Esmeralda
Sehr geehrter Herr Dr Nohr, Sie hatten mir den wertvollen Hinweis gegeben, die Gefühle meiner Tochter (16 Mon.) stehen zu lassen, wenn sie z.B. gehauen wurde und weint. Sie in ihrem Erleben zu bestätigen. Danke! Es fiel mir noch schwer, in der Gruppe nicht zu sagen "Nana, war doch gar nicht schlimm". Das sage ich, um Erwartungen zu erfüllen bzw. um dem schlagenden Kleinkind keine Schuld zuzuschieben, um die Beziehung zu dessen Mutter gut zu halten. Dazu: Vor der Krise wurde mir von Müttern beigebracht, dass ich, wenn mein Kind fällt / sich evtl. verletzt o.ä. nicht sofort aufstehen oder hingehen soll. Sondern Pokerface machen und erst reagieren soll, wenn sie wirklich weint. Intuitiv stehe ich z.B. auf, um besseren Blick zu haben, was passiert ist oder ich frage "Ist was passiert?" "Hast du Aua?" und ich sehe erschrocken oder besorgt aus, ja. Keine Vorschuss-Sorge oder -Mitleid zu zeigen, das fällt mir schwer. Fühlt sich unecht an. Ich finde unschön, dass Kinder überhaupt grundsätzlich gegenseitiger Gewalt ausgeliefert sind. Meine Pflicht, zu schützen? Ich hab Sorge, uns unbeliebt zu machen. Ich bin nicht so reich an Sozialkontakten, Familie problematisch. Ich bin unsicher, oft beratschlagt worden. Was zuerst war, schwer zu sagen. Evtl brauche ich Rückendeckung und frage deswegen nochmal. Kann ich das diplomatisch erklären, wie argumentiere ich?
Dr. med. Ludger Nohr
Liebe Esmeralda, Sie sind eine besorgte Mutter und das hat, wie alle anderen Haltungen auch, Vor- und Nachteile. Für die angesprochene Situation geht es ja darum, das Kind zum Einen in seinem Erleben anzunehmen, zum Anderen, sein Gefühl von Selbstständigkeit und Selbstwirksamkeit zu stärken. Ziel ist also, rechtzeitig da zu sein, wenn Hilfe und Trost nötig sind, aber auch genügend Raum zu lassen, eigene Lösungen zu finden. Das Erleben der Selbstwirksamkeit ist für die Entwicklung wichtig. Es ist für Eltern (besonders für besorgte Mütter, was ich keinesfalls negativ meine) schwer, den richtigen Moment des Einschreitens zu finden. Da ist sehr viel eigene Geschichte mit im Spiel und man kann es nur so gut machen, wie es eben geht. Sehen Sie es als Übungsfeld, als Möglichkeit auch für sich selbst, immer mehr Angst und Sorge in Zuversicht und Zutrauen zu verwandeln. Da lernen Sie dann wechselseitig voneinander und es tut der Beziehung gut. Ist das die Rückendeckung die Sie brauchten? Dr.Ludger Nohr
Esmeralda
Sehr geehrter Herr Dr. Nohr, Danke für Ihre differenzierte Antwort. Ich finde die beziehungsorientierte Sicht schön. Mit der eigenen Geschichte haben Sie recht. Ich hab mich als Kind nicht geliebt gefühlt. Dass meine Tochter sich geliebt fühlt, hat für mich absolut Vorrang, auch gegenüber ihrer Selbständigkeit. (Letztere ist natürlich ebenfalls erstrebenswert.) Wenn ich meine Tochter in kritischen Situationen (scheinbar) ignoriere / nicht beobachte oder keine Hilfe anbiete, könnte sie nicht den Eindruck gewinnen, sie sei mir nicht so wichtig?
Dr. med. Ludger Nohr
Liebe Esmeralda, Ihr Kind merkt nicht vorwiegend an der Handlung, dass Sie Ihm nahe sind, sondern an Ihrer Haltung. Sie ignorieren Ihr Kind ja nicht, sondern Sie geben Raum eigene Erfahrungen zu sammeln. Ihr Kind wird Ihnen deutlich zeigen, wenn es Sie braucht und dann ist es wichtig, dass Sie da sind. Durch diese Haltung vermittel Sie Zutrauen zu Ihrer Tochter, was auch ein wichtiges Bindeglied ist. Dr.Ludger Nohr
Esmeralda
Dankeschön. Das hilft mir. Ich hoffe, die Ausgangsbeschränkungen werden bald zumindest vorübergehend gelockert, da uns derzeit wirklich "Übungsplätze" bzw. Kontaktpersonen fehlen. Keine Krabbelgruppen, keine Spielplätze, es fehlt wirklich sehr. :( Nach Ihrem Rat hab ich übrigens meiner Tochter Bildtelefonie mit Oma und Tante ermöglicht. Das nimmt sie sehr gut an. Zeigt Dinge oder tanzt, wenn die anderen singen. Und verabschiedet sich aber auch ohne Tränen.
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