Mitglied inaktiv
Nochmal zur Diskussion um Erwartungen, damit verbundenen Druck usw. (s.u.): Also ich weiss nicht - da ist zwar viel dran, aber dennoch kommt es mir einseitig vor... ¨ Warum sind Erwartungen immer nur falsch und schlecht? Wenn jemand gewisse Erwartungen an mich hat, kann ich mich doch u.U. auch gut fühlen, z.B. weil er/sie erwartet, dass ich ihm helfe und ich bin froh, dass er so ein Vertrauen zu mir hat... Oder wenn ich von meinem Kind erwarte, dass es etwas alleine schafft, signalisiere ich doch damit auch, dass ich ihm das zutraue, ganz selbstverständlich. Und das kann ein gutes Gefühl sein, oder meint ihr nicht? (Natürlich darf man es mit der "Selbstverständlichkeit" nicht übertreiben, damit der andere nicht das Gefühl hat, er müsse funktionieren wie ein Roboter, Abweichungen und gar "Fehler" ausgeschlossen.) Ich denke, wenn meine Freunde/Familie von mir GAR NIX erwarten würden (was ja hier als Ideal dargestellt wurde), käme ich mir wohl auch komisch vor - irgendwie so als wäre ich allen egal, abgeschrieben, oder man würde "nicht mit mir rechnen"... Wisst Ihr was ich meine? Eben so, wie wenn man die Redewendung "Von dem/der kann man ja gar nichts erwarten" verwendet...
Erwartungen sind nicht an sich schlecht. Das schlechte daran ist, dass sie manchmal zu Bedingungen werden: Wenn du nicht das tust, was ich erwarte, dann – Natürlich kann ich von einer FREUNDSCHAFT "erwarten", dass sie von beispielsweise Hilfsbereitschaft geprägt ist. Wenn du es von der FREUNDIN erwartest, dann hat sie immer noch die Freiheit, wenn sie dieser Erwartung nicht entsprechen kann, sich dieser Erwartung einfach zu entziehen, indem sie mit dir keine Freundschaft mehr pflegt und andersrum, kannst du, wenn deiner Erwartung nicht entsprochen wird, dich von der Freundin abzuwenden. Du hast natürlich ein Recht darauf, "Freundschaft" so für dich zu definieren, wie sie für dich sinnvoll erscheint. Wenn Hilfsbereitschaft ein wichtiger Punkt ist, dann ist klar, dass du mit niemandem befreundet sein wirst, der dies nicht leisten kann. Die entsprechende Person hat auch die FREIHEIT sich entsprechend zu ändern, wenn ihr die Freundschaft wichtig ist, sprich "hilfsbereit zu werden". Insofern ist eine Erwartung nicht unbedingt schlecht. Im Bereich der Freundschaften fügen sich auch normalerweise einfach automatisch die Leute zusammen, die sich gegenseitig in ihren "Leistungen" und "Erwartungen" ergänzen und eventuell wird zugunsten der Freundschaft auf bestimmte Erwartungen oder Leistungen verzichtet, weil andere Bereiche dies kompensieren oder einfach überwiegen. Ist alles jedoch freiwillig und jederzeit "kündbar", auch wenn's manchmal schade wäre. Bei einer Eltern-Kind-Beziehung ist es aber nicht so einfach. Das Kind ist erst Mal abhängig von dir. Es KANN nicht einfach weg - und auch nicht – und es hat dann nicht die "Freiheit", sich einfach abzuwenden, wenn es sieht, dass es deinen Erwartungen nicht entsprechen kann. Es ist gemein, diese Macht die du hast, mit deinen Erwartungen zu verknüpfen: "Du kannst eh nicht weg, und wenn du meinen Erwartungen nicht entsprichst, ist zwischen uns mindestens schlechte Stimmung, bis du dich änderst oder so tust als ob oder ich andere Druckmittel gefunden habe". Selbst wenn man eben keine Druckmittel benutzt, ist das Kind irgendwie in der "Falle". Wie im Falle des Kindes, dass genau weiß, dass es "aufräumen sollte", aber es halt noch nicht kann/will/einfach nicht so ein ordentlicher Mensch ist, der fühlt sich einfach schlecht/unwohl, einfach nur zu wissen, was für Erwartungen die ganze Zeit auf ihm "lasten" und er auch nicht entsprechen kann. Wenn zudem die Erwartungen von BEIDEN Elternteilen erwartet werden und von allen möglichen Seiten aus der Gesellschaft her, kann man sich regelrecht erdrückt fühlen und "nicht richtig" ("mit mir stimmt was nicht", "ich bin schlecht"). Oft sind die Erwartungen ja durchaus "berechtigt" (zwecks reibungslosem Zusammenleben in der Gesellschaft), oft aber zum falschen Zeitpunkt (Kind ist zu jung, um den Erwartungen entsprechen zu können). Und oft wird eben bei "Zuwiderhandlung" sakntioniert oder mindestens "verachtet". Bisher sprach ich ja in der theoretischen Annahme, man hätte bereits alle Erziehungsmanßnahmen weggelassen und es blieben NUR noch die Erwartungen (in bestimmten Beziehungen schädlich genug) – dies ist aber bei weitem nicht der Fall! Es entsteht eine gefährliche Mischung! Bei einer Partnerschaft ist es so mittig – man ist gebundener als in einer Freundschaft, hat