Frage im Expertenforum Entwicklung von Babys und Kindern besser verstehen an Ingrid Henkes:

Dreijähriger sehr unselbständig, strengt sich ungern an

Ingrid Henkes

 Ingrid Henkes
Analytische Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeutin

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Frage: Dreijähriger sehr unselbständig, strengt sich ungern an

Junipero

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Guten Tag Frau Henkes, unser Sohn wird in einem Monat drei Jahre alt. Er ist ein sehr sensibler, auch überaus neugieriger Junge, der gerne Neues entdeckt. Was uns allerdings auch auffällt, ist, dass er alles, was er persönlich als anstrengend und/oder langweilig empfindet, ablehnt, v.a., wenn er es selbst machen soll. Er kommentiert dies dann entsprechend: „Das ist so langweilig/anstrengend.“, „Ich kann das nicht.“, „Ich habe keine Lust darauf.“, „Ich bin faul.“ „Ich bin noch ein kleines Baby.“ (dies spielerisch). Oftmals weigert er sich z.B. beharrlich, die Stufen bis in den zweiten Stock zu steigen, in dem wir wohnen, möchte dann getragen werden. Er ist selten bereit, sich selbst auszuziehen, obwohl er dies eigentlich schon kann. Dies wissen wir, weil er manchmal aus sich selbst heraus motiviert dazu ist, es einfach zu machen. Das Gleiche gilt für das Händewaschen. Wenn er sie sich mal selbst wäscht, hüpft er danach stolz umher und macht fröhlich darauf aufmerksam, was er eben vollbracht hat. Diese Motivation konnten wir allerdings noch nicht fördern, wenn sie nicht intrinsisch aus ihm selbst kam. Fordern wir ihn also z.B. dazu auf, sich selbst die Schuhe auszuziehen, kommt er dem sehr selten nach, auch, wenn wir unsere Hilfe anbieten. Er jammert, dass wir es machen sollen und zieht diese Haltung stur durch. Wir sind schon öfter eine ganze Stunde lang bei unserer Aufforderung geblieben in der Hoffnung, dass er irgendwann nachgeben würde, was aber schlussendlich nur eingeschränkt der Fall war. Er versuchte dann entweder, mit Schuhen ins Wohnzimmer zu laufen, hielten wir ihn davon ab, bekam er einen Wutanfall, anschließend ging die Situation von vorne los. Oder aber er legte sich einfach auf den Boden und wartete stur ab, bis wir ihn in Ermangelung an Zeit nach der langen Warterei schließlich wieder weitgehend selbst auszogen. Leider fehlt uns die Zeit, um ganz regelmäßig eine Stunde oder mehr auf das Ausziehen zu warten. Sollten wir trotzdem versuchen, das Warten durchzuziehen, bis er mitmacht oder können Sie uns eine geeignetere Strategie empfehlen? Oder sollten wir einfach abwarten, bis er bereit ist, diesen Tätigkeiten häufiger von sich aus nachzukommen? Früher oder später wird er dies ja tun – mit 15 lässt er sich sicher nicht mehr von Mama die Schuhe ausziehen. 😉 Er lässt sich übrigens auch nicht motivieren, indem wir z.B. sagen, dass er XY tun/nicht tun darf, wenn er sich z.B. die Schuhe selbst auszieht. Er zeigt dieses Verhalten nicht nur bei uns, sondern auch in der Kita. Die Erzieherinnen fördern und fordern die Kinder darin, sich selbst auszuziehen und die Hände zu waschen. Nachdem es diesbezüglich mit unserem Sohn häufiger Konflikte gab, er schon gar nicht mehr in den Kita-Garten gehen wollte wegen der Aussicht auf das eigenständige Ausziehen danach, gaben die Erzieherinnen auf und erledigen seither wieder alles für ihn. Ein ähnliches Verhalten zeigt er beim Spielen. Er gibt sehr schnell auf, wenn etwas nicht auf Anhieb funktioniert oder er sich ein bisschen anstrengen müsste und darauf gerade keine Lust hat. Sofort möchte er, dass wir Eltern übernehmen. Wenn wir ihm sagen, dass wir ihm helfen, er aber mitmachen muss, lässt er es (oft nach einem Wutanfall) lieber ganz sein. Teilweise habe ich den Eindruck, als fühle er sich wirklich überfordert von den Anforderungen, die an ihn gestellt werden. Wir lassen ihn aber nie allein damit, sondern bieten immer Hilfe an. Kann es tatsächlich so sein, dass er sich in diesen Situationen überfordert fühlt? Wir sagen ihm oft, dass wir es ihm zutrauen und wissen, dass er XY selbst kann, aber darauf geht er entweder nicht ein oder schnaubt unwirsch. Eines ist noch auffällig: Er neigt sehr zu Bequemlichkeit, sobald ihm etwas unangenehm erscheint. Zugleich ist er aber überhaupt kein träger Typ, sondern unheimlich quirlig, voller Energie, häufig sogar ruhelos, schläft spät ein, weil ihm abends noch so viel durch den Kopf geht, was er durchdenken und mitteilen möchte. Er ist überhaupt sehr nachdenklich, registriert in seiner Umwelt die kleinsten Details und ist von diesen Sinneseindrücken oft überwältigt. Spielt also vielleicht wirklich ein Gefühl von Überforderung eine Rolle? Eine letzte Beobachtung von uns: Mitunter haben wir den Eindruck, dass er sich durch die viele Unterstützung, die er einfordert, emotional positiv auflädt, seinen „Liebestank“ füllt. Er ist nicht sonderlich verschmust, möchte selten kuscheln. Manchmal macht es den Eindruck, als fordere er so viel Hilfe ein, weil es ihm einfach guttut. Er sagt wie bereits erwähnt auch häufig, er sei noch ein Baby, das die jeweilige Tätigkeit noch nicht kann. Er macht sich dann bewusst klein, um… tja, was? Hilfe als eine Form von Zuneigung zu bekommen, Entlastung zu erfahren, Aufmerksamkeit zu bekommen? Letztere bekommt er aber ohnehin ganz viel nach der Kita und an den Wochenenden und unsere starke Liebe spürt er hoffentlich auch ganz deutlich. Wie schätzen Sie die Situation ein, was könnten Gründe für sein Verhalten sein? Und wie sollten wir am besten damit umgehen? Vielen Dank!


