Mina1984
Sehr geehrter Dr. Nohr, unser 3,5 jähriger Sohn hat immer wieder ganz extreme Phasen, die dann etwa 3 Wochen am Stück so gehen und dann „aklimatisiert“ er sich wieder ;). In der Phase hat er zu nichts Lust, möchte nicht spielen (seit Babyalter kaum bis gar kein Interesse an Spielzeug), möchte nicht nach draußen und hat extreme Wutausbrüche, verstummt in der Kita und verweigert dort viele Angebote. Auch auf Fragen von ihm bekannte Personen antwortet er einfach nicht und starrt nur. Er ist ein sehr intelligentes Kerlchen und besitzt schon enorm viel Empathie, aber in diesen Phasen ist er ein ganz anderer Mensch. Dann ist er depressiv, traurig, aggressiv, unzufrieden und provoziert bis aufs Blut. Er war ein sogenanntes High Need Baby und sehr fordernd. Er hatte sehr früh seinen eigenen Kopf und lässt sich bis heute noch ungern was sagen. Wir schließen viele Kompromisse mit ihm, damit er sich nicht übergangen fühlt. Er soll sich in seiner Persönlichkeit frei entfalten können. Aber warum hat er immer wieder diese langen Extremphasen?
Dr. med. Ludger Nohr
Liebe Mina, diese Phasen können die andere Seite der starken Empathiefähigkeit sein. Das würde bedeuten, dass bestimmte Erfahrungen, Erlebnisse ihn emotional sehr belasten und er hat noch keine Möglichkeiten, das zu kompensieren. Drei Wochen ist allerdings eine lange Zeit für solche Reaktionen. Es wäre spannend herauszufinden, was solche Phasen auslöst, ob er sich in den "kontrollarmen" Zeiten wie einschlafen dazu äußern kann, was ihn bewegt. Ob er selbst die Unterschiede merken, spüren kann und wie er sie erlebt. Manchmal symbolisieren Kinder auch das Belastende im Spiel mit Figuren. Es gilt gerade in solchen Zeiten, den Kontakt zu suchen und zu halten, weil er (zumindest subbewusst) diese Unterschiede spürt und sicher nicht verstehen kann.Da braucht er Ihre zuhörende und verstehende Hilfe. Ich bin gespannt was Sie weiter bemerken und berichten. Dr.Ludger Nohr
Mina1984
Danke für Ihre ausführliche Antwort und mir ist tatsächlich bei Ihren Worten was eingefallen. In solchen Phasen spielt er dann oft mit seinen Dinos „kämpfen“ und ich erahne, was ihn beschäftigen könnte. Sein bester Freund geht mit ihm in die gleiche Kindergartengruppe und er hat noch einen weiteren Freund da, den er sehr mag. Der andere Freund möchte meinen Sohn aber nicht teilen und haut den besten Freund meines Sohnes öfter. Ich rede sehr viel mit ihm, wenn ich ihn ins Bett bringe und manchmal lässt er was durchblicken. Oft sagt er aber auch zu mir, dass er noch nicht weiß, was mit ihm los ist. Er ist ein sehr soziales Kind und hat nie ein anderes Kind gehauen, gebissen oder sonstiges. Aber in diesen Phasen passiert es oft in seiner Wut, dass er mir oder meinen Mann körperlich weh tut. Haben Sie eine Idee, wie ich ihm in diesen Extremphasen unterstützen könnte? Leider macht er auch oft schnell dicht, wenn ich ihn „ausfrage“. Mir kommt es dann so vor, als würde er jemanden schützen wollen.
Mina1984
Noch ein kleiner Nachtrag: Und in diesen Phasen ärgert er vermehrt seinen kleinen Bruder (11 Monate). Nimmt ihm Spielzeug weg, legt es hoch, damit er nicht dran kommt oder setzt sich auf ihn drauf bzw. tut ihm anderweitig weh. Fängt der kleine Bruder an zu weinen, dann tut ihm das Leid und meistens weint er mit oder geht weg und sagt mir, dass er ihm wehgetan hat. Manchmal weint der Große dann sogar noch, wenn der Kleine längst aufgehört hat.
Dr. med. Ludger Nohr
Es freut mich, dass Sie erste Zusammenhänge sehen können. Die beste Hilfe ist zuhören, nicht ausfragen. Es reicht ein Hinweis am Bett, dass Sie da sind und ihm zuhören werden. Manchmal ist es hilfreich, die Gefühle zu verbalisieren (Das ist hart, wenn man sich zwischen Freunden entscheiden soll, oder Gar nicht einfach, wenn man nichts wirklich tun kann o.ä.). Kurze Sätze, keine Vorträge! Dann merkt er, dass Sie verstehen und fühlt sich mit dem Leid nicht allein. Ihn innerlich begleiten beim Lösungen finden. Dr.Ludger Nohr