aber doch letztenendes die Möglichkeit, sich einfach zu trennen. Beim Kind geht es nicht so einfach – siehst du den Unterschied? Da man aber die Erwartungen so schwer ablegen kann, ist es m.M.n. wichtig, auszustrahlen, dass es immer die Freiheit hat, diesen Erwartungen nicht zu entsprechen. Dies strahlt man meiner Meinung nach durch ein gleichberechtigtes erziehungsfreies und lösungsorientertes Miteinander aus. Nach und nach lernt/sieht man vielleicht auch doch, dass es sich lohnen kann, bezüglich des eigenen Kindes keine Erwartungen zu haben: man kann überrascht werden, was für ein wundervoller Mensch voller unbekannter Eigenschaften, die man "nie erwartet" hätte im Kind steckt :-) erzieherische Haltung: Mal schauen, ob es mir gelingt, ihn/sie zu einem gesellschaftlich fähigen Menschen, zu einem glücklichen Menschen zu machen. Ich werde mir größte Mühe geben, ihn zu einem solchen Menschen zu MACHEN. nichterzieherische Haltung: Mal schauen, wie er/sie wird. Ich bin gespannt, ihn/sie kennen zu lernen. Ich werde mir größte Mühe geben, ihn/sie sich selbst entfalten zu LASSEN. Wie spannend! Gruß Johanna www.unerzogen.de
Hm, meinst Du dieses Vertrauen in die Fähigkeiten des Kindes erreicht man nur mit einer gewissen Erwartungshaltung? Kann man nicht auch einfach motivieren, indem man sagt: "Ich glaube, dass Du das schaffst. Probiers doch einfach. Wenn es nicht klappt, helfe ich Dir natürlich."? Ohne dem Kind die Sicherheit zu nehmen, dass es das aber nicht schaffen MUSS. Dass niemand enttäuscht (oder gar sauer) ist, wenn es nicht klappt. Ich kann mich gut fühlen, wenn jemand mir Verantwortung überträgt, mir etwas zutraut. Weil ich es MIR auch zutraue. Aber wenn ich "Angst" davor haben muß, denjenigen zu enttäuschen, fühl ich mich nicht mehr gut. Dann gerate ich unter Druck, die Erwartungshaltung des Betreffenden nicht erfüllen zu können. Das lähmt mich eher als dass es mich motiviert. Und bei vielen Kindern ist das sicher auch so. Familie ist ein Schonraum, in dem man soziales Miteinander trainieren kann. In dem man Fehler machen, anecken und auch mal richtig Mist bauen kann. In dem man KEINE Leistung erbringen muß, um geliebt, angenommen und respektiert zu werden. Diese Basis finde ich enorm wichtig. Motivation, Vertrauen und Interesse(am Kind) brauchen keine Erwartungshaltung und erst recht keinen Druck. ZUTRAUEN ist nicht abhängig davon, ob ich von einem bestimmten Ergebnis ausgehe. Zutrauen hat vor allem was damit zu tun, das Kind Dinge ausprobieren zu lassen, wenn es das selbst möchte. Ohne es dabei unter Druck zu setzen. ich ERWARTE auch nicht von meinem Sohn, dass er sein Zimmer aufräumt (dass er es KANN, weiß ich.) Ich freue mich, wenn er sich in der Familie engagiert. Freiwillig und ohne dass jemand das voraussetzt. Und er tut es gern. Weil er weiss, dass seine Hilfe geschätzt und anerkannt wird. Dass sich der Betreffende darüber freut. Und das ist ein gutes Gefühl. *g* Ich erwarte auch nicht, dass er sich alleine anzieht. Was er auch sehr gut kann. Meist tut er es, weil es IHM SELBST wichtig ist. Manchmal aber auch nicht. Dann helfe ich ihm. Ganz selbstverständlich.
Meine Eltern wollten uns immer unterstützen. Ich habe mich, obwohl sie nie offiziell Leistungen von uns "erwartet" haben und uns dahingehend auch "erzogen" haben, sehr unter Druck gesetzt gefühlt. Ich bin erst vor kurzem dahinter gekommen, warum: Wenn ich erwähnt habe, dass ich gerne male, haben sie SOFORT einen RIESEN-Maltisch mit Licht von unten (Architekten/Zeichentisch) und allem drum und dran gekauft. Als ich mir ein KLEINES Keyboard, das im ALDI im Angebot war, wünschte, lediglich um Basisnoten zu haben, um Singen zu üben, wurde mir ein RIESEN-super-duper-Keyboard geschenkt mit allen möglichen Funktionen. Wollte man lediglich spazieren fahren, wurde ein RIESEN-Ausflug mit allem drum und dran organisiert. Es war zwar immer lieb gemeint und ich bin auch dankbar für diesen liebevollen Versuch, aber es hat mich unheimlich unter Druck gesetzt – den Zeichentisch auch WIRKLICH total toll zu benutzen und zu mögen, eine super Zeichnerin zu werden und womöglich noch berühmt; mit dem Keyboard wenigstens ein Lied zu komponieren, obwohl ich es eigentlich nur für die Tonleiter brauchte; den Ausflug super bereichernd zu finden – und letztenendes immer besonders dankbar für alles zu sein und diese Dankbarkeit in einer Leistung auszudrücken. Gruß Johanna
LG, AyLe P.S. werde auf Deine Frage etwas später antworten...
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