Mitglied inaktiv
Liebe Cosma, das Problem kennen viele. Es gibt viele Faktoren, die begünstigen, dass sich Kinder so verhalten wie dein 3-jähriger. Zum einen ist es die Respektlosigkeit der Eltern gegenüber den Kindern. Die Kinder denken, es ist normal und in Ordnung, so zu handeln. Das sind jetzt "Kleinigkeiten" aber ungeheuer wichtig - ich meine jetzt z.B., dass man Kleinkindern unvermittelt einfach irgendwas aus der Hand zerrt. Das ist ganz automatisch und ich beobachte es fast täglich. Ich selbst habe immer noch oft den Impuls. Das fängt bei ganz Kleinen an!!! Mein kleiner ist 16 Monate. Man hat als Elternteil besonders diesen Impuls, wenn das Kind Scheren, Murmeln, Messer oder sonst was "gefährliches" oder vielleicht nur fragiles (Handy, man will nicht, dass es "vollgesabbert" wird oder so) in der Hand hat. Man will das Kind davor schützen und nimmt es weg: "nein, das ist zu gefährlich" oder so. Das Kind versteht aber nicht den "guten Grund", es sieht nur: "mama nimmt es mir weg". Und schlussfolgert irgendwann womöglich: "ich darf anderen auch einfach Sachen wegnehmen." Es ist dann total normal, dass es die Kinder auch tun, und dann haben die Eltern große Mühe, das wieder "hinzubiegen" - durch Erziehung - nehmen sich aber immer noch hin und wieder das Recht heraus, wenn es "nötig" ist, etwas aus der Hand des Kindes gewaltsam zu entfernen. (Ich weiß, das war gar nicht dein beschriebener Konflikt.) Der Punkt ist, dass es lauter solche kleine Respektlosigkeiten sind, die der Nichterzieher eher nicht macht (er bittet das Kind freundlich, ihm die Schere zu geben und wartet ab, nimmt nur bei äußerster Gefahr die Schere gewaltsam aus der Hand, aber ansonsten eben nicht. Er beobachtet eventuell die drohende Gefahr und schreitet nicht vorbeugend "falls" ein, sondern eben nur WENN. Er gibt eventuell einen anderen interessanteren Gegenstand und nimmt dann beim Fallenlassen der Schere die Gelegenheit, diese zu entfernen) - aus diesem Grund passieren solche Dinge nicht unbedingt in einem Nichterzieher-Haushalt. Ein respektvolles Miteinander ist Gang und Gebe in alle Altersrichtungen. Daher ist es für die Kinder ein Leichtes, so was einfach nach zu machen. Dein großer wurde ja erzogen. Als er dich vielleicht als Kind Mal geschlagen hat, hast du gesagt, das ist sehr böse oder sonst was und hast eventuell gestraft. Oder er sieht das bei anderen Kindern. Er hat nicht gelernt/gesehen; dass man mit solchen Situationen auch anders umgehen kann, und daher erzieht dein größerer auch bereits den kleineren. Die größeren Kinder erwarten auf jeden Fall, dass dem Kleineren Kind nun eine Strafe droht, sonst ist es ja ungerecht. Die Eltern sind also da schon Mal unter Druck. Hättest du nichterzogen, hättest du eine andere Einstellung zu solchen Ausbrüchen deines größeren Sohnes (und auch deines kleineren) gehabt, nämlich Verständnis dafür, dass er sich noch nicht optimal verständigen kann. Du hättest es ausgehalten, wenn er dich schlägt, und den Gefühlen Namen gegeben, damit er in Zukunft die Option offen hat, statt zu schlagen, die richtigen Wörter zu sagen (ich bin sauer!). Du hättest natürlich auch gesagt, dass du das nicht möchtest und dir weh tut. Wäre es zu krass geworden und hätte er dich weiter geschlagen - weil dein Kind vielleicht besonders temperamentvoll ist - dann hättest du dich vielleicht entfernt oder andere Lösungen gefunden. Dein größerer würde also keine Strafe für das kleinere Kind erwarten und hätte sich ggf. bereits vorher entfernt, bevor das eskaliert, weil er selbst diese Option kennt. Er hätte vielleicht genauso Verständnis