Elternforum Rund um die Erziehung

Ich mache mir Sorgen um mein Autistisches kleinkind

Ich mache mir Sorgen um mein Autistisches kleinkind

prime94

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Hallo,   ich habe zwei Töchter – die Ältere ist drei Jahre alt, die Jüngere gerade zwei geworden. Bei meiner älteren Tochter besteht der Verdacht auf Autismus, was wir demnächst im SPZ (Sozialpädiatrisches Zentrum) abklären lassen. Sie zeigt viele typische Symptome, aber was mir besonders Sorgen macht und mir das Herz bricht, ist ihre Sprachentwicklung. Sie spricht inzwischen einige Wörter, doch diese kann man an einer Hand abzählen. Ich möchte gar nicht zu sehr ins Detail gehen, aber meine größte Angst ist, dass sie vielleicht niemals richtig sprechen wird.   Die Kommunikation mit ihr ist dadurch sehr schwierig – nicht nur im Alltag, sondern auch, wenn es darum geht, ihr etwas beizubringen. Wir können sie kaum aus den Augen lassen und müssen oft Einladungen von der Familie absagen. Sie ist nicht aggressiv, ganz im Gegenteil – sie zeigt wenig Interesse an anderen Kindern. Immerhin hat sich ihr Blickkontakt kürzlich verbessert. Früher war er kaum möglich. Auch beim Essen gibt es große Herausforderungen: Sie isst fast ausschließlich Pommes und ein bis zwei bestimmte Aufstriche – sonst nichts.   Mein größter Wunsch ist es, ihre Entwicklung zu fördern, damit sie ein möglichst normales Leben führen kann und wir sie besser verstehen. Wenn sie sich zum Beispiel verletzt oder hinfällt, sagt sie immer wieder „Alles okay“ – auch wenn sie weint und offensichtlich nicht alles okay ist. Das macht es für uns sehr schwer, zu erkennen, wann es ihr wirklich schlecht geht.   Ich weiß, dass jeder Mensch seine eigenen Probleme hat. Früher habe ich mir vorgestellt, meinen Kindern schon früh das Lesen und Schreiben beizubringen – aber mit so einer Situation rechnet man einfach nicht. Zusätzlich gibt es familiäre Probleme, und wir müssen uns oft anhören: „Ihr hättet sie anders erziehen sollen“ oder „Ihr habt sie nicht sozial genug gefördert“. Doch unsere jüngere Tochter ist das komplette Gegenteil: Sie geht offen auf andere Kinder zu, spricht schon sehr viel und ist sozial sehr aktiv. Dieser ständige Vergleich setzt mich unter Druck, und ich weiß manchmal einfach nicht mehr weiter. Ich möchte meine Tochter verstehen und dass sie glücklich ist. Es macht mich traurig, wenn ich andere kleine Mädchen sehe, die zu ihren Vätern laufen, mit ihnen sprechen und interagieren – und ich mir wünsche, das auch mit meiner Tochter erleben zu können.   Ich möchte ihr helfen, aber ich weiß nicht, wie ich täglich mit ihr trainieren kann, wie ich ihre Aufmerksamkeit bekomme und ihr Schritt für Schritt etwas beibringen kann.


Bonnie

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Antwort auf Beitrag von prime94

Hallo, du erwähnst familiäre Probleme. Kann es nicht vielleicht doch sein, dass die Verhaltens-Auffälligkeiten deiner Tochter eher etwas damit zu tun haben als mit Autismus? Dass dein jüngeres Kind sich "normal" verhält, heißt da nichts. Jedes Kind ist anders, und jedes Kind reagiert auf Probleme anders. Ältere Kinder zeigen bei familiären Konflikten eher Auffälligkeiten als jüngere. Autismus ist selten, und du hast ja diese Diagnose bisher auch noch gar nicht bekommen. Ich würde nicht schon ungelegte Eier beweinen, sondern erst mal abwarten, was die Fachleute im SPZ sagen. Vielleicht gibt es ja eine andere Entwicklungsstörung bei deiner Großen, die man mit Förderung (Logopädie, Ergotherapie) gut behandeln kann. Davon würde ich momentan sogar eher ausgehen.  Wichtig wäre auch, dass ihr euch als Eltern jetzt beraten lasst, wenn da was zwischen dir und deinem Partner schiefläuft. Oder zwischen euch und anderen Familienmitgliedern. Denn das Ganze belastet dich offenbar sehr, und es könnte auch sein, dass es eure Kinder belastet oder sogar in ihrer Entwicklung hemmt. Es gibt für Paare in schwierigen Situationen kostenlose Familienberatung bei der Caritas und der Diakonie. Vielleicht einfach mal anrufen und einen Termin ausmachen? Das ist sehr entlastend und kann im Alltag wirklich gut helfen! Ihr seid nicht allein. LG     


kea2

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Antwort auf Beitrag von Bonnie

