schwer zu bändigen (lang)

 Christiane Schuster Frage an Christiane Schuster Sozialpädagogin

Frage: schwer zu bändigen (lang)

Liebe Frau Schuster, ich möchte mich mit einem kürzlich aufgetretenen (aber wahrscheinlich schon lange schwelendem) Problem an Sie wenden. Ich bin 34 Jahre alt und habe eine Tochter, die gerade 3 geworden ist. Zu ihr: sie hat Temperament für drei Kinder und ist sehr willensstark und selbstbewußt. Diese Eigenschaften an ihr zu entdecken, hat meinen Mann und mich eigentlich eher gefreut, so daß wir sie in ihrem Ausleben an sich noch unterstützt haben, soweit es nicht mit uns kollidiert ist. Es gab immer mal Problemchen, wenn sie ihren Willen durchsetzen wollte, es aber mal nicht durfte. Da sie andererseits aber unglaublich lieb ist, wog diese Seite auf der Waagschale nicht zu schwer. Sie schläft seit ihrer Geburt (abgesehen von den damaligen Stillzeiten) jede Nacht durch, schläft auch jeden Abend wunderbar ein, man kann mit ihr fast überall hingehen, z.B. essen oder einkaufen ohne viel Ärger und Trara. sie ist rücksichtsvoll. Z.B. bekomme ich ein Baby und sie paßt auf mich auf, daß ich nicht zu schwer trage usw. Sie ist auch überhaupt nicht aggressiv anderen Kindern gegenüber, so habe ich noch nie erlebt, daß sie mal ein Kind gehauen hätte, schon gar nicht von sich aus. Sie ist ihrem Alter in vielen Dingen voraus, was mir z.B. der Kinderarzt oft sagt. Hier beispielsweise ihre motorischen Fähigkeiten. Sie kann Dinge, bei denen Vierjährige Probleme haben. Sie war schon als Säugling ein forderndes Kind, wollte satt und ausgeschlafen nicht irgendwo im Stubenwagen liegen (schrei!) sondern wollte "dabeisein", so daß einer von uns sie meistens auf dem Arm hatte. Mit ca. 6 Monaten hielt sie es dann schon eine ganze Zeitlang mit ihren Spielsachen aus (halbe Stunde). Heute kann sie völlig konzentriert bis zu 1,5 Stunden allein spielen. Andererseits will sie auch sehr viel Zuwendung und Beschäftigung von mir. Da mein Mann beruflich flexibel sein muß sind wir jetzt in 1,5 Jahren zum zweiten Mal umgezogen (zurück in meine Heimatstadt, wo auch meine Familie wohnt). Zwischen Ende des alten ErzUrl und des neuen Mutterschutzes, des im März beginnt, muß ich derzeit wieder Vollzeit arbeiten. sie geht vormittags in eine Spielgruppe (eine Art Vorkindergarten) und ist nachmittags bis 17.30 bei der Oma. Dann hole ich sie ab. Diese Veränderungen fanden alle innerhalb der letzten drei Monate statt. In dieser Zeit ist sie auch trocken geworden und geht von heute auf morgen zuverlässig auf die Toilette. In der Gruppe sind fünf Kinder, von denen zwei Mädchen sind, die schon vier sind und bereits ein Jahr dabei sind und zwei Jungen. Sie geht dort gerne hin und ich habe das Gefühl, daß sie sich bei den Kindern wohl fühlt. Probleme gibt es mit den Erzieherinnen. Nach ca. 2 Wochen Aufenthalt baten sie mich um ein Gespräch über meine Tochter. Sie sei "unmöglich", würde keinerlei Grenzen kennen, wollte immer bestimmen, was die Kinder machen sollen, könne bei Gruppenveranstaltungen wie z.B. Adventsliedersingen nicht ruhig bleiben (statt dessen wollte sie tanzen) und wäre insgesamt viel zu fordernd, man solle machen, was sie will, wenn nicht, bekäme sie einen Wutanfall und könne sich in der Gruppe nicht anpassen. Diese Klagen und mehr zogen sich über eine halbe Stunde hin. Ich war total geschockt, denn so kenne ich sie überhaupt nicht. Eine der Erzieherinnen meinte dann noch, "solche Kinder, die alles dürfen, kann ich nicht leiden". Es stimmt, daß sie gerne bestimmt und bei Veranstaltungen, die sie langweilen, lieber tanzt als still zu sitzen. Daß sie nicht weiß, wie das "Gruppenleben" funktioniert, liegt doch auf der Hand, denn sie ist zum ersten Mal in einer derartigen Kindergruppe (vier mal die Woche). Kontakt zu anderen Kindern hatte sie bisher in Krabbelgruppen, wo ich dabei war und auf dem Spielplatz. In beiden Fällen kam sie gut mit den Kindern klar. Logisch, daß nicht alle immer machen was sie will, aber mit diesem "frust" kam sie gut klar. Mir ist da keine besonders auffällige Reaktion aufgefallen. Tatsache ist, daß sie, seit sie in diese Gruppe geht, auch zu Hause viel schwerer zu bändigen ist, vor allem abends, wenn sie schon müde ist. Z.B. zieht sie sich aus und wirft ihre Sachen einfach hin. Oder macht ein Riesentheater beim Zähneputzen. sie wirkt oft ziemlich "verdreht" und ist besonders wild. Wir hatten vorher natürlich nur wenig Erfahrung bei der Kindererziehung und die positiven Eigenschaften unseres Kindes haben uns an sich immer ein insgesamt gutes Gefühl gegeben. Sie ist ja nicht wirklich frech oder böse, möchte halt gerne ihren Kopf durchsetzen. Mit GEduld ist es bisher immer gelungen, da gemeinsam zurechtzukommen. Jetzt bin ich völlig verunsichert. Ich gebe zu, daß es mir oft schwer fällt, besonders streng zu sein. Nicht unbedingt aus Bequemlichkeit, sondern weil mir oft die Notwendigkeit bei ihr nicht ersichtlich war. Habe ich mir auf diese Weise einen Tyrannen herangezogen? Habe ich Fehler gemacht, die noch weitere Folgen haben, wenn sie älter wird? Muß und wie kann ich jetzt noch engere Grenzen setzen (welche müssen überhaupt sein?). Oder sind ihre derzeitigen Reaktionen durch die Umstellungen der letzten Monate erklärbar? Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir einen Rat geben könnten.

