Ich bin am Ende!(Vorsicht!Halbe Lebensgeschichte)

 Christiane Schuster Frage an Christiane Schuster Sozialpädagogin

Frage: Ich bin am Ende!(Vorsicht!Halbe Lebensgeschichte)

Liebe Frau Schuster, das hört sich dramatisch an und das ist es leider auch! Damit Sie die Zusammenhänge richtig verstehen muss ich ihnen erst mal "kurz" meine Vorgeschichte schildern: Ich bin 39 Jahre alt und seit ca. meinem 15 Lebensjahr alkoholabhängig. Es dauerte ungefähr 15 Jahre, bis ich das erst mal erkannt bzw. akzeptiert hatte. Im Laufe der nächsten 4 Jahre machte ich 2 stationäre (4 Monate u. 2 Monate) und 1 ambulante (1 Jahr) Therapien. Danach war ich endlich 5 Jahre an einem Stück trocken. Zwischenzeitlich, mit 18 Jahren bekam ich mein erstes Kind, eine Tochter. Mein damaliger Mann war mein erster und einziger freund gewesen und obwohl er krankhaft eifersüchtig war und mich zeitweise sogar körperlich misshandelte, schaffte ich es erst 1 Jahr nach der Geburt des Kindes mich von ihm zu trennen. Leider fing das Drama dann erst richtig an, ich kam alleine mit dem Kind überhaupt nicht klar, ich konnte einfach nicht konsequent sein, von Kindererziehung hatte ich ja keinen blassen Schimmer, dazu kam mein langsam wachsendes Alkoholproblem. Als die kleine 3 war, wandte ich mich in meiner Not ans Jugendamt,wo ich dann den Vorschlag unterbreitet bekam, das Kind doch zum Vater zu geben. Ich habe damals überhaupt nicht daran gedacht, dass er ja gewalttätig war, das habe ich völlig verdrängt, und willigte in diesen Vorschlag ein. Danach ging es dann aber erst richtig bergab mit mir, weil ich meine Tochter ja trotz allem sehr liebte und den Verlust nur schwer überwinden konnte. Leider ist sie auch ein Problemkind geworden (raucht sehr viel Marihuana, war teilweise im Heim, weil der Vater auch nicht mehr mit ihr klarkam und sie mit ihm nicht) und seit gut einem Jahr habe ich gar keinen Kontakt mehr mit ihr. Nach vielen Jahren, die ich mit Herumhängen und Partnersuche verbrachte verliebte ich mich in meinen jetzigen Mann, damals war ich ca. 25 J. alt. Gemeinsam haben wir uns aus dem Sumpf wieder hochgerappelt, haben beide eine Umschulung zum Elektroniker gemacht und danach auch beide sofort eine feste Anstellung bei einem großen Konzern bekommen. Alles schien in bester Ordnung zu sein. Leider war auch diese Beziehung von Anfang an sehr abhängig und mit vielen Problemen belastet, so dass wir uns zwischendurch immer wieder trennten. Teilweise war es seine Introvertiertheit und sein Unvermögen mit meinen Problemen klarzukommen, teilweise war es halt mein Alkoholproblem und meine Ansprüche an ihn. Dazu kam ein großes sexuelles Problem meinerseits, was wahrscheinlich auf Inzest in meiner Familie zurückzuführen ist (ich arbeite auch an diesem Thema z.Zt.). Nach einer letzten Trennung, die 2 ganze Jahre währte, womit auch meine 5jährige trockene Phase begann, haben wir es noch mal versucht, wollten ganz von vorne anfangen. Wir beschlossen ein Kind zu bekommen, was ich vorher immer abgewehrt hatte, weil ich mich nicht stabil genug fühlte. Nun glaubte ich aber es schaffen zu können. Es klappte auch sofort und am 16 Dezember 1998 wurde unser süßer kleiner Sohn geboren. Es war eine sehr schwere Geburt, die mit einem Kaiserschnitt endete, aber der Kleine war kerngesund und kräftig. Ich war überglücklich. Allerdings war es von Anfang an mit ihm sehr anstrengend, weil er sehr lebhaft ist und ca. 1 ½ Jahre ziemliche Schlafprobleme hatte (und ich auch). Ich war in dieser Beziehung eigentlich immer konsequent und habe es mit der Ferber-Methode versucht, aber es dauerte trotzdem unendlich lange, bis er vernünftig ein- und durchschlief. Dementsprechend nervös und fertig war ich in dieser Zeit, mein Mann wirft mir heute noch vor, wie ich damals den Haushalt (und ihn) vernachlässigt hätte. Jedenfalls wurde es wieder sehr schlimm mit unserer Beziehung, ich konnte mit ihm auch nicht über Erziehungsfragen diskutieren, er fühlte sich immer gleich angegriffen. Wir haben dann noch ½ Jahr lang versucht eine Paartherapie zu machen, aber es war einfach nichts mehr zu retten. So bin ich dann vor 2 Monaten mit dem Kleinen ausgezogen, unter Protest seinerseits. Ich bin nun ganz sicher, dass ich nie wieder zu ihm zurückgehen werde, wenn es auch noch so weh tut, weil es einfach keinen Zweck hat. Dummerweise hatte ich auf