Autismus an sich ist nicht so selten. Die Diagnosen steigen seit Jahren massiv an und liegen zur Zeit bei ca. 1 % der Bevölkerung. Wenn man bedenkt, dass diese Störung überhaupt erst seit ca. 20 Jahren vernünftig diagnostiziert wird und, daraus folgend, sehr viele betroffene Erwachsene gar keine Diagnose haben, durfte die wahre Rate noch deutlich höher liegen. Hier geht es sogar um frühkindlichen Autismus, der bereits im Babyalter diagnostiziert werden kann und die schwerste Form des Autismus darstellt. Ich glaube nicht, dass ein SPZ oder ähnliche Stellen so einen Verdacht mal spontan in den Raum werfen. Da wird es starke Anzeichen geben, aber eine hohe Wahrscheinlichkeit ist eben noch keine Diagnose. Das ist jedenfalls nichts, was man mit etwas verwechseln kann, das mit ein bisschen Ergotherapie, Logopädie etc. behoben werden kann, und auch nicht, was man mit einer psychischen Beeinträchtigung durch familiäre Probleme verwechseln kann. Es sei denn, wir reden hier von schwersten Misshandlungen und Vernachlässigungen. Ich glaube, Du wirfst frühkindlichen Autismus und hochfunktionalen Autismus durcheinander.


User-1752128683

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Das Kind einer Bekannten hat frühkindlichen Autismus und in dem Alter auch nicht geredet. Aber das Reden kam, verspätet vielleicht, aber er redet.  Dass eure Familien euch das Gefühl vermitteln dass es an eurer Erziehung liegt ist schade, grad jetzt wo ihr ein offenes Ohr braucht und Rückhalt tut das besonders weh und verunsichert euch zusätzlich. Das tut mir leid. Manchmal dauert es lange bis man etwas verstehen und akzeptieren kann. Wegen der Förderung: wartet erstmal die Diagnose ab, danach werdet ihr auch die entsprechenden Ansprechpartner haben bzw vermittelt bekommen. Jetzt könnt ihr nicht viel machen, außer eure Tochter eure Tochter sein lassen und sie lieben wie sie ist.  


JoMiNa

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Das klingt alles sehr belastend und ich hoffe für euch, dass ihr da bald Klarheit und habt und auch gute Unterstützung bekommt, falls es eine Diagnose gibt. Ich wollte nur den Gedanken da lassen, dass Kinder mit 3 auch dann nicht vernünftig kommunizieren können, wenn sie normal entwickelt sind 😉 Meine Tochter ist 3,5 und redet wie ein Wasserfall, aber wenn sie sich weh tut oder aufregt oder nachts wach wird - da ist kein oft kein verständliches Wort herauszubekommen. Wenn deine Tochter "Alles okay" nach einem Sturz sagt, ist das denke ich ihr Versuch, sich selbst mit einer Art Manta zu trösten. Oder auch ihr Aufruf an euch, dass sie getröstet werden will. Kleine Kinder verwenden öfters Redewendungen etwas "schräg". Bei einer möglichen Verletzung würde ich bei einem 3jährigen Kind immer selbst nachschauen und sein Verhalten beobachten, anstatt mich auf die Aussage des Kindes zu verlassen. Generell fällt mir auf, dass du sehr darauf fixiert bist, deiner Tochter etwas beibringen, sie sogar "trainieren" zu müssen. Vielleicht solltest du den Gedanken etwas loslassen, unabhängig von der Diagnose. Die meisten Dinge lernen Kinder durch Beobachtung und Nachahmung im Alltag. Da muss man höchstens ein bisschen nachhelfen, etwas vormachen oder zeigen. Mit wortreichen theorethischen Erklärungen können Kinder in dem Alter generell nicht so viel anfangen. Das geht vielleicht im Vorschulalter los. Also mach dir keine Sorgen, dass ihr irgendwas in der Hinsicht verpasst habt. Ihr seid früh dran mit der Diagnostik und wenn ihr ein Ergebnis habt, könnt ihr passende Therapien oder Förderung angehen.


Caot

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Warum willst Du denn deinen Kindern früh lesen und schreiben beibringen?  Und was sind das für familiäre Probleme die deine Kinder belasten? Vorweg. Hör auf zu vergleichen und hör auf deinen Kindern etwas beibringen zu wollen um etwas Dritten zu beweisen. Hör auf irgendwelchen Idealen hinterherrennen.  Warte die Diagnose ab. Im SPZ wird Dir dann auch erklärt, wie Du konkret unterstützen kannst. Vorrangig ist das sprechen.  Du kannst auch nur vorleben, fördern .... indem Du ganz normales machst. Geh in die Bibliothek und schaut euch Bücher an. Interagiere mit deinen Kindern. Geht in Kindermuseen, lernt schwimmen, Radfahren (für die Verknüpfung der linken und rechten Gehirnhälfte), geht in die Musikschule ....da musst Du singen, reden und das kann dein Kind übernehmen. Ganz spielerisch und ohne Druck oder eine Erwartung. Löse dich von dem Druck eines perfekten Kindes, denn das scheint Dir wichtig zu sein. Auch meine Kinder haben z.B. ein schräges Essverhalten. Oder waren/sind taktisch sehr sensibel, was zur Folge hatte, dass nur eine Sorte Socken angezogen wurden und werden. Da hilft weder jammern noch trauern sondern nur akzeptieren. Kopf hoch, Brust raus. Du hast zwei tolle Mädchen.