Ingrid Henkes

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Guten Tag, es ist völlig normal, dass Dreijährige Aufgaben, die sie als langweilig oder frustrierend empfinden, ablehnen. Das noch schwache Selbstwertgefühl in diesem Alter lässt Dreijährige nach Handlungen streben, in denen sie sich als erfolgreich und kompetent erleben. Sie können Ihrem Sohn bestätigen, dass es wirklich total langweilig ist, sich die Schuhe auszuziehen. Deswegen macht man es am besten ganz schnell, damit man es hinter sich hat. Vermutlich trägt Ihr Sohn mit seinen Weigerungen einen Machtkampf mit Ihnen aus. Darauf lassen auch die Wutanfälle schließen, die er bekommt, wenn Sie ihn daran hindern, seinen Willen durchzusetzen. Er Sohn scheint noch zu trotzen, um seinen Willen zu bekommen. So kann er sich von Ihnen abgrenzen und sich seine Wirkmächtigkeit beweisen. Dreijährige spüren bereits, dass sie mit Verweigerung eine starke Machtposition besitzen, da sie die Eltern schon durch den erforderlichen Zeitaufwand aushebeln können. Daher ist es sinnvoll, dass Sie Ihre Anforderungen an Ihren Sohn auf eine oder wenige Situationen begrenzen, in denen Sie sicher sind, sie durchzuhalten. Dadurch entziehen Sie dem Machtkampf Ihres Sohnes die Grundlage und er kann beginnen, seinen Widerstand aufzugeben. Zudem entziehen Sie dem Thema damit auch unerwünschte Aufmerksamkeit. Die sollte Ihr Sohn für alles bekommen, was er schon prima kann und macht. Ähnlich können Sie beim Spielen vorgehen. Akzeptieren Sie, dass Ihr Sohn keine Lust mehr hat weiterzuspielen, wenn ihn ein Misslingen oder Unvermögen frustrieren. Er kann noch nicht genügend Frustrationstoleranz entwickelt haben. Sie haben dann aber auch keine Lust mehr und machen etwas anderes statt für ihn zu übernehmen. Sie beschreiben Ihren Eindruck, dass Ihr Sohn sich mit seinem Verhalten "emotional auflädt". Möglicherweise geht es jedoch nicht um den "Liebestank" sondern um Dominanz, die Ihr Sohn unbewusst anstrebt. Der Wunsch ist bei einem Dreijährigen verständlich, da er damit sein noch schwaches Selbst stabilisieren möchte. Er kann jedoch so nicht erfüllt werden, da Dreijährige mit der Übernahme von Dominanz völlig überfordert sind. Sie wissen, dass sie noch nicht die Bestimmer sein können. Diese Rolle haben die Eltern, bei denen sich das Kind anlehnen und Schutz und Hilfe erfahren muss. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ingrid Henkes


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