Elternforum ADHS und ADS

schwere affektive Dysregulation

schwere affektive Dysregulation

mareen283

Beitrag melden

Hallo zusammen. Ich weiß nicht, wo ich es schreiben soll, also hab ich beschlossen, es mal hier zu versuchen, wo es sicherlich einige Eltern gibt, die VT-Erfahrung haben. Unser mittlerer Sohn, 8 Jahre, hat eine schwere affektive Dysregulation. Letzte Woche haben wir mit Suizidalität zu tun gehabt. Der ganze Winter ist schon ein Krampf mit Heulen und Zähneknirschen. Nach einer Vorstellung in der KJP bin ich jetzt auf der Suche nach einem geeigneten Therapeut/in. Kontaktiert habe ich bislang nur Kinder- und Jugendpsychiater, wegen einer eventuellen medikamentösen Therapie der vielleicht depressiven Episode. Wie ist Eure Erfahrung mit Therapeuten? Soll ich auch die Dipl-Psych und Soz-Päd anfragen? Wir bräuchten dann jedoch zusätzlich einen Psychiater für Medikamente, oder? Wie lang ist die durchschnittliche Wartezeit, bis man einen Platz für eine ambulante Therapie bekommt? Und wie lang ist so eine Therapie, pro Termin und insgesamt? Ich hoffe inständig, dass wir bald anfangen können, die allgemeine Testung ist angeleiert (Fragebogen Schule, Fragebogen Eltern, Zweittermin vor Ort, Dritttermin zur Ergebnisbesprechung). Ich weiß, dass statistisch die Wahrscheinlichkeit für Suizid in dem Alter noch sehr gering ist, aber ich möchte ihm so schnell wie möglich professionelle Hilfe angedeien lassen - es ist aktuell schon ein ziemliche Herausforderung so.


daide

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von mareen283

Hallo, das ist sehr beängstigend, wir hatten solche suizidalen Äußerungen auch, ebenfalls ungefähr in dem Alter. Gut ist, dass Du bereits alles angeleiert hast. Mach in der Schule Druck wegen der Ausfüllerei, damit das nicht ewig dauert. Unser erster Ansprechpartner war damals (etwa drei Jahre vor dieser Extremsituation) die KJP, die dann auch die Testungen gemacht hat. Damals war es bei uns „nur“ ADHS, inzwischen kam Tourette dazu. Wir haben es 8 Jahre lang ohne Medikamente geschafft, seit einem Jahr nimmt sie Methylphenidat. Parallel hatten wir von Anfang an Ergo- und Verhaltenstherapie. Obwohl wir hier neben den niedergelassenen Therapeuten noch ein Zentrum mit vielen jungen Therapeuten haben, hat es ein halbes Jahr bis zum ersten VT-Termin gedauert. Die Therapie lief einige Jahre, pro Sitzung 45 Minuten. Heute wartest Du hier in der Gegend ewig, ein knappes Jahr ist keine Seltenheit. Mein Rat wäre daher, Dich bereits jetzt bei mehreren Praxen auf die Warteliste setzen zu lassen. Absagen kannst Du immer noch. Sollte die Situation tatsächlich eskalieren, gibt es natürlich noch die Möglichkeit der Klinik. Aber davon würde ich jetzt erstmal nicht ausgehen. Und ja, ein Therapeut kann keine Medikation anordnen, dafür braucht Ihr einen Psychiater. Die Krux ist halt, dass sehr viele Psychiater zwar auch Psychotherapeuten sind, aber keine Kapazitäten für die Therapie frei haben… Alles Gute für Euch!!! Lg daide


mareen283

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von daide

Vielen Dank für Deine Erfahrungen. Ich denke, die Schule wird zeitnah ausfüllen, die Lehrerin ist jung und motiviert. Was mir mehr Sorgen macht, ist die saisonale Ausprägung. Im Sommer braucht er keine Therapie, da reicht Sonne, draußen Sport machen und viel Bewegung aus - und wenn er seine/n Therapeut/in erst dann kennenlernt, fehlt das wissen um die Winterschwere... Ich werde ihn wohl auch noch bei den Dipl-Psych.s auf die Wartelisten setzen lassen, auch wenn wir wegen Antidepressiva oder anderer Medikamente dann noch einen Psychiater benötigen werden.