dafür gehabt wie du, weil er am eigenen Leib gespürt hat, dass es schön ist, wenn andere Verständnis zeigen und einem lieber helfen, mit den Emotionen umzugehen, als diese zu bestrafen. Du hättest ihm bei so was auch erklärt, dass das eben vorkommen kann und nicht weiter schlimm ist. Du hättest erklären können, warum das Kind das macht und wie ihr zukünftig damit umgehen könntet. Jetzt ist es aber anders gekommen. Was DU jetzt konkret machen könntest, wenn du den Weg der Nichterziehung gehen wollen würdest, wäre: 1. möglichst immer da sein, um so was von vorne rein mitzukriegen und eventuell zu vermeiden. 2. schauen, ob die Kinder das eventuell alleine lösen und entsprechend Zeit lassen. 3. fragen, ob du helfen kannst, wenn du meinst, du solltest eingreifen - nicht immer wollen Kinder geholfen werden, es könnte durchaus sein, dass sie irgendwann sagen "wir regeln das schon" oder "wir haben das schon geregelt. Einfach einzugreifen ungefragt ist schon wieder respektlos. Schon alleine diese Haltung zeigt, dass du beiden gegenüber Respekt entgegenbringst. Meistens wollen sie es beide, es kann aber auch sein, dass einer will, der andere nicht. Dann weißt du genau, wer wirklich deine Einmischung/Unterstützung wirklich braucht und zu wem du gehen solltest. 4. wenn es bereits so eskaliert ist, dass 1, 2 und 3 auszuschließen sind, dann gibt es eine einfache Vorgehensweise: I. das vermeintliche "Opfer" wird erst Mal *gerettet*, d.h. von der Gefahrenquelle *entfernt* (anderes Zimmer). Das Opfer wird nämlich *gerne* gerettet und der andere verliert nicht sein Gesicht. Beide haben "gewonnen", für niemanden ist es erniedrigend. II. der "Störenfried" wird ebenfalls nicht allein gelassen, beide werden aber räumlich getrennt, um weitere Eskalation während der Klärung zu vermeiden. III. Es folgen Einzelgespräche, bei denen jeder ohne Wertung seitens der Mutter sagen kann, was passiert ist, und was es fühlt. Zum Täter: "ich spreche nur kurz mit und komme dann gleich zu dir" (ohne Wertung! Es geht ja um Konfliktlösung). Die Mama (oder wer auch immer) kann eventuell fragen, ob das Kind X oder Y versucht hat, um das Problem vorher zu lösen ("hast du ihm das und das gesagt?" "kannst du dir vorstellen, das nächste Mal vorher zu fragen?" "hast du X versucht (was wir (vielleicht) letztes Mal besprochen hatten)?. Es wird keine Wertung vorgenommen à la "das war nicht richtig von dir", sondern nur informiert, wie sich der andere eventuell fühlt, wenn es angebracht ist. Diese Vermutungen werden beim Gespräch mit dem anderen bestätigt oder korrigiert und bei weiteren Einzelgesprächen vermittelt. Es kann sein, dass die Mutter mehrmals hin und her geht (vor allem am Anfang, wenn alle geübt sind in Lösungsfindung wird es immer einfacher). IV. Es folgt die Frage: "jetzt hast du erklärt, was passiert ist, und was schief gelaufen ist, und was du *nicht* möchtest - was *möchtest* du denn?" (oft sagen sie immer noch, was sie "nicht" möchten, da sollte man noch Mal mit Nachdruck fragen, was man denn *möchte*. V.a) Sind diese Wünsche miteinander kompatibel (oft wünschen sich beide eigentlich das selbe: ohne Streit miteinander spielen... Entschuldigungen etc.), kann man die Kinder AUF WUNSCH (fragen!) wieder zusammen bringen und entweder sagen lassen - oder, wenn sie es bevorzugen, selber sagen X möchte dies, Y möchte das, anscheinend ist es nicht schwer, eine Lösung zu finden. Solche Gespräche enden meistens in Lachen und weiter spielen. V.b) Sind die Wünsche nicht kompatibel wird genauso verfahren. Nur, dass man dann gemeinsam eine Lösung sucht. Beide