Mangelnde Selbständigkeit bei Stillkindern.....?!

 Biggi Welter Frage an Biggi Welter Stillberaterin der La Leche Liga Deutschland e.V.

Frage: Mangelnde Selbständigkeit bei Stillkindern.....?!

Hallo Frau Welter, ich gehöre zu den (hier bei uns) Exoten mit einer Stilldauer von 29 bzw 19 Monaten bei meinen Kindern. Die Zwei haben nie irgendwelche "Milchpülverchen" erhalten und haben sich (meiner Ansicht nach) prächtig entwickelt. Heute ist meine "Große" 7 Jahre alt und im ersten Schuljahr. Sie hat immer noch die - kann man es so nennen? - Angewohnheit, sich an gewisse Dinge nicht heranzutrauen, wie z. B. allein beim Bäcker ein Brot zu kaufen, einem fremden Erwachsenen eine Frage zu stellen und ähnliches. Meines Erachtens nicht weiter schlimm, sie ist halt so. Ihr Bruder (5) ist da schon forscher. Jetzt habe ich tatsächlich gehört, dass ich an ihrer Zurückhaltung selber schuld sein sollte, aufgrund des langen Stillens und der damit verbundenen "übertriebenen" Mutterbindung... Über Ihren Kommentar zu der Sache würde ich mich seeehr freuen...

von 4fun am 22.02.2011, 21:08



Antwort auf: Mangelnde Selbständigkeit bei Stillkindern.....?!

Liebe 4fun, der Einstellung, dass das Langzeitstillen die Loslösung beeinträchtige oder ein Problem in Hinblick auf die Theorie des Übergangsobjektes darstellt, ist keineswegs Fakt. Dieser Vorstellung liegt eine Hypothese zugrunde, für die es keinen Beweis gibt. Die Überlegungen beruhen auf Beobachtungen in einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, die vor langer Zeit gemacht wurden. Dem Stillen oder gar dem längeren Stillen wurde dabei überhaupt keine Aufmerksamkeit entgegengebracht (wohl auch, weil kaum bzw. nicht lange gestillt wurde). Die Praxis zeigt jedenfalls, dass langzeitgestillte Kinder nicht unselbständiger sind als kurz oder gar nicht gestillte Kinder und auch keine vermehrten Probleme mit der Loslösung haben, im Gegenteil: Oft haben sie ein so starkes Vertrauen in sich und die Welt, dass sie recht forsch die Welt entdecken wollen. Außerdem spricht gegen diese Theorie, dass es dann weltweit gesehen sehr viele Kinder Probleme mit der Selbstregulation haben müssten, denn es gibt ja nun mal viele Kulturen, in denen das lange Stillen deutlich über das Babyalter hinaus üblich ist und es gibt Kulturen, in denen keine Übergangsobjekte bekannt sind. Wie vorsichtig ein Kind im Umgang mit neuen Personen und Situationen ist, ist nicht zuletzt auch eine Temperamentsfrage und an der Veranlagung des Kindes lässt sich nicht viel ändern. Hier hilft wohl nur Geduld und kein Drängen oder gar Zwang nach dem Motto "aber das Kind muss doch mal…" Fragen Sie doch auch einmal im Entwicklungsforum nach, wie Sie ein eher vorsichtiges und zurückhaltendes Kind unterstützen können. LLLiebe Grüße, Biggi

von Biggi Welter am 22.02.2011