Mitglied inaktiv - 29.11.2000, 20:22



Antwort auf: schwer zu bändigen (lang)

Hallo Petra Die Umstellungen in den letzten Monaten sind sicherlich nicht spurlos an Ihrer Tochter vorbei gegangen. Mit 3Jahren nehmen die Kleinen schon alles bewusst wahr, was in ihrer Umgebung so vor sich geht. Dazu kommt, dass Sie ein Baby erwarten und sie bald die grosse Schwester sein wird. Letzteres ist für Ihre Tochter sicherlich noch schwerer vorzustellen als für uns Erwachsene.- Sagen Sie ihr, dass sie in der Gruppe schon mal üben kann, wie es ist, auf Jemanden Rücksicht zu nehmen. Loben Sie sie, wie vernünftig sie doch schon ist und wie sehr sie Ihnen auch zu Hause hilft und Rücksicht auf das Baby und Ihren dicken Bauch, mit Allem, was dazu gehört, nimmt. Lassen Sie sie jeden Tag erzählen, was sie in ihrer Gruppe gemacht hat und sagen Sie ihr, dass die anderen Kinder dort lieber ganz ruhig spielen wollen, sodass sie besser zu Hause zu dem Lied tanzt, das sie dort gelernt hat. Lesen Sie ihr häufig Geschichten vor, damit sie das Still-Sitzen und Zuhören ein wenig üben kann ohne dass es ihr richtig bewusst ist. Falls möglich, suchen Sie eine Kinder-Turn-Gruppe für Ihre Tochter oder lassen Sie sie einen Schwimmkurs absolvieren, damit sie ihren Bewegungsdrang ausleben kann. Da Ihre Tochter bislang in anderen Kindergruppen ein ganz "normales" und kindgerechtes Verhalten zeigte, haben Sie in Ihrer Erziehung bestimmt auch nichts falsch gemacht. Nimmt eine Einrichtung ein 3jähriges Kind auf, muss damit eigentlich gerechnet werden, dass die Gruppenfähigkeit und die Stärkung des Sozialverhaltens vorrangig gefördert werden müssen und nicht vorausgesetzt werden können. Wie soll es denn in anderen Kigas zugehen, in denen nicht nur 5 sondern bis zu 25Kinder betreut werden?- Versuchen Sie von sich aus, nochmal mit den Erziehern zu sprechen und informieren Sie sie über Ihren Erziehungsstil, den Sie sich ja genau überlegt haben. Kommen Sie mit deren Erziehungsmethoden gar nicht in Einklang, würde ich einen Gruppenwechsel in Erwägung ziehen, damit Ihre Tochter nicht immer hin- und hergerissen wird und sich aus dieser Unsicherheit heraus nicht mehr sicher orientieren kann. Alles Gute und: bis bald?

von Christiane Schuster am 30.11.2000