Auch, dass ich möchte, dass mit Essen, Besteck u.s.w. nicht in der Luft herumgefuchtelt wird, ignoriert er. Und unsere große Tochter erzählt entweder Witze (ein Witz wäre ja okay, aber sie erzählt einen nach dem anderen und lässt sich nicht davon abbringen) oder sie nörgelt, weil sie das angebotene Essen nicht mag. Das ganze Beschriebene findet quasi parallel statt. Keiner achtet darauf, dass gerade jemand anders spricht. Mein Mann und ich kommen während der Familienessen nicht mehr zum Gespräch. Wir sorgen natürlich für Zeit zu zweit. Das läuft schon ganz gut, aber ich möchte auch wieder angenehme Mahlzeiten mit den Kindern haben. Vom Kindertagen, der Schule, den Großeltern oder Eltern von Freunden der Kinder hören wir nur positives Feedback - dass man merkt, dass wir Wert auf eine gute Gesprächskultur legen, dass wir ihnen gelernt haben, die anderen ausreden zu lassen, dass sie sich beim Essen gut benehmen etc. Um ehrlich zu sein, geht es aber seit ca drei Wochen Zuhause drunter und drüber. Ich möchte es so nicht weiter haben und bin gerade ehrlich gesagt mit meinem Latein am Ende... Egal, was ich sage... Ich habe das Gefühl, es prallt völlig ab. Haben Sie einen Rat? Entschuldigen Sie bitte diesen unendlich langen Text... Ich hoffe, Sie können mir helfen! Vielen Dank! Mit freundlichen Grüßen

von Lilli_85 am 20.11.2023, 19:29



Antwort auf: Gesprächskultur

Liebe Lilli_85, setzen Sie sich kurz vor einer Mahlzeit mit den Kindern zusammen und besprechen, was Sie sich als Eltern wünschen, wie sich am Tisch benommen wird. Sprechen Sie nicht darüber, wie etwas nicht sein sollte, sondern versuchen es positiv zu formulieren. "Ich wünsche mir, dass wir uns ganz ruhig unterhalten. Wenn jemandem etwas nicht gefällt, kann er es ganz leise sagen." "Ich wünsche mir, dass wir uns nach dem Essen Zeit für Achterbahnen nehmen. Während des Essens dürfen die Achterbahnen warten." Oder Sie nehmen sich vor der Mahlzeit 5 Minuten Zeit, um sich die neuesten Achterbahnideen zeigen zu lassen. "Wir einigen uns darauf, dass du Witze erzählen kannst, wenn du fertig gegessen hast." Während der Mahlzeit gehen Sie wenig auf Genörgel ein. "Heute gibt es das zu Essen, was auf dem Tisch steht." Versuchen Sie bei den Gesprächen die Kinder nicht "auszufragen". Vielmehr erzählen sie meist von selbst, wenn sie etwas bewegt, was sie am Tag erlebt haben. Für Kinder zählt das Hier und Jetzt und am Abend vom Vormittag im Kindergarten zu erzählen ist nicht im Hier und Jetzt und darum für die meisten Kinder schon nach dem Abholen aus dem Kindergarten kein Thema mehr. Finden Sie Gesprächsthemen, die alle Familienmitglieder mit einbezieht. Vielleicht darüber, welche Weihnachtsplätzchen sie backen wollen oder darüber, ob sie am Wochenende einen Waldspaziergang machen möchten usw.. Viele Grüße Sylvia

von Sylvia Ubbens am 22.11.2023