Elternforum Rund um die Erziehung

@raphael04

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Hallo Marion, puhh, wo anfangen? Es ist noch gar nicht so lange her, da habe ich behauptet: Bestrafung in der Kindererziehung muss eine Hilfe zum Lernen sein. Die meisten sind nur bis „Bestrafung in der Kindererziehung“ gekommen (haben also gar nicht zu Ende gelesen) und sind dann völlig übergeschnappt (sorry). Bestrafung von Kinder, so was darf in der Erziehung nicht sein! So war jedenfalls der allgemeine Konsens. Nun schlägt ein Herr Bueb vor, Schulkinder zu bestrafen. O-Ton: „Es ist aber nicht falsch, wenn ein Kind die konkrete Strafe des Vaters aus einem bestimmten Anlass fürchtet.“ Viele finden das Strafen jetzt gar nicht mehr so schlimm, denn es hört sich auf den ersten Blick plausibel an. Außerdem sollen ja die Lehrer bestrafen und nicht die Eltern (der Buhmann ist also ein anderer) und der Zweck heiligt in dem Fall die Mittel, denn die Zustände in Schulen sind katastrophal. Und zum zweiten sind es ja nicht die eigenen Kinder, die es betrifft, denn wir geben in der häuslichen Erziehung unsere Bestes. Also her mit den Strafen! Was schlägt den Herr Bueb so vor? Er will bestrafen: Disziplin- und Respektlosigkeit im Unterricht und dann noch Sex, Drogen, Alkohol, Zigaretten vor dem 18 (!!) Lebensjahr. O-Ton Bueb: „Man muss zum Beispiel mit einer 16-Jährigen darüber diskutieren, ob sie in die Disco DARF. Die Eltern müssen mit dem Mädchen über die Gefährdungen sprechen und klären, ob sie ihm zutrauen, diesen zu widerstehen. Alles andere jedoch - Drogen, Alkohol, Zigaretten, Sexualität - müssen wir der 16-Jährigen verbieten…“ Du sollst also Raphael Drogen, Alkohol, Zigaretten, Sexualität verbieten, bis er 18 Jahre alt ist. Im Elite-Internat Salem sind diese Dinge sogar bei Strafe verboten und wenn die Kinder aller Wochen mal nach Hause fahren, muss das natürlich auch verboten bleiben, sonst gibt die Intention nahinter keinen Sinn. Also müssen auch die Eltern mitziehen. Nun frag ich mich, wie bestraft man denn Sex von Minderjährigen? Gibt’s ein schwarzes Brett, wo die die Nicht-Mehr-Jungfrauen angeprangert werden, müssen die Jungs vor versammelter Mannschaft die Hose runter lassen oder gibt’s Fernsehverbot oder Küchendienst? Nein, es gibt, den Ausschluss von der Schulgemeinschaft. Die Intention dahinte ist richtig, Kinder sollen erst ein gewisse Reife erlangen, um frei mit Drogen, Alkohol, Zigaretten und Sexualität umgehen zu können. Dem stimme ich vollkommen zu, aber ich finde die Schlussfolgerung falsch, dass Kinder nur durch Verbote und Strafe daran gehindert werden können. Was ist, wenn das Verbot dann aufgehoben ist? Ist es nicht viel eher so, dass die Kids dann erst richtig die Sau rauslassen müssen? Ich kenne dann solche Bilder: Die Jugendlichen liegen dann in den ersten Ferien ohne Mami und Papi 14 Tage im Alkohol- und Drogen-Dauerkoma und betreiben wahllosen Matrazensport. Muss der pädagogische Ansatz nicht viel eher lauten: Was treibt denn die Kids dazu, die Konsumenten von Sex, Drogen, Alkohol und Zigaretten zu werden? Solange die Frage nach den URSACHEN nicht beantwortet ist, macht es auch wenig Sinn, erzieherisch einzugreifen. Einige Ursachen können sein: Reiz des Verbotenen, Suche nach Gruppenzugehörigkeit, Beseitigung der Ohnmachtsgefühle (wegen dem Verbot), fehlender Lebenssinn, Flucht aus der langweiligen Realität usw. Man braucht bloß mal in seiner eigenen Biografie kramen, dann fallen einem die Jugendsünden wieder ein! Aus meiner Sicht haben Pädagogen und Eltern die Aufgabe, sich die Fragen nach den Ursachen zu stellen und sie GEMEINSAM zu beantworten. Und das gibt es in der Realität, dass ist keine Wunschvorstellung. Und da bei weitem nicht alle Kids der Sexsucht und den Drogen verfallen, gibt es reale Lösungen für das Problem. Ich jedenfalls denke, wenn der „einfache“ Weg über Strafen genommen wird, mutiert Erziehung nur noch zum „Russisch Roulette“, entweder es klapt oder nicht. Beruhigt mich das als besorgte Mutter? Ähnlich verhält es sich mit der Respektlosigkeit gegenüber Erwachsenen, auch sie hat ihre Ursachen. Selbst Kinder, die nie Respekt erfahren haben, können in ihrem schlechten Verhalten gesunden, wenn sie einem Erwachsenen begegnen, der sie zum ersten Mal im Leben ernst nimmt, der mit ihnen redet. Wenn Kids sich verstanden und angenommen fühlen und dadurch Vertrauen zum Lehrer aufbauen können, bedarf es keiner Strafen. Der Respekt zu diesem Menschen stellt sich von ganz alleine ein. Die meisten Kids wachsen eigentlich ganz normal mit dem Respekt ihrer Eltern auf und trotzdem nehmen sie die Lehrer nicht für voll. Die wenigsten Lehrer sind eine natürlich Autorität. Herr Bueb kennt die Tatsache und hat eine Lösung: Amtsautoriät! Und was ist mit den Müttern, die keine natürlich Autorität haben, die Weicheier also, die ihre Schwierigkeit damit haben, den Kindern Regeln beizubringen? Auch für diese Kinder hat Herr Bueb ein tollen Einfall: „Sie [die Kinder] müssen in einer Gemeinschaft wenigstens tagsüber ihren überbetreuenden Müttern entzogen werden, die es viel zu gut meinen und die Kinder zu lauter Egoisten erziehen.