schneeziege08

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von mareen283

Ich würde auf jeden Fall auch die Psychologen mit dazunehmen. Kann die KJP, wo ihr jetzt vorstellig wart, dann nicht das Verschreiben der Medikamente übernehmen? Ich glaube manche Psychologen haben auch selbst Kontakte zu Ärzten, mit denen sie häufig zusammenarbeiten. Was wichtig ist: Nicht einfach nur auf die Warteliste setzen lassen, sondern immer wieder mal nachfragen. Wenn es tatsächlich so stark saisonal auftritt, kann man zusätzlich einen Versuch mit einer therapeutisch wirksamen Tageslichtlampe machen. Alles Gute für euch!


mareen283

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von schneeziege08

Tageslichtlampe hat er auf dem Schreibtisch, weitere Lampe mit Tageslichtspektrum am Klavier. Vitamin D substituieren wir konsequent im Winter. Morgens gibt's etwa jeden zweiten Tag einen Latte macchiato zum Wachwerden. Ich bin mit meinen Möglichkeiten und mit meiner Geduld am Ende, ich hoffe wirklich auf kompetente Hilfe von außen. Die KJP Ambulanz möchte zunächst keine Medikamente, nur VT.


schneeziege08

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von mareen283

Ok, letzteres macht ja vielleicht auch Sinn. Aber wenn der Psychologe im Laufe der Sitzungen der Meinung ist, daß VT nicht reicht, dann würde die KJP diesen Teil vielleicht übernehmen? Andererseits klingt es wirklich so, als sei es jetzt seit vielen Wochen ein Dauerproblem und das würde meiner Meinung nach durchaus für eine ( temporäre) Medikation sprechen, mit dem Ziel erstmal "therapiefähig" zu werden. Im dunkelsten Depressionssumpf ist man ja kaum noch aufnahmefähig. Ihr könntet ansonsten versuchen, einen Platz in einer Tagesklinik zu bekommen - das hat einigen meiner Schüler wirklich gut getan. Dort hätte man Therapie UND Leute, die dann auch beurteilen können, ob es ohne Medikamente klappen kann. Ihr als Familie könntet durchatmen, dein Sohn sieht, dass er mit seinem Problem nicht alleine ist und abends hätte er euch als etwas entspannteren, sicheren Hafen.


mareen283

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von schneeziege08

Vielen Dank für Deine Worte. Das mit der Tagesklinik werde ich im Hinterkopf behalten, aktuell ist die Empfehlung gewesen, den gut strukturieren Alltag beizubehalten, mit Vereinssport und Musik. Uns ist es ganz wichtig, dass er unser Zuhause als Save Space wahrnehmen kann, was er nur sehr selten in Frage stellt. Es ist aber sehr anstrengend, weil er im Moment sehr viele Ressourcen emotional und zeitlich benötigt. Die anderen beiden laufen grad so nebenbei und der Winter ist noch lang. Eure Erfahrungen helfen mir sehr! Ganz lieben Dank an alle!


schneeziege08

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von mareen283

Du könntest zumindest schonmal schauen, ob und was an Tageskliniken für Kinder angeboten wird. Dann könntet ihr dort ein Erstgespräch machen und nach Gefühl (eurem und dem eures Kindes) entscheiden, ob das was sein könnte. P.S. Die Tage sind schon wieder länger! ;)


mareen283

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von schneeziege08

Von der einen KJP Praxis kam schon eine Absage... Ja, die Tage werden schon länger, aber es reicht leider noch nicht. Zwar ist es diese Woche schon deutlich weniger bewölkt und es regnet fast nicht - aber wir sind von Hochsommer noch sehr weit entfernt. Aber danke für Deinen Zuspruch! Leider ist der Plan mit Auswandern Richtung Süden erstmal auf Eis liegend, sodass der Sohn wohl zunächst lernen muss, mit Wintern in Deutschland umzugehen und zu überleben...


daide

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von mareen283

Tut mir Leid, komme erst jetzt zum Antworten. Auch das mit den saisonalen Schwankungen kenne ich, nur ist es bei uns paradoxerweise umgekehrt: Im Sommer depressive Verstimmungen vom Feinsten, im Winter tendenziell glücklich. Die Therapie braucht Dein Sohn auch im Sommer. Selbst wenn da die Symptome nicht so deutlich sichtbar werden, die Veranlagung/Grunderkrankung/wie man es auch nennen will ist ja trotzdem da. Und womöglich kann man schon mal gut vorarbeiten, bevor dann wieder die „große Welle“ kommt. Wenn es gerade richtig akut ist, ruf nochmal bei der KJP-Ambulanz an. Sag denen, dass Du aktuell keinen Therapieplatz bekommst (das wissen die eigentlich ja selbst), aber Dein Sohn JETZT Hilfe braucht. Ich bin echt kein Freund davon, schnell Medikamente zu geben, aber Suizidalität ist kein Pillepalle. Ich drück Euch die Daumen!


