Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Dr. med. Ludger Nohr:

Wie sehen Sie den heutigen Medienkonsum der Kinder?

Dr. med. Ludger Nohr

Dr. med. Ludger Nohr
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Frage: Wie sehen Sie den heutigen Medienkonsum der Kinder?

aines77

Sehr geehrter Herr Dr. Nohr! Nachdem unser 10jähriger Sohn zur Zeit doch sehr darauf aus ist, neue Freiräume mit uns auszudiskutieren bleibt auch das Thema Medien nicht verschont. Unser Sohn erzählte mir vor kurzem, dass in seiner Klasse sowieso jeder schon auf You Tube unterwegs wäre. Gleiches gilt fürs Handy, das er erst im Sommer von uns bekommen wird. Nun frage ich mich wirklich, sind wir tatsächlich so spießig oder ist es schon gut so, dass wir manches auch noch nicht erlauben? Wir möchten nicht, dass er ausgegrenzt wird, das passiert aber heute leider schnell, es laufen ja teilweise schon Kinder mit 7 oder 8 Jahren mit Handys in die Schule, Musikvideos (und anderes im Internet) werden regelmäßig konsumiert. Vor allem sind ja Musikvideos auch nicht immer sehr geeignet für Kinder in seinem Alter. Unser Sohn erzählt uns da recht viel und das ganze klingt plausibel, ich wüsste nicht, woher er sonst gewisse Dinge wissen sollte. Um ehrlich zu sein möchte ich auf den Zug nicht aufspringen, nur weil heutzutage sich anscheinend immer weniger Eltern darüber Gedanken machen und es als normal empfinden, was früher undenkbar war in dem Alter. Was halten Sie davon und wie schaffen wir es, einen guten Mittelweg zu finden? Oder leben wir hinterm Mond? ;-) Ich bin verunsichert. Vielen Dank schon jetzt für Ihre Einschätzung!


Ein heikles Thema über das ich mich mit meinem 11j. Enkel heftig auseinandergesetzt habe. Es sind eigentlich zwei Fragen: Zum einen, was bewirkt der zunehmende Medienkonsum bei den Kindern und die andere Frage, was macht es mit meinem Kind, wenn es nicht all das darf, was andere (scheinbar) dürfen? Ich denke, die Kinder müssen lernen mit den neuen Medien umzugehen und wir Eltern müssen sie vor den negativen Auswirkungen falschen Konsums schützen. Das bedeutet, die Zeit begrenzen und Einfluss auf die Inhalte haben. Viele Programme, Spiele und Portale sind für Kinder ungeeignet. Wenn ich den Eindruck hätte, dass sie ungeeignete Inhalte vermitteln, würde ich sie sperren oder dabei sein, wenn sie angesehen werden. Man kann auch die Erlaubnis für geeignete Programme geben und erstmal darauf vertrauen, dass die Kinder das einhalten. Allerdings ist auch hier Kontrolle wichtig, da diese Programme oft mit Reiztechniken arbeiten, denen die Kinder schwer widerstehen können. Das bedeutet nicht zu misstrauen, sondern Kinder zu schützen. Das Verhältnis von Vertrauen und Kontrolle ist bei jedem Kind individuell herauszufinden. Kinder brauchen Zeit und Möglichkeiten richtige Freunde, Spielkameraden zu treffen. Die virtuelle Computerwelt hat eine hohe Attraktivität aber sie ersetzt keine Realkontakte. Etwas nicht zu dürfen, was "alle anderen dürfen", ist im Moment belastend, unangenehm, ärgerlich, vielleicht kurzfristig ausgrenzend. Aber das gibt es nicht erst seit den neuen Medien. Ich persönlich glaube, dass es längerfristig stärkt, nicht immer wie alle zu sein/sein zu müssen. Aber das hängt noch von vielen anderen Faktoren, gilt nicht für alle Kinder. Aber ich würde mein Kind immer darin bestärken, auch anders sein zu dürfen. Und ich würde auch seinen Ärger auf mich nehmen, wenn ich glaube, das Richtige zu tun. Wie Sie sehen, eine sehr persönliche Meinung. Auch wir müssen weiter lernen, mit diesen neuen Fragen umzugehen, gute Lösungen zu finden, die für das eigene Kind förderlich sind. Dr.Ludger Nohr


ayla.auel

Hallo, vielleicht darf ich Dir antworten. Es ist so, dass in der heutigen Zeit die digitalen Medien zum Leben von uns und unseren Kindern gehören und klar möchte Dein Sohn da mithalten. Im Grunde wäre ich auch dafür, dass Du ihn da begleitest, aber natürlich in Maßen und mit Kontrolle. Unser Sohn ist 11. Er hat seit der 5. Klasse ein Smartphone mit Vertrag, über den wir die Kontrolle haben. Desweiteren hat er einen PC mit Internetzugang. Die Internetzeit wurde auf 1 Stunde täglich festgelegt und auch das wird rigoros gehandhabt, via Fritzbox kann man das super einstellen. Er darf während dieser Zeit durchaus auch YouTube schauen, aber auch das lassen wir uns in regelmäßigen Abständen zeigen, was er da schaut. Noch abschließend, ich glaube nur die wenigsten Eltern machen sich KEINE Gedanken über den Medienkonsum ihrer Kinder, sondern im Gegenteil sehen die meisten die Notwendigkeit, den Kindern einen verantwortungsvollen Umgang damit beizubringen.


aines77

Liebe Ayla.auel, vielen Dank für deine Meinung dazu. Es geht mir gar nicht darum, ihm unbedingt etwas zu verbieten und mir ist sehr bewusst, dass Internet, Handy & Co. heute zu unserem Leben dazugehören, auch schon bei Kindern. Genau da liegt eben mein/unser Problem. Die Entwicklung sehen wir kritisch, wir wissen, dass wir nicht auskommen, trotzdem möchten wir nicht etwas erlauben, was in uns Unbehagen auslöst. Uns ist es z.B. wichtig, dass er grundsätzlich den Umgang mit den neuen Medien lernt, auch dass er sich mit gewissen Programmen am Computer auskennt und beispielsweise schreiben und rechnen, Tabellen erstellen und was auch immer kann, damit er dann in weiterer Folge in der Schule damit gut zurecht kommt und nicht einer der wenigen ist, der sich nicht auskennt. Aber gerade auf You Tube gibt es Dinge, die sollte meiner Meinung nach ein Kind nicht sehen. Du schreibst, dass ihr im Nachhinein immer seht, was er sich angesehen hat. Aber das ist meiner Meinung nach dann schon zu spät, da haben es die Kinder ja schon gesehen, mir ist eine Aufklärung im Vorfeld und auch eine Kontrolle dessen, was er spielt und schaut, sehr wichtig. Dass wir nicht auskommen wissen wir, wollen wir auch nicht weil heute auch nichts anderes möglich ist, aber uns würde eben dazu die Meinung von Herrn Dr. Nohr interessieren, und zwar wie er allgemein die Entwicklung der Medien aus Sicht eines Arztes sieht und wie es wirklich auf Kinder wirkt, was ok ist. Es stimmt schon, viele Eltern geben sich Mühe und achten darauf, leider gibt es aber - zumindest in unserem Umfeld - anscheinend ganz viele Ausnahmen.


aines77

Vielleicht noch eine kleine Anmerkung dazu: Mein/unser "Problem" ist hauptsächlich You Tube, Facebook, Instagram usw., was aber in der Grundschule offensichtlich durchaus genutzt wird. Das sehen wir sehr kritisch.


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