dem Höhepunkt dieser letzten Ehekrise einen Rückfall, weil ich einfach diesen dauernden Druck nicht mehr aushalten konnte. Mein Mann gibt mir auch die alleinige Schuld für das Scheitern der Ehe und für seine Verhaltenstörungen. Er sagt ich wäre schizophren und hätte alles von vornherein so geplant!!! Der Rückfall dauerte ca. 6Wochen, also auch während der Zeit unseres Umzuges. Ich muss dazu sagen, dass ich nicht so exzessiv trinke, also nur Bier oder Wein und auch nur abends .Ich vertrage auch nicht soviel. Ich habe dann wieder Kontakt zu meiner alten Selbsthilfegruppe aufgenommen und bin nun seit 3Wochen wieder glücklich trocken und will es auch bleiben. Puhhh! Und nun zum eigentlichen Problem: Mein Sohn hat eigentlich am Anfang gut mitgespielt, d.h. er hat es einfach so hingenommen, dass wir uns getrennt haben, dass er mit Mama jetzt woanders wohnt, dass Papa ihn abholt und er dann dort auch übernachtet, er zeigte keinerlei Auffälligkeiten. Doch seit einer Woche ist alles anders (er war kurz vorher 4 Tage beim Papa gewesen)! - Er will partout keinen Mittagsschlaf mehr machen, vorher waren es immer bis zu 2 ½ Stunden - Er ist demzufolge ab 15 Uhr nur noch knatschig, weil er sehr wohl müde ist - Er ist eigentlich nur noch anti und „provoziert“ mich in einer Tour - Er spielt wohl alleine aber sobald ich ihm keine Aufmerksamkeit schenke und mich mit etwas anderem beschäftige macht er nur Mist. (Das kann ich ja ein bisschen verstehen, er hat wohl Angst mich auch noch zu verlieren) - Er lässt sich nicht wickeln, tritt mich dabei sehr heftig - Er spielt ziemlich aggressiv mit seinen Autos und Playmobil Männchen (Unfall und Tod), schmeißt sie oft durch die Gegend - Er haut oder boxt mich ins Gesicht (er wurde bisher nie geschlagen!) - Er reagiert kaum auf Verbote - Er lässt sich nicht anziehen - Er weigert sich auf der Strasse weiterzugehen - Er schläft mal wieder nur noch unter Protest ein - Er wacht nachts 3-4 mal auf, weint dann sehr heftig, lässt sich aber auch nicht von mir beruhigen oder anfassen, ist richtig wütend und tritt mit den Beinen - Und- und -und Ich weiß wohl, dass er jetzt ins Trotzalter kommt und dass die eine oder andere Sache wohl „normal“ ist, aber es ist im Moment so extrem, dass ich das hier mal alles aufgezählt habe. Es kann doch nicht sein, dass man den ganzen Tag immer nur „Nein“ sagen muss und dass alle 10 Minuten wegen irgendwas Theater ist. Mein Problem ist, dass ich damit nicht richtig umgehen kann, ich versuche immer wieder krampfhaft ruhig zu bleiben, aber nach 2-3 Stunden Kampf raste ich dann aus und motze oder schreie ihn an. Es kommt auch schon mal vor, dass , wenn er mir morgens als erstes einen Kinnhaken verpasst, ich sozusagen schon den Kaffee auf habe und gar keine Geduld mehr aufbringe. Das wird dann meistens ein besonders schlimmer Tag. Ich bin wirklich im Moment mit den Nerven völlig am Ende, heute habe ich einen hysterischen Heulkrampf bekommen. Als der Kleine mich weinen sah, meinte er erst „Mama, gut“ und als ich dann aufhörte „Mama mehr weinen“!?! Ich habe jedes Mal fürchterliche Schuldgefühle nach so einem Krach und befürchte, dass er einen Knacks davontragen wird. Ich habe auch dauernd das Gefühl ihn zu vernachlässigen, obwohl ich doch meine, dass ich mich sehr viel mit ihm beschäftige. Mein Traum war immer der von einer liebevollen, geduldigen Mutter und der scheint im Moment geplatzt zu sein. Ich glaube, dass eigentliche Problem von uns beiden bin ich, da ich durch mein falsches Verhalten alles nur noch schlimmer mache. Ich kann nachts kaum noch schlafen und wache dauernd mit Herzrasen auf. Ich weiß nicht, wie ich diesem Teufelskreis entfliehen kann. Es ist mir bewusst, dass ich Sie möglicherweise mit dieser ganzen Problematik überfordere, aber vielleicht können Sie mir ja die eine oder andere Adresse nennen, wo ich Hilfe erhalten kann. Ansonsten war es eine gute Übung für mich das alles mal aufzuschreiben und loszuwerden. Ich habe wohl auch Leute, mit denen ich darüber sprechen kann, aber die sagen mir immer nur, das ist normal, das geht vorbei und dafür kann ich mir leider nicht viel kaufen, im Grunde geht es ja wohl auch um mich und nicht so sehr um das Kind. Auf jeden Fall danke ich Ihnen , dass Sie sich die Mühe gemacht haben diesen Roman zu lesen (es ging nicht anders; sorry) und grüße Sie herzlich, Susanne