mareen283

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von daide

Danke für Deine Antwort und die Möglichkeit zum Gedankenaustausch. Die KJP Ambulanz weiß Bescheid. Bezüglich der Suizidalität waren die aber wirklich tiefenentspannt, weil er wohl zu jung sei. Ich bin mir da nicht sicher, daher hatte ich mich ja auch um einen zügigen Termin dort bemüht - es gibt eben auch schon 8jährige, die sich umbringen. Meist ist es dann zwar eher zufällig, dass es wirklich klappt, aber ich möchte nicht die Probe aufs Exempel erleben. Die Anfragen an die weiteren Therapeuten sind raus, jetzt muss ich noch die Fragebögen aus der Schule zurück bekommen. Die KJP Ambulanz hat mir nochmal auch die Notfallnummern mitgegeben, gerade ist es aber nicht so akut, dass wir es nicht schaffen. Es ist nur total anstrengend und muss sich dauerhaft ändern, sonst wird es nicht lange so bleiben. Die vorhandenen Ressourcen in der Familie sind ja auch irgendwie nur endlich. Ich war schon sehr froh, dass mein Mann so kurzfristig für die Erstvorstellung in der KJP frei bekommen konnte - zum einen, damit die Schilderung nicht nur einseitig von mir ist, zum anderen damit das Kind mitbekommt, wie wichtig seine psychische Gesundheit ist und wie ernst wir es nehmen. Aber auch die anderen beiden benötigen einen Teil unserer Aufmerksamkeit...


Dezemberbaby2012

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von mareen283

Hallo, weil diese Teil-Frage bisher noch nicht beantwortet wurde: Ein einzelner VT-Termin geht ca. 50 Minuten. Die ganze „Serie“ sind glaube ich zunächst 12 Termine, die dann noch einmal um weitere 12 Termine verlängert werden können. Gegebenenfalls ist danach auch eine Langzeittherapie möglich. Wir haben mehr als zwei Jahre auf die Therapie gewartet (Kleinstadt). Auch ich würde mich parallel bei allen in Frage kommenden Therapeuten auf die Warteliste setzen lassen und regelmäßig nachfragen und mein Leid klagen. Oft sind die Sekretärinnen (sagt man das heute noch so?) der Türöffner, um den Vorgang etwas zu beschleunigen. Aber die können natürlich auch nicht zaubern, wenn kein Platz da ist. Wir haben dann als endlich etwas frei wurde zunächst Vormittags-Termine während der Schulzeit bekommen, da die Nachmittags-Termine noch begehrter sind. Nach einiger Zeit konnten wir dann auf Nachmittagstermine wechseln. Bei aller Dringlichkeit würde ich unbedingt auf die Qualifikation der Therapeuten achten und z.B. nicht zu nur psychologisch weitergebildeten Heilpraktikern gehen. Sonst wäre vielleicht noch SPZ oder eine Spezialambulanz in einer größeren Stadt eine Möglichkeit? Ich finde es richtig, dass du die Probleme deines Kindes so ernst nimmst und auch die Meinung der KJP kritisch hinterfragst. Du kennst dein Kind am besten. Ich glaube ich würde im Zweifelsfall auch eine Tagesklinik (oder vielleicht begleitete Reha?) in Betracht ziehen. Vielleicht hilft dir gute Selbsthilfe-/Fachliteratur als Überbrückung bis zum Therapiebeginn weiter? Diese hier sehen z.B. auf den ersten Blick vielversprechend aus, müsstest du aber nochmal genauer schauen: Ratgeber Suizidalität Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher Christoph Wewetzer, Kurt Quaschner Suizidhandlungen von Kindern und Jugendlichen Erkennen, verstehen, vorbeugen. Das Elternbuch Wilhelm Rotthaus Lebensaufgabe - Wenn mein Kind nicht mehr leben will Suizidprävention und Trauerhilfe. Erfahrungsbericht und Ratgeber für Eltern und Umfeld von suizidgefährdeten Jugendlichen. Christiane Engelhardt Kinder und Jugendliche in suizidalen Krisen Wie Eltern helfen können – ein Ratgeber Verena Leutgeb, Elise Steiner, Elisabeth Waibel-Krammer Wie wird mein Kind wieder glücklich? Praktische Hilfe gegen Depressionen Gunter Groen, Franz Petermann Ich wünsche dir und deinem Kind viel Kraft und Sonnenschein! Liebe Grüße!