User-1750749248

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Antwort auf Beitrag von prime94

Dein Normal ist nicht ihr Normal. Sie wird ihren Weg machen. Und wenn dahinter kein Leidensdruck steht und es sie nicht traurig macht, dass sie nicht mit anderen Kindern spielen kann, dann ist es in Ordnung und muss nicht "antrainiert" werden.  Das SPZ ist eine gute Anlaufstelle und ihr werdet viele Informationen zum Umgang und zur Förderung bekommen. Darüber hinaus würde ich mich dann Selbsthilfegruppen anschließen, um Erfahrungen auszutauschen.


kea2

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Antwort auf Beitrag von prime94

Ich würde Dir empfehlen, für den Austausch über dieses Thema zum Forum Rehakids zu wechseln. Hier gibt es zu wenige oder gar keine Eltern, die Erfahrungen mit frühkindlichem Autismus haben.  Für solche Kinder braucht man spezielles Wissen, um sie richtig zu fördern. Da werdet Ihr Anleitungen von den Therapeuten bekommen, wenn die Diagnose feststeht.  "Ich weiß, dass jeder Mensch seine eigenen Probleme hat." Frühkindlicher Autismus ist eine ernsthafte Behinderung und nicht "einfach andere Probleme". Diese Formulierung regt mich schon bei leichteren Behinderungen, wie ADHS auf, weil damit die Probleme dieser Menschen klein geredet werden. Das ist, wie einem Menschen im Rollstuhl zu erzählen, man habe in der Schule immer beim Bodenturnen gepatzt. Das sei ja ganz ähnlich, wie im Rollstuhl zu sitzen, und irgendwelche Probleme in irgendeinem bewegungstechnischen Bereich habe schließlich jeder. In die gleiche Kategorie gehört Dein Vergleich Deiner Kinder. Säße Deine Große im Rollstuhl würdest Du von ihr auch nicht erwarten, dass sie fröhlich durch die Gegend tobt, wie die Kleine. "Zusätzlich gibt es familiäre Probleme, und wir müssen uns oft anhören: „Ihr hättet sie anders erziehen sollen“ oder „Ihr habt sie nicht sozial genug gefördert“. " Das kannst Du Dir schonmal für die Zukunft ganz groß in rot auf ein Schild schreiben, das Du an eine Stelle hängst, wo Du ständig drauf guckst: DU bist NICHT schuld an der Behinderung Deiner Tochter. Egal, was andere Leute sagen. Es ist egal, wie die Famillienverhältnisse sind. Wenn Dein Kind mit seinem Verhalten auffällt, weil es eine unsichtbare Behinderung hat, haben, in den Augen anderer, immer die Eltern in der Erziehung versagt. Das kennen alle Eltern von Autisten und ADHSlern, und alle haben sich am Anfang deswegen einen Kopf gemacht. Mit der Zeit legt man sich ein dickeres Fell zu. "Früher habe ich mir vorgestellt, meinen Kindern schon früh das Lesen und Schreiben beizubringen – aber mit so einer Situation rechnet man einfach nicht." Deswegen ist es hilfreich, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und nicht mit Eltern von Kindern ohne Behinderung oder mit welchen, die nicht so schwer von Autismus betroffen sind.  Vielleicht hat Deine Kleine ja Spaß daran, früh Lesen und Schreiben zu lernen. Wenn nicht, ist das halt so. Ich selbst habe mir das im Vorschulalter selbst beigebracht. Unser Sohn (mit ADHS und autistischen Zügen) hatte vor der Schule kein Interesse an dem Thema. Unsere Tochter hat sich schon mit 3 mit Buchstaben beschäftigt, das dann aber dran gegeben, weil sie beschlossen hatte, das in der Schule zu lernen, damit sie sich dort nicht langweilt (was trotzdem passiert ist). " Wenn sie sich zum Beispiel verletzt oder hinfällt, sagt sie immer wieder „Alles okay“ – auch wenn sie weint und offensichtlich nicht alles okay ist. " Ganz vorsichtige Idee dazu: Viele Autisten haben ein geringeres Schmerzempfinden. Außerdem kommen Autisten oft schlecht mit Ereignissen klar, die so nicht eingeplant waren, was ja der Fall bei den typischen kleinen Unfällen von Kindern ist. Vielleicht ist das bei Deiner Tochter ein Mix aus beidem, und sie versucht, ihre Welt wieder ins Lot zu bringen, indem sie sich selbst erzählt, dass alles ok und gar nichts passiert  ist. Aber wie man als Eltern damit am besten umgeht, kann ich Dir leider auch nicht sagen. Ich denke, da werdet Ihr Tips vom Therapeuten bekommen. An Deiner Stelle würde ich mir Fragen, die sich aus Situationen ergeben, jetzt schon sammeln, damit Du sie bei dem Gespräch mit dem Therapeuten stellen kannst.