Mitglied inaktiv - 29.11.2000, 00:32



Antwort auf: Ich bin am Ende!(Vorsicht!Halbe Lebensgeschichte)

Hallo Susanne Da Sie genau sehen, welche Probleme auf Sie zu kommen und auch bereit sind, an sich zu arbeiten, denke ich, dass es das Beste ist, wenn Sie sich mit einem Hausarzt, der Ihr Vertrauen besitzt, aussprechen. Er kann Ihnen sicherlich eine Psychologin empfehlen, die Sie regelmäßig auf Ihrem schweren Weg begleiten wird. Zusätzlich ist vielleicht eine Erziehungsberatung erforderlich, da Ihre Schilderung so komplex ist, dass ich Ihnen via Internet zwar kurze Ratschläge geben kann, aber doch keine endgültige Lösung anbieten kann, da ich weder Sie noch Ihren Sohn persönlich kenne. Haben Sie schon mal an eine Tagespflege für Ihren Sohn gedacht, damit Sie selbst erst mal mit sich "ins Reine" kommen? Vielleicht wäre auch eine Mutter-Kind-Kur ganz sinnvoll!- Dringend empfehle ich Ihnen einen Arzt aufzusuchen, mit dem Sie persönlich sprechen können und der die örtlichen Gegebenheiten kennt. Leider kann ich Ihnen nicht viel weiter helfen, bin aber überzeugt, dass Sie es schaffen werden, das "Übel an der Wurzel zu packen". Es würde mich freuen, wenn Sie mir Erfogserlebnisse bald berichten könnten. Selbstverständlich bemühe ich mich weiterhin Ihnen zu helfen, wenn ich es kann. Geben Sie nicht auf!!! und: bis bald?

von Christiane Schuster am 29.11.2000