mareen283

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von Dezemberbaby2012

Nach zwei weiteren Absagen habe ich für nächsten Donnerstag einen Termin in für ein Erstgespräch ausmachen können und ein Therapeut ruft am Montag nochmal an, ob ein Kollege am Ende der Ausbildung noch Valenzen hat. Da geht es voran! Als Therapeuten hab ich nur die mit eindeutiger KJP Qualifikation angefragt. Vielleicht wird es am Ende doch nur wieder über Vitamin B laufen, aber ich hoffe ja zunächst auf den offiziellen Weg. Die psychiatrischen Praxen scheinen hier auch total überlaufen und haben zum Teil Wartelisten auf über 12 Monate und lehnen kategorisch weitere Wartende ab... Zuhause ist es leider immer noch sehr schwer. Im Moment werden zwischendurch die Mahlzeiten entweder verweigert oder mit Schokolade ersetzt (ich finde, dass das schon sehr für eine Neurotransmitterdisbalance im Sinne von Depression spricht...). Außerdem hat mich gestern nachmittags noch die Klassenlehrerin angerufen. Sie ist noch nicht fertig mit dem Ausfüllen der Fragebögen, aber macht sich Sorgen und auch ein bisschen Selbstvorwürfe, dass jemand aus ihrer Klasse sooo unglücklich ist. Sie scheint viel Verständnis zu haben und möchte auf dem Laufenden gehalten werden. Der Schulleiter hatte sie bereits nach meinem initialen Gespräch mit ihm bezüglich der Suizidalität informiert. Leider läuft es in der Klasse gerade etwas unrund, da dort eins der zurückgestellten und damit deutlich älteren Kinder die Klassengemeinschaft etwas drangsaliert und stänkert. Das tut unserem gar nicht gut, diese Wechsel von einem an den anderen Ort belasten ihn übermäßig, und wenn dann die Schule kein "Save Space" mehr ist, ist es doppelt schlimm. Danke für Deine Buchtipps, ich werde mich mal einlesen und vielleicht das ein oder andere ordern!


schneeziege08

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von mareen283

Das klingt schlimm für ihn. War das der KJP auch schon so bekannt? Ich kann nur von meiner eigenen Depression sprechen, aber in latenten Phasen ist der feste Rhythmus und das "ein bisschen durchzwingen" gut und hilfreich. In ganz akuten Phasen war es bei mir aber eine totale Überforderung, die alles noch schlimmer gemacht hat und dann relativ zügig zum Zusammenbruch führte. Gut, dass ihr jetzt bald therapeutische Unterstützung habt. Da sollte das auf jeden Fall auch geklärt werden, ob er doch vielleicht eine Auszeit braucht.


mareen283

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von schneeziege08

Danke für Deinen Zuspruch. Ja, das war in der KJP auch schon thematisiert. Im Moment ist eine Auszeit wahrscheinlich eher kontraproduktiv - außer man würde mit ihm auf die Kanaren fliegen... Der feste, getaktete Alltag hilft ihm als Strukturstütze und dient als Orientierung - und für mich auch als "Durchzwingmöglichkeit" um Deine Worte zu benutzen. Ja, es ist schlimm für ihn, er leidet, mal still vor sich hin, mal laut aufheulend. Ich bin so froh, dass es wenigstens voran geht, auch um ihm da ein Signal geben zu können, dass man sich um ihn sorgt und kümmert. Monatelanges Warten würde ihn - und mich - noch mehr zermürben.


pflaumenbaum

Beitrag melden

Antwort auf Beitrag von mareen283

Neben all den wichtigen Sachen, die schon genannt worden sind, finde ich mal interessant nachzuforschen, welche Konflikte ihn denn so belasten, dass er das Leben für aussichtslos hält. Ich vermute—mehr aber auch nicht!— dass ihn Konflikte in seinem nahen Umfeld (Familie, Schule) stark verunsichern. Daher rührt dann aus kindlicher Perspektive dieses Ohnmachtsgefühl, nichts verändern zu können an der Misere. Vielleicht schaffst du es, mit ihm ins Gespräch zu kommen darüber.