tragen ihre Wünsche vor, oder lassen sie von Mama vortragen (X möchte dies, Y möchte jenes). Es wird eventuell ein Zettel und Stift geholt. Man schreibt verschiedene Lösungsvorschläge auf und bewertet sie nicht ("das ist aber dumm/ausgeschlossen/unfair/quatsch"), sondern es wird einfach alles aufgeschrieben, auch so was wie "X wird einfach auf den Mond geschossen" (mit Spaß fließt die Kreativität besser und alle fühlen sich wohler). Dann geht man alle Vorschläge durch und schaut, womit man sich einigen könnte (dabei ist Mutters Wahl uninteressant) und was für manche Beteiligten nicht in Frage kommt, wird gestrichen. Es wird gemacht, womit sich alle einig sind. Findet man keine Lösung wird eventuell gewürfelt oder eine Münze geworfen (wenn alle mit dieser Option einverstanden sind). Ist das auch keine Option, wird die Lösungsfindung vertagt oder aufgegeben. Zu diesem Zeitpunkt sind alle bereits so ernst genommen worden und beruhigt, gerettet und ausgesprochen, dass auf jeden Fall schon Mal Friede ist. V.c) wollen die Kinder nicht miteinander reden oder will einer nicht, hat man dafür Verständnis und sagt eventuell, dass der andere aber gerne würde und ob man einen Termin ausmachen kann oder ob er sich bitte später noch mal melden könnte oder so. Der andere wird getröstet, sollte er darüber traurig sein. Oft lösen die Kinder dass nach einer Weile dann doch oder haben es vergessen und dann ist es auch gut. Hat man das Gefühl, da wurde was wichtiges unterm Tisch gekehrt, kann man das Opfer oder beide fragen, ob das jetzt so OK ist für sie oder ob da noch was ist, was gerne geklärt werden will und ob man da helfen kann. Das ist jetzt keine "Methode", die alle Nichterzieher nutzen oder so. Ich mache es so. Andere machen es anders oder haben vielleicht gar nicht solche Probelem. Ich finde es ist ein guter Lösungsansatz und kann bei allen anders aussehen. Er ist respektvoll gegenüber Opfer und Täter, beide haben die Möglichkeit, sich auszusprechen und alle werden ernst genommen. Es wird nach Lösungen gesucht und das Problem behandelt, statt lediglich ein (Fehl)Verhalten zu "korrigieren" oder dies zu wollen. Ich finde diesen Weg auch mit Erziehung kompatibel. Es ist nicht einfach, und es wird nicht immer super laufen und vor allem nicht am Anfang. Die meisten Kinder haben sich bereits auf Strafen eingestellt und jetzt ist alles anders. Von Anfang an nichterzogene Kinder lernen von Klein auf, dass Lösungen gefunden werden statt Sündenböcke. Selbst der Täter wird ernst genommen, und alle sind an der Lösungsfindung beteiligt. Daher können sie im Alter von 6, 7, oder etwas angepasst mit auch schon mit 3 mit einer solchen Herangehensweise sicher schneller und besser umgehen, als wenn Kindern erst Mal 6 Jahre lang eine Lösung vorgesetzt worden ist, sie nie an der Konfliktlösung beteiligt wurden aber plötzlich sollen - nicht wundern also, wenn es die ersten Male nicht besonders produktiv ist. Merken die Kinder, dass sie wirklich jetzt immer ernst genommen werden, rücken sie auch viel eher mit der Sprache raus und handeln oft schon von alleine lösungsorientiert. Meine Tochter (7) hat nach einer Weile schon selbst von alleine ihrer Freundin vorgeschlagen "lass uns eine Lösung finden, also du willst X und ich will Y..." Wenn sie nicht weiter kommt, weiß sie, dass sie in mir einen wertvollen Partner hat, der unparteiisch und vor allem ohne jemanden anzuprangern oder zu verurteilen, bei der Konfliktlösung helfen kann. Gruß Johanna
