Lieber Dr. Posth,
mein Sohn (2, ältere Schwester 5) haut und schubst in der Spielgruppe. Er macht es nicht ständig, aber doch ab und an. Er kann sich noch nicht gut sprachlich ausdrücken und schubst dann schonmal anstatt zu sagen: Ich will da sitzen! Aber manchmal auch einfach so, ohne Grund.
Eine andere Mutter sagte nun, sie hätte den Eindruck, ihr Sohn, der sehr zurückhaltend ist, hätte bereits Angst! Konkret beim Turnen als mein Sohn das Brötchen abgenommen und geschubst hat.
Meine Frage: Wie soll ich reagieren, wie kann ich die Schubserei/Hauerei eindämmen und ihm andere Möglichkeiten aufzeigen? Wir sagen ihm immer, daß Hauen nicht gut sei und der Gehauene weint und zB. Ei machen doch viel schöner sei.
Mitglied inaktiv - 08.02.2005, 14:07
Antwort auf:
Hauen und Schubsen...
Stichwort: Induktion
Hallo, ein solches Verhalten ist (leider!?) bis zu einem gewissen Grade normal. Die Natur hat wohl keine bessere vorsprachliche! Methodik entwickeln können, zwischenmenschliche Konflikte zu lösen. Was hier stattfindet, hat etwas mit Rivalität und Machtanspruch zu tun, beides entwicklungstypische Eigenschaften von Kleinkindern, die dafür sorgen, daß genügend Selbstbewußtsein aufgebaut wird. Das Kind, das erfolgreich aus der Rangelei hervorgeht, verbucht das für sich mit Stolz, das unterlegene Kind fühlt sich beschämt und entwickelt Trauer oder sogar auch schon einmal Angst, wenn die Attacke zu rüde gewesen ist.
Da wir Menschen in unserem Angewiesensein auf eine funktionstüchtige, soziale Gemeinschaft, sprich friedliche Gesellschaft(en!), benötigen wir eine Methode, diese agressiven "Angriffe" gegen etwa Gleichaltrige in soziale Bahnen zu lenken. Die Methode hierzu lautet "Induktion". Das ist auch das Stichwort, unter dem Sie im Suchlauf nachschlagen sollten. Induktion bewirkt, daß das Kleinkind kraft seiner Fähigkeit zur Empathie ein Verständnis dafür entwickelt, daß es mit seinem Verhalten ein anderes Kind in gewissem Maße schädigt. Es soll nun Reue dafür empfinden lernen und Unterlassung und Wiedergutamchung anstreben. Wir Eltern müssen unseren Kindern diesen Weg vormachen und vorleben!!
Wo liegt der Nutzen? a) das reuige Kind lernt Stolz für etwas anderes zu empfinden, nämlich für seine Wiedergutmachung und Unterlassung, und zwar deshalb, weil es dafür soziale Anerkennung erntet. Und darauf sind menschliche Wesen stark angewisen. b) das unterlegene Kind erfährt Rechtfertigung und mindert so seine Schamgefühle. Im Erwachsenenleben wird dieses Geschehen auf einen kurzen sozialen Ritus zusammengedrängt, der sich dann in einem einzigen Wort offenbart. Dieses Wort heißt "Entschuldigung". Die Unterlassung eines solches Tuns muß dann allerdings noch durch die Vernunft geregelt werden.
Ich verkneife mir jetzt, auf Probleme der Erwachsenenwelt oder gar weltpolitische Fragen anzuspielen, wo Menschen extreme Macht ausüben, die diese im Grunde doch recht einfachen Prinzipien leider nie gelernt und verinnerlicht haben. Was denen fehlt ist, sagen wir, emotionale Intelligenz. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 12.02.2005
Antwort auf:
Hauen und Schubsen...
Nochmal genau als Nachfrage:
Also wäre die richtige Verhaltensweise auf solche Reaktionen, dem Kind klar zu machen, daß es jemand anderen "verletzt in irgendeiner Form" hat?
Genau das tun wir. Wir zeigen ihm immer, daß der Geschädigte weint und traurig ist und "aua" hat. Ab wann wird denn diese Verhaltensweise Wirkung zeigen? Im Moment habe ich den Eindruck, daß sich da nichts tut...
Im übrigen meinte ein Pädagoge, daß die Kinder in dem Alter den Begriff "Entschuldigung" nicht mit ihrer Tat verbinden
Mitglied inaktiv - 14.02.2005, 14:06
Antwort auf:
Hauen und Schubsen...
können und dann eher lernen, wenn ich hinterher z.B. "Ei" mache, ist es o.k. wenn ich haue???
Mitglied inaktiv - 14.02.2005, 14:07
Antwort auf:
Hauen und Schubsen...
Hallo, die Entschuldigung ist eine verkürzte und verbalisierte Form von "ich tue es nicht wieder", "es war keine Absicht", "ich bin prinzipiell bereit zur Wiedergutmachung". Aber dabei bleibt es in der Regel der Fälle ja. Das ist also eine soziale Verhaltensweise von größeren Kindern und Erwachsenen, die die Inhalte des Worts "Entschuldigung" schon begriffen haben.
Bei Kleinkinern werden diese Inhalte erst "eingeübt". Dazu dient die Induktion. Die Fähigkeit zur Empathie in die Gefühlslage eines anderen Menschen beginnt ja erst im Alter von 1,5 bis 2 Jahren. D.h. sie ist noch nicht zuverlässig. Und vor allem, sie wird noch nicht im Vorfeld schon in sich selbst erfahren. Das kommt erst mit etwas 4 jahren, wenn die Kinder verstehen lernen, daß sich außerhalb ihrer eigenen Vorstellungswelt noch eine übereinstimmende Weltsicht aller anderen Menschen befindet. Erst dann werden Regeln allgemein und wird Mitleid eine soziale Regel.
Die Auffassung, daß im Spenden von Trost "ei-ei-machen", usw. eine innere Schuldentlastung stattfindet und eine Freisprechung zur erneuten Tat, deckt sich nicht mit den Gedankengängen in der kindlichen Logik. Es ist eine überaus typische Interpretation aus Erwachsenensicht, die im Übrigen auch noch religiös unterbaut ist. Viele Grüße
von
Dr. med. Rüdiger Posth
am 14.02.2005
Antwort auf:
Hauen und Schubsen...
Lieber Dr.Posth,
soweit so gut, ich kann es nachvollziehen. Aber wie verhält man sich jetzt konkret in der Situation, daß ein anderes Kind geschubst/gehauen oder sonstwas wurde? Wie reagiere ich auf mein Kind? Ich kann jetzt ja schlecht bis zum 4. Lebensjahr einfach abwarten...
Mitglied inaktiv - 15.02.2005, 14:08