“ Aber Autorität kann man sich durchaus erarbeiten: in dem man nämlich unerschütterlich daran glaubt, das es richtig ist, was man tut! Und das setzt natürlich voraus, dass man genau weiß und verstanden hat, warum man etwas tut! Mütter haben ihre Liebe zum Kind, ich kenne viele, die es geschafft haben, für ihre Kinder eine selbstverständliche Autorität zu werden. Mir ging es als „Jungmutter“ nicht anders, auch ich musste lernen und mich damit auseinander setzen, warum ich es so handhabe und nicht anders. Um Autorität zu ringen, das kriegt ein unbegabter Pädagoge nicht hin, wo es ihm unzählige Mütter vormachen? Lernen die nichts mehr an der Uni über Selbsterkenntnis? Disziplin ist noch ein wichtiges Thema. Wie erreicht man, dass Kinder im Unterricht zuhören? Doch nur, wenn sich Kids für den Lehrstoff begeistern können und einen Bezug zu ihrem eigenen Leben finden, wenn es Spaß macht, neues zu entdecken und anwenden zu können. Klar kann ich mit Strafen erreichen, dass alle ihre Klappe halten, aber ich erreiche nicht, dass ALLE Kids dann zuhören und lernen, man kann auch ganz gemütlich auf Durchzug schalten. Ein Fass ohne Boden… denn unser Staatsschulsystem gibt das mit seinen starren Lehrplänen nicht her. Und so reiht sich eins zu anderen, wenn ich Herrn Bueb so lausche. Verstehen kann ich das alles nicht, denn „dumm“ scheint er ja nicht zu sein, der ehemalige Internatsleiter. Mir kommt da eher der Verdacht, der absichtlichen VERDUMMUNG der anderen. Denn wenn Schulerziehung an Staatsschulen nur auf Strafe und Disziplin ausgerichtet wird, so wie er es propagiert, werden die katastrophalen Zustände an den Staatsschulen nur verschärft. Das Internat Schloss Salem lebt aber noch mit ganz anderen Erziehungsmitteln und Methoden, und die sind es, die Problemkinder heilen können. (Da braucht man sich nur mal durch die Webseite lesen.) Aber davon erfährt der Spiegel-Leser im Interview nichts. Und wenn Staatschule geschwächt wird, stärkt das automatisch die alternativen Schulkonzepte. Mir persönlich kann das nur recht sein, denn ich plädiere für mehr Wettbewerb in der Bildungslandschaft, da steigt dann nämlich ganz automatisch die Qualität. Zu deinen Fragen: Ersetze doch bitte "bedingungslose Liebe" durch "Liebe, ohne irgendwelche Bedinungen an das Kind zu stellen". Das trifft doch dein Beispiel oder nicht? Ich finde es wichtig, dem Kind immer das Gefühl zu vermitteln, dass es, egal wie es sich verhält, geliebt wird, bedingungslos halt. Zu der bedingundslosen Liebe von Kinder zu ihren Eltern gibt es AUCH viele Antworten, die im Glauben an Wiedergeburt verankert sind. Gehe ich jetzt nicht weiter drauf ein. Zu der Macht: Die "Mutterrolle" an sich wandelt sich mit den gesellschaftlichen Veränderungen. In Deutschland ist das ganz besonders durch die Weltkriege bestimmt. Viele Aspekte spricht Herr Bueb an, aber den Müttern traut er nicht die Kompetenz zu, dass wir der gesellschaftliche Aufgabe Kindererziehung gewachsen sind. Und vielleicht hat er so unrecht nicht, denn die meisten Mütter sind sich ihrer großen Aufgabe auch gar nicht bewusst. Aber wir sind es, die letzendlich entscheiden, WIE die eigenen Kinder erzogen werden, in welche Kita sie gehen und in welche Schule. Der Kindsvater ist natürlich auch noch da, aber in den meisten Familien traut er der Mutter zu, dass sie das Richtige entscheidet, denn er hat mit erzieherischen Fragen nicht so viel am Hut; er orientiert sich gern an der Mutter. Und in ihrer Hand liegt es letztendlich, was den eigenen Kindern für die Zukunft mitgegeben wird. Das meine ich, wenn ich sage: "Wir Mütter aber haben die Macht und die Aufgabe, das Übel an der Wurzel zu packen, damit es bei unseren Kinder erst gar nicht zu solchen Symptomen kommt [die Herr Bueb heilen will]. Darum geht es mir und es ist unendlich schwer, es verständlich zu machen." Liebe Grüße Heike


