Mitglied inaktiv
Hallo, unsere Tochter ist 25 Monate alt. Sie war schon immer ein sehr forderndes Kind und oft unzufrieden. Etwas besser wurde es als sie krabbeln konnte und somit endlich dorthin kam, wo sie wollte. Sie hat mit 9 Monate angefangen zu sprechen (Mama, Papa, Opa, hade => Hase) und spricht jetzt vollständige Sätze (benutzt ihren eigenen Namen und betitelt andere auch mit "du", kennt ihren Vor- und Zunamen incl. Adresse, kennt viele Kinder in ihrer Kiga-Gruppe auch mit Vor- und Zunamen, etc.). Sie hat auch ein sehr gutes Gedächtnis, will viel wissen und erzählt den ganzen Tag. Gelaufen ist sie mit 12 Monaten. Sie ist sehr lebhaft (rennt, hüpft, tanzt den ganzen Tag) und kann einfach nicht still sitzen (z. b. beim essen). Einzige Ausnahme: man liest ihr ein Buch vor. Das fand sie schon sehr früh total spannend. Sie spielt fast nie alleine - braucht immer jemanden zum austauschen. Die letzten Wochen bringt sie uns allerdings mit ihrem Sturkopf fast zur Verzweiflung. Sie kommandiert alle herum (Oma tanzen - Mama klatschen - Opa rennen - Papa stell dich da hin) und wehe es geht nicht sofort nach ihrem Kopf. Dann gibt es ein unendliches Geschrei. Natürlich versuchen wir das zu ignorieren, aber oft kommt sie alleine dann nicht mehr zu sich. Sie wehrt sich dann mit Händen und Füßen, schlägt und tritt und ist einfach nicht mehr ansprechbar. Oft macht sie das auch beim anziehen oder wenn man mal eine Sekunde aus dem Zimmer geht um etwas zu holen und sie nicht mit nimmt. Langsam sind meine Nerven am ende, zumal sie auch meist nachts (mind.) einmal wach wird und wir deshalb auch selten durchschlafen. Sie schläft auch nur 9-10 stunden und mittags 1 - 1,5 stunden. Ich kenne auch andere Kinder in ihrem Alter und mir ist schon klar, daß es Trotzphasen gibt. Aber so extrem habe ich das noch nie bei anderen gesehen. Was kann ich denn tun, um ihr (und damit auch uns) zu helfen. Konsequent sind wir wirklich und besondere Beachtung bekommt sie durch ihr schreien auch nicht. Allerdings bekommt sie schon sehr viel Aufmerksamkeit und darf auch ihre eigenen Erfahrungen machen. Sie hatte schon öfter solche Phasen, aber jetzt dauert es wirklich schon Wochen und das ganze findet mehrmals täglich statt und wirklich wegen Kleinigkeiten. Was können wir denn noch tun? Vielen Dank für Ihre Hilfe.
Liebe Martina, bitte gedulden sie sich noch ein bißchen, ich antworte dann etwas länger. Danke
Liebe Martina, jetzt möchte ich erst einmal mein Versprechen einlösen. Der Begriff "Tyrann" sollte meines Erachtens für trotzige Kleinkinder keine Anwendung finden. (Trotz des Buches von Jirina Prekop). Warum? Der Begriff Tyrann rückt das Verhalten zu sehr in Richtung böser Absichten. Das KK handelt aber weder böse noch absichtlich. Das ist nicht leicht zu verstehen. Ich will versuchen, es zu erklären. Das Problem des KK ist sein Umgang mit dem in ihm erwachenden Willen. Dieser gebietet es ihm, daß alles unbedingt so geschehen muß, wie es meint, daß sein Wille Erfüllung findet. Gelingt diese Erfüllung nicht, weil sie an natürlichen oder autoritären Widerständen scheitert, gerät das Kind je nach Temperament und sozialen Vorerfahrungen in einen Wut- resp. Zornesausbruch bis hin zum emotionalen Ausnahmezustand. Nicht nur die Eltern leiden darunter, sondern das Kind selbst auch. Strenggenommen müßte man das Kind beruhigen und trösten wegen seiner herben Enttäuschung. Tatsächlich jedoch schimpft man das Kind aus und vergrößert damit sein Versagensgefühl dem eigenen Willen gegenüber. Denn das Kind empfindet den Vorgang so, als habe es den eigenen Willen nicht unter Kontrolle, nicht im Griff. Es denkt ungefähr so: Ich habe meine Eltern enttäuscht, weil ich ja Strafe erhalte. Ich besitze ein schlechtes Wesen, denn die Eltern sind unzufrieden mit mir. Das ist eine äußerst bittere Lektion für einen kleinen Menschen, der gerade dabei ist, sein Selbst aufzubauen. Wie kann man nun besser vorgehen? 1. immer die Situation ursächlich entschärfen (Deeskalation).z.B. Süßigkeitenstände im Supermarkt umgehen, falls noch möglich, u.v.m.. 2. als Eltern vorher gemeinsam festlegen, was man "durchgehen" läßt und was nicht und sich konsequent daran halten. 3. Nichtakzeptiertes bleibt nicht akzeptiert. Keine Verwirrpolitik. Groben Fehler aber eingestehen. 4. Verbote, Untersagungen durch böse Mine (das Mittel nie spielerisch verschenken), energisches Reden (Schimpfen), und zuletzt, wenn nichts mehr hilft, die kurze soziale Trennung/ Auszeit mit der "offenen Tür" zur Versöhnung. 5. Bringt sich das Kind selbst oder andere in Gefahr, natürlich sofort handeln. Mehr ist in der Regel nicht nötig. Das reicht, daß ein Kind seine Grenzen bei den Eltern mit der Zeit von alleine findet. Grenzen setzen ist immer von Willkür gekennzeichnet und fordert zum Widerstand heraus. In allen Altersklassen, sozialen Gemeinschaften, überall auf der Welt. Nur wenn ein Kind früh lernt, Grenzen zu erkennen, kann es diese später auch freiwillig akzeptieren und tolerieren. Schläge demonstrieren nur Macht und Überlegenheit und führen zu Gegenschlägen früher oder später. Überall auf der Welt. Sogar die Natur! Viele Grüße