Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Dr. med. Ludger Nohr:

Liegt es an der Trotzphase?

Dr. med. Ludger Nohr

Dr. med. Ludger Nohr
Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Frage: Liegt es an der Trotzphase?

Fussel107

Guten Abend. Unser 2 jähriger Sohn ist im Moment sehr anstrengend. Bei uns ist folgende Situation passiert: Er sollte abends ins Bett und wollte seinen Schnuller haben. Ich hab ihm den Schnuller gegeben und er warf ihn weg. Dann wollte er ihn wieder haben und als er ihn hatte, hat er ihn wieder weggeworfen. So ging das die ganze Zeit. Ich kam mir echt veräppelt vor, vor allem weil er auch total anfing zu weinen, als ich ihm den Schnuller dann nicht mehr wieder gegeben habe. Das selbe ist, wenn wir ihn ins Bett bringen. Erst will er das Papa ihn ins Bett bringt und wenn Papa bei ihm ist, verlangt er nach Mama. So geht das dann auch hin und her. Können Sie mir sagen, warum er das macht? Hat es etwas mit der Trotzphase zu tun? Und wie reagieren wir am Besten darauf? Vielen Dank schon mal


Hallo, ja, es liegt an der "Trotzphase", aber ich bevorzuge die positivere Beschreibung der beginnenden Autonomieentwicklung. Die Kinder merken in diesem Alter deutlicher ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten und probieren sie aus. Dahinter ist keine Logik und keine Entscheidung, sondern die unangenehme Erfahrung, dass auch bei "freiem Willen" nicht alles (gleichzeitig) geht. Wir Erwachsenen wissen das, aber für Kinder in dieser Phase ist das nur ärgerlich und enttäuschend. Da für die Kinder Widersprüche sich nicht ausschliessen, muß jemand anderes (meist die Eltern) dafür schuldig sein, dass nicht alles gleichzeitig klappt. Aus dieser Beschreibung ist erkennbar, dass das kein provozierendes oder veräppelndes Spiel ist, sondern der Versuch, sich durchzusetzen, auch wenn es sinnlos erscheint. Dies ist für die Kinder oft gar nicht spaßig, sie leiden selbst unter der inneren Ambivalenz, können sie aber noch nicht lösen (das schafft ihr Gehirn noch nicht, das dauert noch einige Zeit). Da brauchen sie unsere Hilfe, die z.B. so aussehen könnte, dass man die unlösbare Situation verlässt und etwas anderes wichtig werden lässt und sich gerade nicht auf einen Machtkampf einlässt oder die "Unsinnigkeit" erklärt. Diese Kränkung kann und sollte man den Kindern ersparen. Also wissend, dass dies eine Entwicklungsphase ist, sich weder in Machtkämpfe verstricken noch entwerten oder kränken. Das ist die Haltung, in der man diese schwierige Phase fördernd überstehen kann. Dr.Ludger Nohr


Anniquita83

Hallo, das ist bei unserer Tochter (gerade 2 geworden) seit mehreren Monaten so, und auch bei vielen anderen Kindern in dem Alter, die ich kenne. Kindern fällt es unglaublich schwer zu begreifen, dass man sich manchmal entscheiden muss, und dass man nicht immer alle Optionen gleichzeitig haben kann. Mache ich ein Fenster zu, kann es nicht gleichzeitig offen sein usw. Das überfordert die Kleinen dann total und sie flippen aus. Hatten wir z.B. schon mit der weltbewegenden Frage "Will ich den Toast essen oder doch nicht?", was dann in einem Schreikrampf und totaler Erschöpfung endete Am Ende hilft unserer Tochter, sie aus der Situation komplett herauszunehmen, im Arm halten und kuscheln und, wenn die Schnappatmung dann mal nachgelassen hat, ganz vorsichtige Erklärungsversuche.


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