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Hallo, guter Beitrag, spricht mir aus der Seele. Bei dem Thema Salem kann ich nur müde lächeln. Das einzige was zumindest diejenigen, die ich damals kannte, dort interessierte war Verbote zu brechen und an den Wochenenden ordentlich heimlich die Sau raus zu lassen. Von ein paar wenigen, die den "Gehorsam" zum übernommenen Pseudo-Lebensinn verinnerlicht haben vielleicht mal abgesehen. Also Internate ala Salem (ich war in einer ähnlichen Internatsschule - aber nur extern in der Schule) sind für mich das abschreckendste Erziehungsbeispiel, das es gibt *grusel. Cosma


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Ich wollte dich wirklich nicht persönlich angreifen, tut mir Leid. Einen Tellerrand haben wir doch alle, und ja, es ist eine Art Beschränkung, er beschränkt nämlich unsere pesönliche Weiterentwicklung, aber nur, wenn wir es zu lassen :-)) Liebe Grüße Heike


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Hallo Tina, du schreibst: Was tut ein Lehrer, wenn eine Klasse geschlossen nicht zum Unterricht erscheint? Wenn ohne zu fragen der Klassensaal verlassen wird? An Staatsschulen kann er gar nichts tun, denn dass, was er tun DARF, bestimmt nicht er, sondern das staatliche Schulsystem. Deswegen stecken auch so viele Pädagogen den Kopf in den Sand. An einer freien Schule ist die Situation eine andere, zum Glück für die Kinder. Liebe Grüße Heike


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... da ich mich ja auch deutlich gegen Strafen in der Kindererziehung ausgesprochen hatte: ICH selbst kann und will Herrn Bueb in keinster Weise folgen. Was Du hier geschrieben hast, unterschreibe ich ebenfalls, und frage mich zunehmend, warum wir über den Punkt Strafe da so in Harnisch gerieten ;). Liegt wohl an unterschiedlichem Temperament und Sprachverständnis :-). LG Elke