Wie kommst Du darauf, dass nur Nicht-Erzieher dem Kind gegenüber Respekt zollen? ICH habe eine Tochter von gerade 3 Jahren und einen Sohn von 16 Mon. und habe meinen Kindern noch nie etwas einfach aus der Hand gerissen! Ich verfahre genau nach dem Prinzip, Ersatz anbieten - was bei meinen in der Regel nicht funktioniert (die sind ziemlich gerissen *ggg*) und im Notfall erst Mal beobachten was damit gemacht wird. Ist es zu gefährlich, muss ich es wegnehmen. Nur weil man erzieht, heisst das doch nicht, dass man seine Kinder nicht respektiert und nicht in Entscheidungen mit einbezieht! Ich steht der Nicht-Erziehung mit gemischten Gefühlen gegenüber. Diese Beispiele die genannt werden, praktiziere ich schon lange aber andere Dinge wie das zu Bett Gehen funktionieren bei uns nicht zu 100%. Ich schätze, dafür sind meine Kinder zu klein und noch zu uneinsichtig. Was mich allerdings etwas nervt ist dieses schwarz/weiss Denken. Viele Grüsse, Chrissie
genau diese gedankengänge hatte ich vor ein paar tagen und habe sie so geäußert: ich glaube, der grund, warum ich mich immer noch mitteile zu diesem thema, ist, dass ich immer noch das gefühl habe, echte nicht-erzieher können sich nicht vorstellen, dass erziehung auch positive ergebnisse erzielen kann. natürlich keine autoritäre erziehung, das ist klar. aber gerade die freie, sanfte, unautoritäre erziehung unterscheidet sich hinsichtlich ihres effekts nicht von der nicht-erziehung, behaupte ich. so lange ich aber noch sätze lese wie **Erziehung schafft viel Leid und Stress für die Beteiligten ... auf beiden Seiten**, erziehung also völlig undifferenziert betrachtet wird als ein starres gebilde von maßnahmen und auswirkungen, höre ich nicht auf zu verdeutlichen, dass es das berühmte **in-between** gibt, das aus meiner sicht sogar den sinnvollsten (kind-, eltern-, familien-, gesellschaftsgerechtesten) umgang symbolisiert.
Huhu, kann mich meinen Vorrednerinnen nur anschliessen. Sicher, das Nicht-erziehen kann schon ein Anstoß sein, jede einzelne meiner Regungen meiner Kinder gegenüber noch mehr auf Aufrichtigkeit und richtige wertschätzung zu überprüfen - ABER: Es gab diese Verletzungen meinerseits nicht, weiß der Kuckuck wo der Mittlere seine Agressionen / Wildheit her hat, vielleicht kann ich ihm als Naturwissenschaftlerin auch den genetischen Anteil zusprechen, Nicht-Erzieher gehen wohl eher davon aus, daß ALLES was schwierig läuft mit der (Nicht-)Erziehung zu tun hat - also Mutti ist an allem Schuld ?! Aber zurück zum ABER: Mein Großer hat mich niemals geschlagen und ich hätte auch nie so einen Dünnsinn wie das-ist-jetzt-aber-böse von mir gegeben. Scheren werden erklärenderweise in Sicherheit gebracht und nicht aus der Hand gerissen, ich schreie nie und schimpfe wenig. Und trotzdem ist da oben gerade wieder Mordio wegen ... keine Ahnung, muß mich mal drum kümmern gehen ... Schönen Tag noch, Cosma *immernocherziehendoderwasweißich
Dann stehe ich doch nicht so ganz alleine da. :-) Ich glaube mit diesem Anspruch auf die einzig richtige Sichtweise machen sich Nicht-Erzieher viel kaputt. Es sind unheimlich viel gute Punkte dabei, die viele vielleicht auch schon intuitiv so gemacht haben oder die manche aufrütteln ihr Handlungsweise zu überdenken. Nur wenn man so dermassen darauf pocht, dass ausschliesslich die 100% durchgeführte Nicht-Erziehung zu einem positiven Ergebnis führt, dann schreckt das viele ab. Solche Sprüche wie "erzogene Eltern haben erzogene Kinder, glückliche Eltern haben glückliche Kinder" impliziert, dass wir alle unglücklich sein müssen und das kann sooo ja wohl nicht sein. ICH zumindest bin es nicht. :-) Viele Grüsse, Chrissie
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